In der klassischen Dramenlehre markiert der Klimax den Höhepunkt einer Geschichte. Somit ist es ein nicht ganz unbescheidenes Statement, wenn ein Hersteller sein 35.000 Euro schweres Gerät mit diesem Titel versieht. Vorhang auf für den Linn Klimax DSM.
Linn Klimax DSM: Der Name ist Programm
Denken wir an Schottland, so assoziieren wir zumeist als erstes nebelverhangene Hügel in verregnet trüber Prärie. Dazu kilttragende Dudelsackspieler mit schroffer Seefahrermentalität. Erst dann erreichen wir gedanklich die einstige Millionenstadt Glasgow, welche nicht nur laut einem Mercer-Ranking von 2019 zu den lebenswertesten Städten der Welt gehört, sondern mit dem Royal Conservatoire und vier Universitäten auch als unverzichtbarer kultureller und wissenschaftlicher Pulsgeber des Vereinigten Königreichs zu werten ist.
Und auch der Rest der Welt hat Glasgow einiges zu verdanken, zählt doch unter anderem Thomas Macintosh zu den prominentesten Söhnen der Stadt, der, zugegebenermaßen nicht ganz frei von eingangs erwähntem Stereotyp, im 19. Jahrhundert den wasserdichten Regenmantel erfand.
Dass Glasgow auch heute noch Erfinder von – zumindest im HiFi-Segment – Weltrang beheimatet, haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder selbst beglaubigen dürfen, wenn wir ein Gerät aus dem Hause Linn im Hörlabor zum Test empfingen. So erhielt das mittlerweile beinahe fünf Dekaden zählende Unternehmen bereits drei Urkunden der Referenzklasse mit dem Plattenspieler Linn Akurate LP12, dem aktiven Standlautsprecher Exakt Akubarik und dem Akurate Exakt DSM Netzwerkplayer.
Zwar eignen sich die bisherigen Testmuster, welche in der AUDIO TEST und hier auf Likehifi.de gastierten, mit einem durchschnittlichen Marktwert von knapp 7.500 Euro nicht gerade für spontane Anschaffungen zwischendurch, allerdings kann man ohne weiteres davon ausgehen, mit einem Produkt aus dem Hause Linn durchaus so einige Jahrzehnte Freude zu haben.
Für die aktuelle Ausgabe hat uns das schottische Traditionsunternehmen sein neuestes Highlight zur Verfügung gestellt und sorgte dabei für die ein oder andere offene Kinnlade: den High End Netzwerkplayer / Streamer (mit DAC) Linn Klimax DSM.
Linn Klimax
Der Klimax DSM ist Linns neuester Next-Generation Netzwerkplayer und markiert technologisch, sowie mit Blick auf seine Ausführung den State of the Art des technisch machbaren.
So ist das Gehäuse des insgesamt 16,4 kg auf die Waage bringenden Linn Klimax DSM von einer fünfachsigen CNC-Fräse aus einem soliden Stück Aluminum von ursprünglich 40 Kilogramm geschnitten, je nach Wunsch silber oder schwarz eloxiert. Die Ausgestaltung des Streamers zeugt dabei rundum vom höchsten Anspruch, welchen Linn an den Klimax stellt. Die Oberfläche des, wie der Hersteller ihn ganz unbescheiden bezeichnet, ultimativen Streamers ist nicht nur ein außerordentlicher Blickfang, sondern mit den einer Langspielplatte nachempfundenen Rillen auch haptisch überaus ansprechend.
Als Bedienelemente vertraut Linn lediglich auf sechs vom User frei belegbare Smart Keys und einen ausladenden Drehwahlschalter, welcher die Eleganz des Klimax durch einen Ring aus über 100 LEDs und seiner scheinbar hängenden Montage gekonnt abrundet.
Die Kommunikation mit dem Nutzer übernimmt ein ebenso elegantes Display am Frontpanel des Gehäuses. Durch dessen verspiegelte Ausführung tritt der Bildschirm nur hervor, wenn auch in Verwendung befindlich, um die notwendigsten Metadaten der wiedergegebenen Musik darzustellen.
Anschlüsse
An der Rückseite des Klimax können und mit einem Blick auf das Anschlussterminal ein weiteres mal vom Perfektionismus der Schotten überzeugen lassen. Tatsächlich wollen wir fast behaupten, dass man Anschlüsse kaum hochwertiger fertigen kann, als Linn es hier tut. Die konsequente Kanaltrennung und die extrem wertigen vergoldeten Buchsen sagen ganz klar aus, dass Linn hier lieber klotzt als kleckert. Denn Linns Philosophie, dass nichts, was eingangs verloren geht, auch nicht vom weltbesten Lautsprecher wiedergewonnen werden kann, stimmt ja in der Tat und bekommt hier mit dem Klimax DSM auf den ersten Blick ein kleines Denkmal gesetzt.
