Test: Canton Karat GS Edition – Standlautsprecher (3,5-Wege) Neuauflage

Test: Canton Karat GS Edition – Standlautsprecher (3,5-Wege) Neuauflage

Dem Chef zu Ehren legt Canton den seinerzeit beliebten Standlautsprecher Karat wieder auf. Die Canton Karat GS Edition Standbox scheint sich auf den ersten Blick kaum von ihrem Vorbild zu unterscheiden, spielt jedoch musikalisch ganz auf der Höhe der Zeit. Wir haben den Test gemacht!

Dem Chef zu Ehren

Als vor einigen Wochen die Mitteldeutschen HiFi-Tage in den Räumen des Auerbach Verlags stattfanden, zu dem auch die AUDIO TEST und Likehifi.de gehören, gab es freilich so einiges zu bestaunen. Eines unserer persönlichen Highlights war es jedoch, dass Günther Seitz persönlich den Weg nach Leipzig auf sich nahm, um der Messe einen Besuch abzustatten.

Schließlich betrat mit dem Gründervater des deutschen Traditionsunternehmens Canton ein echtes Stück HiFi-Geschichte den Saal. Denn genau ein halbes Jahrhundert ist es nun her, dass sich Günther Seitz mit drei Kompagnons in einer ehemaligen Dorfschule in Weilrod im Taunus zusammensetzte, um eines der nun bedeutendsten hiesigen HiFi-Unternehmen zu gründen.

Gemeinsam mit 35 Mitarbeitern wurden 1972 die ersten Lautsprecher gefertigt. Bei den Debüt-Modellen handelte es sich übrigens um Regallautsprecher der LE-Serie, welche tatsächlich bis in die 2000er Jahre hinein aufgelegt wurde.

Canton Firmengründer Günther Seitz war erst kürzlich auf den HiFi-Tagen in Leipzig zu Gast und hat die Canton Karat GS (hier das weiße Modell) persönlich abgenickt.

Dabei war das Produktportfolio in Cantons ersten Jahren etwas genreübergreifender aufgestellt als heute und umfasste mit dem 1975 erschienenen Trocken-Schallplattenreiniger Discostat und dem zwei Jahre später vom Band laufenden Gamma 800 R Stereo Receiver nicht nur Lautsprecher, auf deren Fertigung sich das Unternehmen mittlerweile bekanntlich konzentriert.

1983 verließen Cantons Kreationen schließlich das heimische Wohnzimmer, denn mit den Lautsprechern der Pullman-Kollektion erweiterten die Hessen ihr Programm um die ersten Car-HiFi-Produkte. Damit kam auch der Ritterschlag, denn niemand geringeres als der spanische König Juan Carlos zeigte sich begeistert vom Pullman Set 400, welches im royalen Cabrio des Staatsoberhauptes verbaut war.

Canton – Key-Facts:

Gründungsjahr: 1972
Sitz: Weilrod, Deutschland
Legendäre Produkte: LE-Serie, Ergo, Karat
Webseite: www.canton.de

Canton, übrigens ein Neologismus, der sich aus dem Italienischen Wort Cantare (singen) und dem Wort Ton zusammensetzt, hat die goldene Zeit des HiFi in den 1970er Jahren proaktiv mitgestaltet. Die LE-Serie erfreute sich seinerzeit schnell großer Beliebtheit. Klares unpretentiöses Design im Zusammenspiel mit sauberer und kraftvoller Wiedergabe zu einem unschlagbaren Preis gehören seit jeher zu den Markenzeichen des noch immer von Familienhand geführten Unternehmens.

Zu diesem Zeitpunkt war Canton bereits eine feste Größe der Branche und mit seinen Produkten in zahlreichen Haushalten vertreten. Somit war man bestens gewappnet für den Eintritt ins Digitalzeitalter. Ein eigener resonanzfreier Messraum inklusive eigener Computer-Software ging 1989 im Werk in Weilrod an den Start und in den Neunzigern kommen schließlich die ersten Digital-Lautsprecher auf den Markt. Diese wurden sogar mit dem European Audio Award als beste Audio-Innovation ausgezeichnet.

Wenige Jahre später folgte schließlich das erste Surround-System mit THX-Standard á la Canton und schlug damit die Brücke zwischen der von Lucas-Film entwickelten Mehrkanal-Technologie und den Weilroder Qualitätslautsprechern. Binnen weniger Jahre sollte der Verkauf von Heimkino-Setups dann bereits 40 % des Umsatzes ausmachen.

Kurz nach dem Millennium präsentierten Günter Seitz & Co. im Jahr 2002 dann die Karat Reference-Kollektion, mit der Canton ein großer Innovationssprung gelang. Der ikonische Standlautsprecher Karat Reference 2 DC war im Bauhausstil gefertigt und setzte mit dem seitlich montierten Tieftöner neue Standards in Sachen Lautsprecherbau.

Karat GS

Und genau diesen Kult-Lautsprecher hat Canton nun anlässlich des fünfzigsten Jahrestages neu aufgelegt als Karat GS Edition. Die Initialen GS sind dabei Firmengründer Günther Seitz zu Ehren, der vor fünf Dekaden den Grundstein einer nicht abreißen wollenden Erfolgsgeschichte setzte.

