Test: Scheu Analog Cello – Schallplattenspieler für Einsteiger

Mit der Berliner Phono-Manufaktur Scheu Analog feiern wir eine kleine Premiere auf LikeHiFi.de. Der Cello ist schon lange im Programm des Unternehmens und darf nun auch bei uns versuchen, eine Erfolgsgeschichte anzustoßen.

Der Türöffner

Wenn man an Deutsches HiFi denkt, kommen einem freilich erstmal die ganz großen Namen in den Kopf wie AVM, Burmester, Canton, Elac oder Transrotor. Ein Unternehmen, das sich in Sachen Vinylkultur mittlerweile einen internationalen Namen erarbeitet hat, allerdings noch nicht zu den Big Playern der Szene gehört, feiert nun mit der ersten Besprechung in unserem Heft AUDIO TEST und hier auf Likehifi.de pünktlich zum Vinylspezial eine kleine Premiere. Sein Name: Scheu Analog. Oder besser: Ihr Name. Denn seit 2004 leitet Ulla Scheu die Geschäfte der mittlerweile in Berlin ansässigen Firma.

Der Werdegang des Unternehmens beginnt jedoch bereits in den 1980er Jahren, als der gelernte Werkzeugbauer und Maschinentechniker Thomas Scheu am Reißbrett und mit der Unterstützung von Helmut Brinkmann (Audiolabor, Brinkmann Audio) seinen ersten Plattendreher fertigt. Aus den ersten tüftlerischen Gehversuchen entwickelt sich schnell ein ambitioniertes Unternehmen mit Geltungsanspruch, welches Thomas Scheu bis zu seinem Tod 2004 nebenberuflich zu etablieren versucht. Dabei erfährt er nicht nur Anerkennung hiesiger Kollegen. Auch das amerikanische Fachmagazin „The Absolute Sound“ und schließlich der Golden Ear Award des Jahres 2001 für das Modell Premier honorieren Scheus Bemühungen.

Scheu Cello Plattenspieler
Da wir den Cello noch vor unserem Testdurchlauf zum Fototermin schicken mussten, sehen Sie unser Muster statt des Strings mit einem herkömmlichen Riemen ausgestattet

Ewiger Underdog

Dennoch reicht es noch immer nicht für die ganz große Aufmerksamkeit. Nach Thomas Scheus frühem Tod im Jahr 2004 übernimmt seine Frau Ulla Scheu die Geschäfte und beschließt, das technisch anspruchsvolle Erbe ihres Mannes anzutreten und zugleich aus dem Status des ewigen Geheimtipps herauszutreten. Sie investiert in Marketing und bewegt den Mittelpunkt des Unternehmens von Solingen nach Berlin. Auf der Homepage des Unternehmens findet man etwa ein – wenngleich etwas in die Jahre gekommenes – Foto von Ulla Scheu und der georgisch-britischen Sängerin Katie Melua, augenscheinlich als frisch gebackene Besitzerin eines Scheu Black Diamond.

Mittlerweile stellt vor allem die hohe internationale Nachfrage nach Scheu-Systemen die gelungenen Geschicke der passionierten Hobbypianistin Ulla Scheu unter Beweis. Vor allem der asiatische Markt weiß sich für die Geräte Scheus zu begeistern. Um dem Unternehmen jedoch auch in heimischen Gefilden zu etwas mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen, wollen wir bei der AUDIO TEST in unser aktuellen Schwerpunktausgabe Vinyl erstmals einen Plattendreher aus Berlin-Lankewitz auf den Prüfstand holen.

Scheu Cello

Unser Testmuster ist ein Schallplattenspieler mit dem musikalischen Namen Cello. Das Modell erblickte tatsächlich noch zu Thomas Scheus Zeiten das Licht der Welt. Und noch heute vertraut Scheu auf das Einstiegsmodell Cello als Türöffner in die Vinylpassion. Ausgeliefert wird der Cello nahezu einsatzbereit. So hebt man ein Laufwerk aus dem Karton, wo lediglich der Plattenteller noch installiert werden muss. Die Zarge aus Acryglas erreicht uns in einem schicken Blauton, wofür Scheu jedoch einen kleinen Aufpreis verlangt.

Zum Standardpreis von 1.150 Euro erhält man den Cello in transparenter oder schwarzer Ausführung. Äußerlich erinnert der Cello zunächst entfernt an einen Vertreter der Rega Planar-Reihe ob seiner klaren Kanten und puristischen Ausführung. Tatsächlich besteht sogar eine geschäftliche Beziehung zwischen den Briten und den Berlinern. Bereits unter Thomas Scheu bezog das Unternehmen Tonarme vom Typ RB 250 für eigene Laufwerke. Außerdem konnte man als Scheu-Kunde seinen Rega-Plattenteller von Thomas Scheu feintunen lassen.