Anspielen lässt sich der luxuriöse High-End Netzwerkplayer übrigens sowohl digital, als auch analog. Dafür stehen neben unsymmetrischen Cinch- und symmetrischen XLR-Kanälen auch ein USB-, sowie ein optischer und zwei Koaxial-Inputs parat. Via Ethernet lässt sich der Linn Klimax DSM außerdem mit zwei Kollegen der Exakt-Kollektion verbinden und ins Netzwerk einpflegen. Doch natürlich kann der Klimax auch WiFi.
Interieur vom Linn Klimax DSM Streamer
Der Eindruck technischer und verarbeitungsqualitativer Perfektion manifestiert sich jedoch endgültig erst mit einem Blick unter die Haube des Klimax DSM. Vorsichtig können wir den Gehäusedeckel abnehmen, um einen Blick in das Innenleben des Premiumstreamers zu erhaschen. Und hier offenbart sich des Herstellers ganzer Stolz beim neuen Klimax DSM. Denn erstmals zählt Linn auf einen komplett In-House gefertigten Digital-Analog-Wander: den Organik DAC.
Dieser beruht auf einer komplexen Schaltung aus diskreten Wandlungsstufen in Zusammenspiel mit FPGAs, quasi frei programmierbaren Prozessorchips. Diese Schaltungstopologie ist symmetrisch auf Ober- und Unterseite der Marineblauen Platine platziert, um die Signalwege so kurz wie nur irgend möglich zu halten. Die hierfür verwendeten Arrays sind selbst ebenfalls von höchster Güte und bereits von nicht zu verachtendem Stückpreis.
Durch diese hauseigene Schaltungskomposition und eigens entwickelte Rechenvorgänge erlangt der Linn Klimax DSM nach Herstellerangaben die bei Weitem besten Jitter- und Verzerrungswerte der Firmengeschichte und ermöglicht eine Wandlung von Signalen mit bis zu 384 000 Abtastungen pro Sekunde bei einem Datensatz von 24 Bit. Somit sind High Resolution-Files bis hin zu DSD 256 kein Problem für den Streamer.
Setup & Space Optimisation
So komplex und die technologische Ausgestaltung des Linn Klimax DSM gehalten ist, so umfangreich gestaltet sich auch die Installation des Geräts ob der hauseigenen Room Optimisation. Zwar lässt sich der Klimax DSM ohne Weiteres aufbauen, anschließen und ins heimische Netzwerk einbinden, jedoch wird die Installation letztlich von einem autorisierten Fachhändler vorgenommen, um die Space Optimisation vorzunehmen.
Uns hat Brand Ambassador Guido Schütze per Video Call aus Glasgow unter die Arme gegriffen, um das Testmuster auf unseren Hörraum, sowie die angeschlossenen Standlautsprecher 804 D4 von Bowers & Wilkins zuzuschneiden.
Ist der Klimax einmal ins Netzwerk implementiert, so lässt sich das Gerät in der Linn-App mit dem eigenen Linn-Account verknüpfen. Jetzt erscheint das Gerät in der Web-App des Herstellers, wo die Space Optimisation vorgenommen werden kann.
Anders als bei anderen Geräten, funktioniert diese bei Linn nicht über umfangreiche akustische Einmessungen, sondern anhand physikalischer Parameter von Raum und Lautsprecher, welche dann in einem komplexen Rechenverfahren zu entsprechenden Settings führen. Eingangs „zeichnen“ wir in der Web-App einen Grundriss unseres Hörraumes mit korrekten Maßangaben und präzisen Verortung von Türen und Fenstern. Dabei fragt uns die Software nicht nur nach Materialbeschaffenheit ebendieser sondern auch nach den Materialien der Wände.
Hierbei ist es unerheblich, ob ein schwerer Teppich auf dem Boden liegt, sondern einzig das Material der Wände ist entscheidend. Bei uns sind alle sechs Wände des Hörraums aus Beton gefertigt und der Boden somit nicht federnd. Als nächstes geben wir an, wo unsere Lautsprecher positioniert sind und ob diese Positionen der idealen Aufstellung der Speaker entsprechen.
Die Entfernung zum Hörplatz und zu umliegenden Wänden geben wir dabei ebenso auf den Zentimeter genau an, wie die Lage der einzelnen Treiber der Lautsprecher. Zwar umfasst Linns Katalog mehrere Hundert Lautsprecher, jedoch ist genau dieses Modell der 804 von B&W hier noch nicht aufgenommen, weswegen wir die Höhe der Treiber selbstständig nachmessen müssen.
