Test: Piega Coax 811 – High End Standlautsprecher (3-Wege)

Die Piega Coax 811 ist nicht nur die größte Standbox der neuen Coax-Serie der Schweizer, die im letzten Jahr auf der High End in München Premiere feierte. Als zweite Generation der Reihe wartet sie mit zahlreichen technischen Neuheiten auf, die sie noch besser klingen lassen sollen.

Traumwandler

Piega, das steht vor allem für eines: Aluminium-Gehäuse. Silberne Säulen, die zeitlos modern im Wohnzimmer oder Hörraum stehen und dabei eine faszinierende Ruhe ausstrahlen. Sie merken das Paradoxon: wenn Lautsprecherkreationen Ruhe ausstrahlen, aber genau für das Gegenteil gemacht sind. Den Schweizern von Piega gelingt dieser Brückenschlag aber perfekt.

Gehäusefarbe überrascht

Die silberne Farbe von Piega-Lautsprechern ist uns Testern so vertraut, dass wir richtiggehend überrascht sind, als wir zusammen mit Manuel Neitzel, dem Country Manager bei Piega, die Lautsprecher in unserem Hörraum auspacken. Uns erwartet unter dem Karton nämlich ein schwarzes Gehäuse! Was sollen wir sagen? Das sieht richtig edel aus. Natürlich besteht das Gehäuse wie immer aus Aluminium, in dieser Farbvariante nur eben schwarz eloxiert. Eloxieren ist übrigens ein Verfahren, bei dem durch anodische Oxidation eine Schutzschicht auf dem Metall erzeugt wird. Damit wird es nicht nur korrosionsbeständig, sondern kann auch eingefärbt werden. Manuel Neitzel verriet uns, dass auf Kundenwunsch nicht nur die „üblichen“ Farben Silber, Schwarz und Weiß möglich sind, sondern auch Sonderfarben wie etwa Gold oder Kupfer.

Die Oberfläche der Lautsprecher ist gebürstet und matt. Es ist eine wahre Freude immer wieder mit der bloßen Hand darüber zu streichen. Ganz anders als bei Hochglanzlacken, wo man sofort jeden Fingerabdruck sieht. Die Frontabdeckung ist sehr straff in das Gehäuse eingesteckt. Um den Frontgrill abzunehmen legt Piega einen formschönen und extrem kräftigen Magneten bei. Damit lässt sich die Abdeckung ein Stück aus dem Gehäuse ziehen und wir können sie dann per Hand entfernen. Jetzt sehen wir die ganze technische Pracht der neuen Piega Coax 811.

Test: Piega Coax 811 – High End Standlautsprecher (3-Wege)
Mit diesem Magneten lässt sich die Abdeckung die Coax 811 entfernen. Er gehört natürlich zum Lieferumfang der Lautsprecher

Bändchen-Koaxial-Töner

Sofort springt uns natürlich der C212+ Koax-Treiber in die Augen. Es handelt sich dabei um einen Bändchen Hochtöner, der auf einem Mitteltöner sitzt – eben koaxial. Der Mitteltöner ist übrigens auch ein Bändchen. Eine echte Besonderheit und soweit wir wissen in der HiFi-Welt einmalig. Hinzu kommt, dass dieses Bändchen-Koaxial-Chassis nicht ein simples Zubehörteil ist, welches sich mal eben in Fernost zukaufen lässt. Nein, es wird in mühevoller Handarbeit direkt bei Piega am Zürichsee gefertigt. Die dafür benötigten Fachkenntnisse wurden einst vom Vater an den Sohn weitergegeben und aktuell bildet der Großvater seine Enkelin aus, dieses so faszinierende Bauteil zu fertigen. Allein das ist schon eine Geschichte für sich und verdient unsere Anerkennung.

Bei den Coax 811 und den anderen Lautsprechern der neuen Coax-Reihe hat Piega dieses Chassis zudem auch noch verbessert. Ein zusätzlicher Neodym-Magnet über dem Hochtöner sorgt für einen noch höheren Wirkungsgrad. Zudem wird eine neu entwickelte Spezialbeschichtung auf der Folie eingesetzt. Das bewirkt einen linearisierten Frequenzgang im unteren Übertragungsbereich. Damit lassen sich die Tieftöner auch in tieferen Frequenzen anbinden. Bereits ab 450 Hz übernimmt das Mittelton-Chassis, was natürlich der Abbildung von Stimmen zugute kommt.

Weiterhin sind Hoch- und Mitteltöner besser abgetrennt und die Stege sind ebenfalls auf der Rückseite bedämpft. Um neugierig bohrende Finger von den empfindlichen Hochtöner-Bändchen fernzuhalten, wurde dort ein Mittelsteg eingefügt. Diesen gab es bei der Vorgängergeneration noch nicht. Das alles soll dafür sorgen, dass der Sound nun noch mehr Dynamik, Räumlichkeit und Auflösung auf die imaginäre Bühne zaubert.

