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© Nadav Kander / Universal Music

Album des Monats: Peter Gabriel – i/o

Über 20 Jahre hat uns Peter Gabriel auf sein zehntes Studioalbum warten lassen. Nun ist „i/o“ da und gut ausgestattet mit Originaltiteln Gabriels, die nicht für Filmmusik oder andere Auftragsarbeiten komponiert wurden. Es ist dabei sein erstes Album mit neuem Material, seit der Veröffentlichung von „Up“ im Jahr 2002.

Das Album „i/o“ von Peter Gabriel markiert einen bedeutenden Meilenstein in der Karriere dieses ikonischen Künstlers, der bereits in den 1970er und 1980er Jahren mit innovativer Musik und kraftvollen Botschaften die Welt der Popmusik prägte, sowohl als Solokünstler als auch durch sein Mitwirken in Bands wie Genesis. Bekannt für sein bahnbrechendes Œuvre, darunter sein wichtigstes Album „So“, kombiniert Gabriel auf „i/o“ künstlerischen Anspruch mit technologischer Innovation und unterstreicht damit seine kreative Genialität und kontinuierliche Relevanz in der Musiklandschaft. Doch wie kam es eigentlich dazu und was macht seine neue Platte so besonders?

Seit den 1990ern in der Mache

Nach der „Secret World“-Tournee von 1993 bis 1994 widmete sich Peter Gabriel dem Schreiben von neuem Material. Berichten zufolge verfasste er über 130 Songs, von denen zehn schließlich für das Album „Up“ von 2002 ausgewählt wurden. Im selben Jahr äußerte der britische Ausnahmekünstler die Absicht, ein Nachfolgealbum mit dem vorläufigen Titel „i/o“ (der auch ein früher vorgesehener Name für das Album „Up“ war) im Jahr 2003 zu veröffentlichen.

Doch durch Tourneen, wie „Growing Up“ und „Still Growing Up“ von 2002 bis 2004, sowie weitere Projekte verzögerte sich die Fertigstellung von „i/o“. Im Jahr 2005 arbeitete Peter Gabriel eng mit dem Tontechniker Richard Chappell und dem Schlagzeuger Ged Lynch zusammen. Sie saßen damals an etwa 150 Songs und sprachen sogar von einer Veröffentlichung. Doch folgte daraufhin nicht das Album „i/o“, sondern Gabriel ging mit zwei anderen Alben an den Start. So folgten zunächst die Longplayer „Scratch My Back“ (2010) und „New Blood“, (2011), woraufhin Peter Gabriel dann auch die entsprechenden Tourneen dazu durchführte. 2013 erwähnte das ehemalige Genesis- Mitglied, dass er rund zwanzig Lieder in Arbeit hatte, von denen einige überarbeitet wurden und später, in das „Back to Front“ Album und Tour eingingen.

Sneak Peek über die Jahre hinweg

Mitte der 2010er teilte Gabriel über soziale Medien Updates zur Arbeit an der neuen Musik mit Ged Lynch und Richard Chappell mit. Kurz darauf veröffentlichte er einen unfertigen Songnamens „Daddy Long Legs“ bzw. „O But“, der final Anfang 2023 als „Playing for Time“, als einer der ersten Songs aus „i/o“ veröffentlicht wurde. Das Album wurde im März 2018 offiziell angeteasert, als Peter Gabriel bekannt gab, dass sich das Album in der Comping-Phase (=Entwicklungsphase) befinde.

Im April 2019 musste er allerdings eine Zwangspause von Musik einlegen, um sich um seine kranke Frau zu kümmern, kehrte aber danach zurück und arbeitete an etwa 50 Ideen mit dem Ziel, die Songs bis Ende 2019 fertigzustellen. Während des Corona-Lockdowns hatte Peter Gabriel genug Zeit, um eine Sammlung von über 50 neuen (!) Songs anzuhäufen, wobei es im März 2020 der Song mit dem Titel „So Much“ an die Oberfläche schaffte. Trotz der Herausforderungen der Corona-Zeit, entwickelte Gabriel mit seiner Band bis Ende 2022 das neue Album fertig.

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Schauen Sie sich hier das offizielle Musikvideo zu „i/o“ an.

Und dann war es endlich so weit

Am 8. Dezember 2022 war es schlussendlich nach fast 20 Jahren der Vorfreude und insgesamt 27 Jahren und acht Monaten Entwicklungszeit soweit: die Veröffentlichung des Albums „i/o“ wurde für Dezember 2023 angekündigt. Das Album ist inspiriert von Themen der Astronomie. Jeder einzelne Songtitel hat etwas damit zu tun und auch der Albumname selbst beruft sich darauf. Eigentlich steht „i/o“ für „Input/Output“, ist aber gleichzeitig auch der Name vom Mond Iodes Planeten Jupiter.

Im Rhythmus des Mondes

Gabriels eigentlicher Plan war es, zu jedem Vollmond eine neue Single aus „i/o“ zu veröffentlichen. Er beabsichtigte, dieses Veröffentlichungsformat beizubehalten, vorausgesetzt er hätte genügend Ausdauer, um es fortzusetzen. Zusätzlich wurden alternative Abmischungen für jeden Titel veröffentlicht, um die Arbeit der jeweiligen Abmischtechniker hervorzuheben – welch famose Idee! Diese erschienen jeweils an den Neumonden des Jahres. Die Singleauskopplungen richteten sich somit nach allen Vollmonden des Jahres 2023. Angefangen mit dem Wolf Moon am 6. Januar bis zum Beaver Moon am 27. November.