Heute ist Canton mit etwa 170 Mitarbeitenden der größte HiFi-Lautsprecherhersteller Deutschlands und der drittgrößte Europas. In der ehemaligen Weilroder Dorfschule, wo 1972 alles begann, ist das Unternehmen übrigens heute noch ansässig.

Die AUDIO TEST war in der Vergangenheit auch bereits mehrfach eingeladen, sich dort persönlich umzuschauen ( hier geht’s zum Vor-Ort-Bericht). An dieser Stelle möchten wir natürlich auch ganz herzlich dem ganzen Team von Canton gratulieren und unseren Dank aussprechen, dass wir bereits über 30 Geräte aus dem Taunus auf den Prüfstand holen durften.

Für alle Statistikfans da draußen sei noch erwähnt, dass Canton einen Testdurchschnitt von ausgezeichneten 90 Prozent aufweisen kann und das bei einem Durchschnittspreis von nicht mal 2000 Euro. Tatsächlich ist das stets hervorragende Preis-/Leistungsverhältnis von Geräten des Herstellers immer wieder verblüffend und hochgelobt. Nun aber zurück zu den Jubilaren.

Lautsprecher im Bauhaus-Stil

Der Karat GS Standlautsprecher ist seinem Vorbild wirklich bis aufs Haar nachempfunden. Der Speaker ist von schlanker Statur und folgt einer in Bauhaus-Manier schnörkellosen Gestaltung. Die Erscheinung des Karat GS ist dabei ambivalent.

Während die gerade mal 18 Zentimeter (cm) schmale Gehäusefront mit in D’Appolito-Anordnung montierten Treibern elegant und fast schon grazil daherkommt, verspricht die Korpustiefe von 40 cm einiges an Hubraum und kommuniziert Durchsetzungskraft. Zumal wir, ganz im Stile der Karat hier den Tieftöner verbaut sehen.

Hinter der schützenden Stoffabdeckung verbirgt sich nämlich der beinahe 26 cm messende und damit äußerst umfangreiche Basstreiber mit einer Cellulose-Graphit-Membran, der von stolzen 20 Hertz (Hz) Tiefe bis 130 Hz aufzuspielen vermag. Frontseitig gehen zwei 15,4 cm weite Mitteltonchassis zu Werke, die auf eine leichte, aber steife Materialkomposition aus Aluminium, Keramik und Wolfram vertrauen.

Die Membran ist in eine weiche Wave-Sicke eingehangen, welche eine große und impulsschnelle Auslenkung ermöglicht. Außerdem sorgt das besondere Membranprofil des Mittelton-Chassis, welches Canton als Tripple Curved Cone bezeichnet, für zusätzliche Stabilität, also höhere Steifheit, was in geringeren Aufbrech- und Verzerrungswerten resultiert.

Canton offeriert bei der Neuauflage der Karat sowohl Bi-Amping als auch Bi-Wiring. Die Anschlüsse sind dabei von gewohnt hervorragender Qualität.

Komplettiert wird das Ensemble schließlich von einem Aluminium Oxyd Keramik-Tweeter, der zwischen den beiden Mitteltönern sitzt. Bei 3100 Hz übernimmt dieser die Kontrolle über das Klanggeschehen und performt bis zu 40.000 Hz. Die Membranmaterialien, welche im Karat GS bei Mittel- und Hochtöner Verwendung finden, werden übrigens auch in Cantons Reference K-Serie eingesetzt, zeugen somit also vom höchsten Standard des Herstellers.

Zusätzlich ist an der Gehäuserückseite ein Bassreflexkanal eingelassen, was die bekannten Anforderungen an die spätere Positionierung des Lautsprechers stellt. Direkt darunter finden wir das Anschlussterminal des Karat GS. Extrem hochwertig und stabil verarbeitet, wie wir es von den Hessen kennen, bietet es die Möglichkeit, den Lautsprecher in Bi-Wiring oder Bi-Amping zu verwenden. Wir belassen es bei unserem Test mit einer konventionellen Anordnung mit lediglich einem Amp und einer Single-Wire-Ansteuerung.

Jubiläumsjuwel im Klangtest

Dafür konsultieren wir zur Verstärkung den SAM 20 SE der Berliner High End-Schmiede Audionet. Das Stereopaar der Karat GS haben wir in einem Abstand von etwa 120 cm zur Rückwand und etwa 250 cm Abstand zueinander aufgestellt, wobei anzumerken ist, dass die beiden Tieftöner der Lautsprecher zur Mitte hin ausgerichtet sind.

Beide Lautsprecher haben wir dabei nur minimal eingedreht. Hier empfehlen wir wie immer, dass Sie selbst ausprobieren, in welcher Formation die Lautsprecher die beste Performance abliefern. Als Referenztrack zur Feinjustage des Stereo-Panoramas empfehlen wir übrigens den Titel „Marilyn Monroe“ der Wahlniederländerin Sevdaliza. In diesem Stück ist ein prägnanter Percussion-Sound direkt in der Stereomitte platziert, flankiert von Streichern und Rhodes. Wenn der Sound nicht mehr einem der beiden Lautsprecher zuzuordnen ist, sondern aus der Phantommitte erklingt, ist der Stereosound optimal.

