Vor 30 nunmehr Jahren erfüllte sich der Musikproduzent und -Verleger Siggi Loch mit der Gründung von ACT seinen Jugendtraum vom eigenen, unabhängigen Jazzlabel. Heute belegen über 600 Veröffentlichungen die Kraft von Siggi Lochs mit unerschöpflicher Energie voran getriebener Vision. Wir haben in zwei aktuelle Jazz-Alben reinhören können, unsere Musiktipps des Monats.
Jazz: Nur Musik für Individualisten?
Es gibt wohl kaum eine musikalische Spielart, die geschmacklich mehr poloarisiert als Jazz. Lässt sich der zunächst durchaus als subversiv bis deviant wahrgenommene Techno dieser Tage als absolut afterworktauglich begreifen, ist der viel ältere Jazz heute immer noch so etwas wie eine bewusste Hör-Entscheidung die zielsicher Kontroversen herruft. Kompliziertes Schlagwerk, ikonischer Kontrabass, nebst Holz- und Blechbläseren sind einfach nicht jedermanns Sache.
Diesem Umstand wollen wir mit diesem kleinen News-Beitrag mindestens entgegenwirken. Ist gut gemachter Jazz doch mindestens in der Lage, das Beste aus unseren geliebten und oftmals nicht weniger hochpreisigen HiFi-Systemen heraus zu kitzeln. Wir möchten ihnen nachfolgend zwei neue Scheiben des renommierten Jazz-Labels ACT vorstellen. Und laden Sie herzlich ein, Ihren musikalischen Horizont gemeinsam mit uns zu erweitern.
Landgren / Wollny / Danielsson / Haffner
„4 Wheel Drive II“
Wer es lieber etwas besonnener mag und sich dabei von Popanklängen und Reminiszenzen eines halben Jahrhunderts Musikgeschichte stimulieren lassen möchte. Ist mit derm Album „4 Wheel Drive II“ gut beraten. Das Quartett vereint vier der renommiertesten Jazzmusiker Europas: Nils Landgren, Michael Wollny, Lars Danielsson und Wolfgang Haffner. Und seit ihrem ersten gemeinsamen Album im Jahr 2019 ist das Projekt zu einer echten Working Band geworden. Das Album „4 Wheel Drive II“ kombiniert fulminante Eigenkompositionen der vier Musiker mit einigen ihrer persönlichen Lieblings-Pop-Songs.
Phil Collins Kompostion mit Jazz Attitude
Besonders hervorheben möchten wir den Titel „Hold on My Heart „. Der Song selbst beginnt mit einem übersichtlichen Schlagzeug-Shuffle-Beat der von Wolfgang Haffner, welcher auch als Produzent wirkte, mit spritziger Coolness eingespielt wurde. Dabei ist Haffner das Kunststück gelungen, die Drums sowohl räumlich als auch trocken klingen zu lassen. Müssen Sie einfach gehört haben.
Nur wenige Takte später setzen Lars Danielsson am Bass und Michael Wollny am Piano ein. Unisono drehen ein paar elegante funktionsharmonische Pirouetten durch das Tonmaterial. Nachfolgend illustriert Nils Landgren das Hauptthema des Songs auf der Trombone. Schließlich haben wir es hier mit einer kleinen Hommage an den Alt-Meister Phil Collins zu tun. Doch damit nicht genug, denn nur wenige Augenblicke setzt Landgren mit seiner zarten Stimme an, um uns regelrecht zum Schmelzen zu bringen.
SHALOSH – Tales of Utopia
Wer es lieber etwas moderner und vor allem jünger mag, sollte sich das Album „Tales of Utopia“ der Gruppe SHALOSH anhören. Seit mehr als zehn Jahren ist das Trio SHALOSH eines der international meistbeachteten Aushängeschilder der schillernden israelischen Jazz-Szene. Auf dem Album „Tales of Utopia“ widmen sich die drei Musiker den Kontrasten zwischen der Freiheit und Schönheit der Musik und den allgegenwärtigen Spannungen des Lebens in Israel. Ein spannendes Thema sowie ein ebenso spannendes musikalisches Erlebnis erster Güte.
SHALOSH: Form folgt Inhalt
Im gleichnamigen Titelsong geben Pianist und Produzent Gadi Stern zusammen mit dem Komponisten und Bassisten eine Akkordfolge vor. Was zunächst eingängig, repetitiv und intervallbedingt irgendwie traurig klingt. Wird spätestens durch den Schlagzeug-Einsatz von Matan Assayag merklich beschwingter. In einem rauschhaften Marsch hagelt es nur so von groovigen Anschlägen. Die das Piano als Steilvorlage für nachfolgend, hochklassige Akkord-Melodieführungen aufgreift. Im Volksmund heißt es, dass sich auf Jazz schlecht marschieren lässt. Tanzen können Sie dazu umso besser. Vor allem wenn er mit einer derart verspielten Energie daherkommt.
Webseite: www.ACT.de
▶ Lesen Sie hier: Matthew Halsall – An Ever Changing View (Gondwana Records)
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