Themen und Motive

Mit den zwölf enthaltenen Tracks, präsentiert Gabriel intelligente und nachdenkliche Songs, die sich mit Themen wie dem Leben und dem Universum auseinandersetzen. Die Verbundenheit mit der Welt um uns herum, wie es in dem Titeltrack „i/o“ heißt („I’m just a part of everything“), ist ein wiederkehrendes Motiv. Das Album behandelt auch das Vergehen der Zeit, Sterblichkeit, Trauer sowie Motive wie Ungerechtigkeit, Überwachung und den Ursprung des Terrorismus.

Trotz der nachdenklichen Inhalte ist die Stimmung auf dieser Platte nie eingetrübt. „i/o“ ist musikalisch abenteuerlich, oft fröhlich und letztendlich voller Hoffnung, besonders hervorgehoben durch den mitreißend optimistischen Schlusssong „Live and Let Live“. Peter Gabriel präsentiert auf „i/o“ zudem eine vielfältige Palette von melancholisch-sinfonischen Popsongs wie „Playing For Time“, „Love Can Heal“ und dem Titelsong „i/o“. Es beinhaltet ebenso funkig-elektronische Songs wie „The Court“ und beeindruckende Pop-Triumphbögen, die mit dem Soweto-Gospel-Chor, einem Orchester und zahlreichen Gastmusikern eingespielt wurden.

„i/o“: einfach besonders

Wie bereits erwähnt wurde „i/o“ in verschiedenen Abmischungs-Varianten veröffentlicht. Die Mixe von Musikproduzent Mark Stent wurden als „Bright-Side-Mix“ bezeichnet, während die von Tchad Blake als „Dark-Side-Mix“ bezeichnet wurden. Die helle und die dunkle Seite des Lebens gehört ohnehin zu den Spitzenreitern im ewigen Themen-Ranking der Popmusik. Doch die Tatsache, dass ein Künstler jedem seiner neuen Songs sowohl eine helle als auch eine dunkle Version zuteilt, ist zweifellos eine bemerkenswerter Umstand.

Ob zuerst der „Bright-Side-Mix“ oder der„Dark-Side-Mix“ veröffentlicht wurde, variierte dabei von Song zu Song. Darüber hinaus erhielten alle Titel einen dritten alternativen Mix in Dolby Atmos, genannt „In-Side-Mix“, der von Hans-Martin Buff stammte. Dieser wurde gleichzeitig mit dem jeweiligen Gegenstück zum Hauptdatum an den Vollmonden veröffentlicht.

Alle drei Mix-Varianten von „i/o“ wurden am 1. Dezember 2023 als physisches Album veröffentlicht, sowohl als Doppel-LP mit „Bright-Side“- und „Dark-Side-Mix“, als auch als Doppel-CD mit beiden Abmischungen. Zusätzlich gab es eine Audio-Blu-ray mit dem Dolby Atmos „In-Side Mix“ und beiden Stereomixen in hoher Auflösung 96 kHz/24-bit, in der das Album „i/o“ aufgenommen wurde. Alle Alben von Gabriel seit „Up“ im Jahr 2002 wurden übrigens in 24-bit aufgenommen.

Eine fesselnde Platte

Insgesamt präsentiert sich „i/o“ als ein fesselndes Album mit beeindruckenden Melodien, die den Hörer einfach nicht loslassen. Peter Gabriels Stimme bleibt auch im Alter von 74 Jahren genauso brillant wie eh und je und vom Karriereende ist weit und breit keine Spur. Der Sound des Albums ist durchdacht und facettenreich, mit mal rockigen, mal ruhigen und mitunter prächtig-orchestralen Momenten. Gabriel deutete an, dass er an weiteren Projekten bereits arbeite, welche wahrscheinlich zu anderen Vollmondphasen veröffentlicht werden.

Übrigens: Am 8. März 2024 wurde zudem ein umfangreicheres Boxset veröffentlicht, das die Doppel-CD, die Audio-Blu-ray und die beiden Vinylversionen enthält. Zum Umfang gehört außerdem ein gebundenes Buch mit erweiterten Linernotes, großformatigen Drucken der 12 ausgewählten Bilder und ein Poster. Peter Gabriel Fans sollten also aufpassen! ■ Text: Vivien Gröger, Benjamin Mächler

Auf der CD-Version mit Audio-Blu-ray ist das Album auch im Dolby Atmos Mix zu hören

Peter Gabriel – i/o: Tracklist

1. Panopticom – 5:13

2. The Court – 4:21

3. Playing for Time – 6:17

4. i/o – 3:52

5. Four Kinds of Horses – 6:47

6. Road to Joy – 5:21

7. So Much – 4:50

8. Olive Tree – 5:58

9. Love Can Heal – 5:59

10. This Is Home – 5:04

11. And Still – 7:41

12. Live and Let Live – 6:46 (Bright-Side Mix) / 7:11 (Dark-Side Mix und In-Side Mix)

Erscheinungsdatum: 1. Dezember 2023

Label: Real World / EMI / Republic

Spielzeit: 68 Minuten

Formate: CD, Digital (Download / Stream), LP, Audio-Blu-ray

Webseite: www.petergabriel.com

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