Gleichzeitig eignet sich der 2017 auf dem Album „Ison“ erschienene Titel ausgezeichnet, um den Lautsprecher auf seine Feinzeichnung hin zu überprüfen. Und diese ist schlichtweg ausgezeichnet. Die immer wiederkehrenden feinen Transienten verschiedener Percussions und Streicher werden von dem Schallwandler in all ihrem Detailreichtum ausformuliert, das Timbre von Sevdalizas Alt klingt überaus natürlich und direkt.

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Die Canton Karat GS Edition gibt es in den Farbausführungen „Weiß seidenmatt“, „Schwarz seidenmatt“ und „Dusty Green seidenmatt“. (Bild: Canton)

Gleichzeitig werden Hallfahnen so hochaufgelöst, dass sich die Räume im Mix hervorragend entfalten können, ohne einander zu kaschieren. Gestützt wird alles von einem warmen und klar umrissenen Bass-Sound, der ob des ausladenden Tieftöners zwar mit einer gesunden Vehemenz ausgestaltet wird, sich jedoch nicht übermäßig in den Vordergrund spielt. Insgesamt greifen die einzelnen Frequenzbänder so organisch ineinander, dass ein wunderbar homogenes Klangbild zum Vorschein kommt, welches Canton-typisch viel Persönlichkeit und Authentizität mitbringt, ohne unehrlich zu sein.

Besonders kommt dies auch bei orchestraler Musik zum Ausdruck. Etwa bei „Modulations“ des französischen Komponisten Gerard Grisey, interpretiert vom Ensemble Intercontemporain unter der Leitung von Pierre Boulez. Hier überzeugt der Karat GS zum einen durch eine ausgezeichnete Tiefenstaffelung. Ganz klar lässt sich das Schlagwerk hinter den Bläsern verorten, während die Streicher deutlich in der ersten Reihe sitzen.

Da kann der Jubilar auch sein gesamtes Können in Puncto Dynamik zum Besten geben. Mit sehr viel Gefühl werden etwa die gedämpften Bläser-Rubati artikuliert, deren mikrodynamische Akzente in ganz feinen Amplituden wunderbar und mit sehr viel Lebendigkeit vom Karat GS in den Hörraum übertragen werden. Auch die sanften, in der Generalpause mündenden Decrescendi, aus welcher dann wieder Pauken und Streicher zaghaft hervorschwellen, werden so liebevoll wiedergegeben, dass es einem tatsächlich einen kleinen Schrecken einjagt, als das Tutti in einem brachialen Fortissimo wieder zusammenfindet.

Aber auch stark komprimierte Titel, wie etwa „Tears In The Club“ von FKA Twigs und The Weekend stehen dem Canton Karat GS Standlautsprecher ganz gut zu Gesicht. Dabei geht in jedem Frequenzband ganz schön die Post ab, was unseren Prüfling jedoch nicht aus der Ruhe bringt. Ganz im Gegenteil. Hier freut sich der Speaker, mal so richtig Gas geben zu dürfen. Die massiven Bässe schieben nun ordentlich, während obenrum die einzelnen Klänge und Texturen dennoch ordentlich ausdifferenziert werden.

Mit der Neuauflage des Kult-Speakers Karat scheint Canton mal wieder ein handfester Allrounder gelungen zu sein, der mit viel Selbstbewusstsein aufzuspielen weiß und locker auch mit höherpreisigen Konkurrenten mithalten kann. Denn – halten Sie sich fest – für den Karat GS ruft Canton gerade mal 3500 Euro auf. Und übrigens ist das Modell auf 1972 Paare limitiert. Das wird wohl kein Zufall sein. ■ Text: Artur Evers

Preis und Verfügbarkeit der Canton Karat GS

Die Canton Karat GS Edition Lautsprecher gibt es zum Preis von 3.500 Euro (Paarpreis, UVP) bei Canton zu kaufen. Farbausführungen: weiß seidenmatt, schwarz seidenmatt oder dusty green.

Webseite: www.canton.de

Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 08/2022.

▶ Lesen Sie hier: Test: Canton Vento 100 Standlautsprecher – In langer Tradition…

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Fazit
Der Standlautsprecher Karat GS ist seinem Vorbild, dem 2002 erschienenen Karat in allen Belangen durchaus würdig. Große Spielfreude und Lebendigkeit werden hier von einem optisch ansprechenden Schallwandler bewerkstelligt, der sich ohne Weiteres dieser namenhaften Ahnenreihe anschließen darf.
Wiedergabequalität
94
Ausstattung/Verarbeitung
98
Benutzerfreundlichkeit
83
Preis/Leistung
91
Leserwertung50 Bewertungen
56
Vorteile
großartiger Sound
tolle Verarbeitung
ausgezeichnetes Preis-/Leistungsverhältnis
Nachteile
Leider auf nur 1972 Paare limitiert
93
Gesamtergebnis

Bildquellen:

  • Canton Karat GS Test Review 01: Auerbach Verlag