Die Lautsprecher, welche Linns Space Optimisation im Drop-Down-Menü anzeigt werden übrigens nicht von Linn selbst vermessen, sondern von Fachhandelspartnern. Was insofern gut funktioniert, da keine akustischen sondern räumliche Messungen vorgenommen werden. Sprich, die Lage der Treiber und das Verhalten des Bassreflexes sind hier für die Space Optimisation relevant.
Letztlich werden die gesammelten Parameter von der Website an ein externes Rechenzentrum geschickt, welches dann nach wenigen Minuten ein fertiges Setting zurückschickt. Hier lassen wir uns gleich drei verschiedene Presets erstellen, welche drei verschiedene Intensitäten der Tieftonperformance des Klimax wiedergeben, denn Linns Space Optimisation ist vor allem um Bereich um die 80 Hertz am wirkungsvollsten. Wie genau sich das in der Praxis gibt, wollen wir gleich erörtern.
Der Name ist Programm
Selbstredend lässt sich Linns Klimax DSM mit allen gängigen Streaming-Clients anspielen. Diese lassen sich in der Linn-App auf Smartphone oder Tablet ganz einfach nach ihrer Relevanz für den Nutzer sortieren und ausblenden. Wir beginnen den Test zunächst mit einer physischen Ansteuerung via USB und hören zunächst HiRes-Files des Albums Blues und Ballads des Brad Mehldau Trios. Gleich mit den ersten paar Tönen stellt der Klimax unmissverständlich klar, dass Linn bei der Namensgebung keine falschen Erwartungen weckt.
Der Sound ist von solch einem kristallklaren Nuancenreichtum, dass wir geneigt sind, das ausgetretene Bild der leiblichen Kopräsenz zu bemühen. Denn genau so scheint es. Als stünden wir in einem Raum mit dem Trio. Wobei ganz klar gesagt werden muss, dass wir uns in den Raum der Aufnahme morphen, mehr als dass sich die Bühne in unserem Hörraum auftut. Denn dafür ist die feingezeichnete Hallfahne auf dem Mix zu plastisch, zu geräumig. Die Transienten jedes Hammerschlags des Pianos, sowie des gezupften Basses sind so präzise artikuliert, dass wir uns tatsächlich fragen, was danach noch kommen soll.
Das retardierende Moment
Im klassischen Drama folgt auf den Klimax das retarierende Moment, welches durch Verzögerung des zu erwartenden Handlungsverlaufs die Spannung hochhält. In unserem Fall ist dies wohl Linns Space Optimisation. Denn in dem Wissen um dessen hauptsächlichen Wirkungsbereich hören wir „Limit To Your Love“ von James Blake und wechseln zwischen den verschiedenen Presets der Space Optimisation hin und her.
Und ganz ehrlich müssen wir gestehen, dass es ein simpler 3-Band-Equaliser wohl auch getan hätte. Freilich hören wir eine gewisse Veränderung der Betonung des Tieftons, jedoch halten wir den für durchaus unspektakulär im Verhältnis zu Marketing und Aufwand der Technologie.
Ende
Dies soll jedoch keinesfalls die wirklich herausragende Leistung in Abrede stellen, welche Linn mit dem Klimax DSM vollbracht hat. Dieser Netzwerkplayer markiert ganz unbescheiden die Speerspitze des technisch machbaren und überzeugt durch eine wahrlich einzigartige Performance. Dabei gestaltet sich die gesamte User Experience so intuitiv und unkompliziert, dass man beinahe vergisst, welch technologischer Sprung dem Hersteller hier gelungen ist. Nur schweren Herzens schicken wir den Linn Klimax DSM zurück nach Glasgow und freuen uns dafür umso mehr auf eine Fortsetzung dieser Geschichte!
Preis und Verfügbarkeit
Der Linn Klimax DSM Streamer ist zum Preis von 35.700 Euro (UVP) im Fachhandel erhältlich.
Webseite: www.linn.co.uk
Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 08/2021
▶ Lesen Sie hier: Test: Linn Akurate LP12 – High End Plattenspieler (Subchassis)
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Bildquellen:
- Linn-Klimax-DSM-Streamer-Test-01: Auerbach Verlag / Benjamin Mächler
- TEST: Linn Klimax DSM: Auerbach Verlag
- TEST: Linn Klimax DSM: Auerbach Verlag
- Linn-Klimax-DSM-Streamer-Test-02: Auerbach Verlag / Benjamin Mächler
- TEST: Linn Klimax DSM: Auerbach Verlag
- TEST: Linn Klimax DSM: Auerbach Verlag
- Linn Klimax DSM: Auerbach Verlag