Internationale Kollaboration

Der Rega RB 250 kommt übrigens auch bei unserem Testmuster, dem Scheu Cello zum Einsatz, ausgerüstet mit einem Ortofon Super OM10. Der knapp 31 Zentimeter (cm) lange Tonarm gilt als einer der am häufigsten verbauten Einzelkomponenten seiner Art. Der Tonarm besteht aus Aluminium und ist in gerader Ausführung gefertigt, wodurch er selbst keinen Fliehkräften entgegenwirkt.

Der Super OM10 versteht sich als Moving Magnet-System. Ob seiner hohen Ausgangsspannung ist der Tonabnehmer als Allrounder bekannt. Zwar gilt er als eher zurückhaltend, ist jedoch auch bei älteren Phonovorstufen einsetzbar. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei dieser Baugruppe rund um Tonarm um abnehmbar und bedarfsweise aufrüstbare Teile.

Am seidenen Faden

Den anderen elektronischen Kernbaustein stellt der Motor dar. Hier handelt es sich um einen kollektorlosen und PLL-geregelten Gleichstrommotor. Die beiden Laufgeschwindigkeiten von 33 und 45 Rotationen pro Minute lassen sich über einen kleinen Potenziometer feinjustieren.

Was die Marketingabteilung als großen Coup und die höchstmusikalische bauliche Lösung darstellt, wirft bei uns zumindest Fragen auf: der Antrieb. Während der Hersteller den Cello auf seiner Webpräsenz als riemengetriebenes Laufwerk bezeichnet, findet sich in der Bedienungsanleitung der Begriff String-Antrieb. So weit so fein. Jedoch liegt dem Paket eine Spindel dieses Strings bei, welcher zunächst an elastischen Angelgarn erinnert. In der Bedienungsanleitung findet man die Anweisung, man möge sich 110 cm von diesem Garn abschneiden und dann einfach verknoten, fertig ist der String-Antrieb.

Die Längenangabe scheint dabei grob geschätzt, denn wir sind sehr lange damit beschäftigt, immer neue Strings zu knüpfen, bis wir kurz davor sind aufzugeben. Denn die Besaitung des Cello ist ein sehr nervenaufreibendes Unterfangen. Um diesen Umstand scheint Cello zu wissen, schließlich sind auf die Spindel, von welcher wir weniger als einen Meter Garn benötigen, knapp 200 Meter aufgewickelt.

Für Bastler

Ganz ehrlich halten wir diesen Vorgang im Sinne des Kunden für sportlich ambitioniert. Dem Argument Ulla Scheus, dass der Gleichlauf bei herkömmlichen Riemen ob deren Dehnbarkeit gefährdet sei, können wir nicht folgen, denn Scheus String ist sehr dehnbar. Wäre er dies nicht der Fall, wäre eine Installation beinahe unmöglich. Und wenn die von Scheu gewählte Antriebsvariante wirklich die bestmögliche ist, fragen wir uns, warum marktführende High-End-Geräte auf schnöde Gummiriemen vertrauen.

Aber gut, in der Analog- und HiFi-Szene gibt es zig verschiedene Meinungen, Ansichten und Philosophien und jede hat ihre Daseinsberechtigung. Das analog-audiophile Hobby lebt letzten Endes ja auch vom Tüfteln, Pfriemeln und Feintunen, insofern kann man das Set-Up des Cellos schon wieder als charmant ansehen. Und wer weiß – vielleicht sind wir auch einfach nur verwöhnt von den bequemen Plug-and-Play Lösungen anderer Schallplattenspieler-Hersteller…

Zurück zum Aufbauprozedere: Wenn es schließlich gelingt, einen String von perfekter Länge abzumessen und zu verknoten muss er jetzt um Antrieb und Plattenteller gelegt werden und wir hoffen, dass er dabei nicht reisst. Jetzt können wir nach minimalem Feintuning über die Kreuzschlitz-Potis dem Scheu Analog Cello wirklich einen exzellenten Gleichlauf attestieren. Allerdings sollte diese Kompetenz bei einem Schallplattenspieler mit hochfidelen Ambitionen stets zum kleinen Einmaleins gehören.

Scheu Cello Plattenspieler Tonarm
Von Haus aus offeriert Scheu den Cello mit dem RB 250 von Rega. Dieser wiederum trägt einen Super OM 10 von Ortofon

Gut eingeölt

Ein Bauteil, welches Scheu stolz vom Flaggschiffmodell Premier übernommen hat, findet sich im Lager des Plattentellers. Dieses ist als Inverslager gefertigt. Soll heißen, dass die Lagerachse nach oben zeigt und die Buchse aufgesetzt wird. Diese Bauform soll den Teller durch den tiefergelegten Schwerpunkt von selbst stabilisieren.

Auf der Achse thront dabei eine Keramikkugel, die in ihrem Gegenstück auf eine Teflonpfanne trifft. Diese Kugel möchte vor der Installation des Plattentellers übrigens etwas geschmiert werden. Dafür legt Scheu dem Cello eine Spritze mit entsprechendem Schmieröl bei. Dabei muss nicht allzu sparsam vorgegangen werden. Es darf sich ruhig etwas Öl in der unteren Pfanne sammeln.

Im Klangtest: Scheu ganz selbstbewusst

Für den Praxistest bringen wir neben dem Scheu Cello die Phono-Vorstufe Aria MK3 von Rega, sowie den Audionet WATT und zwei 805 D4 Signature Lautsprecher von Bowers & Wilkins in Spiel. Musikalisch starten wir mit „Debut“, dem Debüt-Album der isländischen Pop-Ikone Björk. Gleich beim ersten Titel „Human Behaviour“ zeigt sich der Cello alles andere als scheu. Das knackige Pauken-Riff wird zusammen mit der Sub-Kick-Snare sehr kraftvoll und mit präzisem Timing wiedergegeben. Björks unverkennbare Stimme weiß der Cello Plattenspieler klar von dieser dichten Fläche abzusetzen und setzt sie sehr schön umrissen in Szene. Vor allem die Bässe und Mitten sind dabei spektral sehr differenziert dargestellt. Nur in den höheren Frequenzen klingt der Cello etwas abgeschliffen.

Das mag am Tonabnehmer liegen, welchen wir, wie vom Hersteller empfohlen auf eine Auflagekraft von circa 1,5 Gramm konfiguriert haben. Tatsächlich macht hier eine Aufrüstung mit dem Excalibur Platinum Low Output MC den entscheidenden Unterschied. Vor allem in den Höhen gewinnt das System dadurch spürbar an Feinzeichnung.

Besonders bei etwas luftiger gemischten Titeln kommt dies zum Tragen. Wir denken etwa „Come Away With Me“ von Norah Jones‘ gleichnamigem Album aus dem Jahre 2002. Hier sind die feinen Transienten, der mit Besen gespielten Drums, von toller Plastizität und auch das Timbre von Jones‘ Stimme gewinnt den authentischen Hauch. Das Ensemble aus Drums, Bass, Klavier und Gitarren weiß der Scheu Cello auch räumlich schön aufzufächern. Nichts kommt sich hier in die Quere.

Feinfühler

Auch Aufnahmen symphonisch orchestrierter Musik sind beim Scheu Analog Plattenspieler Cello richtig gut aufgehoben. Wie etwa Richard Wagners frühe Oper „Der fliegende Holländer“. Namentlich der Chor der Spinnerinnen wird uns hier auf einer breiten und klanglich wunderbar nachvollziehbaren Bühne präsentiert. Dynamisch zeigt sich der Cello, immer noch mit dem Excalibur-Tonabnehmer, sehr kompetent. Zwar sind mikrodynamische Veränderungen nicht ganz referenztauglich, größere Dynamiken spielt der Cello jedoch mit viel Selbstvertrauen an die Vorstufe weiter.

Insgesamt macht sich der Scheu Cello Plattenspieler sehr um seinen Auftrag als hochwertiges Laufwerk für Vinyl-Einsteiger verdient. Wenngleich wir den Hersteller bitten würden, sich bei der Konstruktion des String-Antriebs etwas benutzerfreundlicheres auszudenken, können wir ein Probehören beim Fachhändler Ihres Vertrauens wärmstens empfehlen. Gerade für das etwas kleinere Budget bieten die Berliner mit dem Cello eine wirklich vielversprechende und optisch ansprechende Lösung an.

Preis und Verfügbarkeit

Den Scheu Analog Cello Plattenspieler gibt es zum Preis ab 1.150 Euro (UVP) im HiFi-Fachhandel zu kaufen.

Datenblatt Scheu Analog Cello

Allgemein
GeräteklassePlattenspieler
HerstellerScheu Analog
ModellCello
Preis (UVP)ab 1.150 Euro
PreiskategorieMittelklasse
Maße (B/H/T)42 x 17 x 34 cm
Gewicht7 kg
Informationenwww.scheu-analog.de
Technische Daten*
Tonabnehmer montiertOrtofon Super OM10 (MM)
Motorkollektorloser, PLL-geregelter Gleichstrommotor
AntriebString
Steuerung manuell
AnschlüsseCinch
Phonovorverstärker integriertnein
DAC integriertnein
Bluetoothnein

*Herstellerangaben

Webseite: www.scheu-analog.de

Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 07/2023

▶ Lesen Sie hier: Test: Rega Aria MK 3 – MM/MC Phono-Vorverstärker

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Fazit
Wenn man die Tücken der Installation des String-Antriebs außer Acht lässt, zeigt sich der Plattendreher Cello des Berliner Hauses Scheu Analog als sehr solide gearbeiteter Vinyl-Experte. Für einen recht erschwinglichen Marktwert offeriert der Hersteller ein System mit Rega-Tonarm und Ortofon-Tonabnehmer, das vor allem Neulingen im Analog-Bereich gut schmecken wird.
Wiedergabequalität
83
Ausstattung/Verarbeitung
87
Benutzerfreundlichkeit
73
Preis/Leistung
80
Leserwertung3 Bewertungen
8
Vorteile
solider Einstiegsdreher mit audiophilen Ambitionen
Made in Germany
aufrüstbar
Nachteile
String-Antrieb muss selbst geknüpft werden
82
Gesamtergebnis