Test: Piega Coax 811 – High End Standlautsprecher (3-Wege)
Der Der C212+ Koax-Treiber bildet die Mitten und Höhen bis zu 50 kHz ab. Ihm verdanken die Piega Coax 811 ihren leichten und luftigen Sound sowie die hervorragende Dynamik und Präzision

4 x Bass

Unser Blick rutscht eine Etage tiefer, weg von den Hoch-Mitteltönern hin zu den Basstreibern. Wir sehen vier 22 Zentimeter messende Chassis. Davon sind allerdings nur die oberen beiden aktiv. Bei den beiden anderen handelt es sich um passive Membranen. Damit fällt der bei den meisten Standlautsprechern obligatorische Bassreflexausgang weg. Die Lautsprecherboxen zaubern durch die gekonnte Kombination von aktiven und passiven Membranen einen kraftvoll, trockenen und wirklich tiefen Bass. Laut Hersteller startet die untere Frequenz bei 22 Hz und geht dann hinauf bis 50 kHz. Die Tiefton-Chassis stammen übrigens vom renommierten Hersteller SEAS und werden genau nach den Anforderungen Piegas gefertigt.

Hell klingt die Glocke?

Nun hatten wir ja schon berichtet, dass das Gehäuse der Piega aus Aluminium besteht. Es handelt sich genauer gesagt um ein Aluminium-Strangpressprofil. Das ist in dieser Größe und vor allem Höhe eine weltweite Exklusivität im Lautsprecherbau. Kurz: Kein anderer Lautsprecherbauer auf der Welt hat es in diesen Dimensionen und in dieser Qualität.

Doch Metall ist gerade akustisch ein Material mit allerlei Tücken. Dieser Tester konnte es bei der letztjährigen HIGH END Messe in München ausprobieren. Am Messestand von Piega stand nämlich ein nacktes Lautsprechergehäuse ohne jegliche weiteren Features. Er schlug sanft dagegen und es erklang glockenhell. Kein Wunder, es ist ja ein Metall und dass auch noch in einer geradezu prädestinierten Form für die akustische Performance.

Test: Piega Coax 811 – High End Standlautsprecher (3-Wege)
Manuel Neitzel (links) von Piega Deutschland brachte uns die Coax 811 zum Test nach Leipzig und wurde von Benjamin Mächler (C.v.D. AUDIO TEST) in Empfang genommen

Natürlich möchte kein Lautsprecherbauer ein Gehäuse verwenden, welches die Klangeigenschaft einer Glocke beitzt. Deshalb hat sich Piega etwas Besonderes einfallen lassen. In der Coax-Reihe der ersten Generation war ein Tension Improve Module (kurz TIM) integriert. Es setzte das Lautsprechergehäuse unter Druck. Das bedeutet, dass die Seitenwände von innen unter eine kontrollierte Spannung gesetzt wurden. Damit konnte Piega die Gehäuseschwingungen sehr effektiv unterdrücken.

In der zweiten Generation, zu der auch die Coax 811 gehören, wurde das TIM zu TIM2. Jetzt drückt das Modul nicht, sondern zieht an den Seitenwänden. Es ist also formschlüssig mit dem Gehäuse verschraubt und sorgt für ein schwingungsfreies Gebaren. Auch davon konnte sich dieser Tester überzeugen. Das Gehäuse mit TIM2 gab beim Anschlagen tatsächlich keinen Ton von sich – sehr beeindruckend!

Anschluss-Terminal und technische Daten

Auf der Rückseite liegt das Anschlussterminal der Piega Coax 811. Es fügt sich nahtlos ins Gehäuse ein. Die übliche Kante der Abdeckplatte gibt es nicht, weil diese Platte hier gar nicht existiert. Die Coax 811 ist mit einem Bi-Wiring bzw. Bi-Amping Terminal ausgestattet, entsprechende Kabelbrücke für den „normalen“ Verstärkeranschluss sind natürlich im Lieferumfang enthalten.

Der Wirkungsgrad der Coax 811 ist angenehm hoch. Er liegt bei 92 dB an einem Watt bei einem Meter. Piega empfiehlt eine Verstärkerleistung von 20 – 250 Watt und die Impedanz liegt bei den üblichen 4 Ohm. Das Gewicht der 124 × 29 × 42 Zentimeter messenden Standlautsprecher beträgt 63 Kilogramm. Es empfiehlt sich also bei der Aufstellung der Coax 811 einen Helfer dabei zu haben.

Test: Piega Coax 811 – High End Standlautsprecher (3-Wege)
Das Terminal auf der Rückseite ist für Bi-Amping und Bi-Wiring ausgelegt. Es ist nahtlos im Gehäuse integriert

Klassikklang

Zum Start unseres Klangtests der 811er, wählen wir eines unserer Lieblingsstücke von Strawinsky, den „Tanz der jungen Mädchen“. Hier lässt es der russische Komponist ordentlich krachen. Die Klangwelt, die uns die edlen Piega Standlautsprecher bei diesem Klassiker vor Ohren führen ist mehr als beeindruckend. Die Instrumente stehen fest an ihrem Platz, wir hören die Bögen der Geigen fast durch die Luft flirren und spüren die Anwesenheit der Musiker mit kleinen Geräuschen – z.B. das Rascheln der Kleidung oder das leichte Knarzen der Stühle – natürlich nur in den leisen Passagen. Wenn dann am Ende des Tanzes das Orchester richtig aufpeitscht und die Pauke ein paar Mal schlägt, sind wir wirklich verzaubert von dem herrlich trockenem und so perfekt platziertem Bass. Das volle Orchester bleibt immer sichtbar – Instrumentengruppen sind immer ortbar. Kurzum: Unser Hörraum wird zum riesigen Konzertsaal. Nicht vergessen wollen wir die luftig leichten Mitten und Höhen, die präzise auf dem Punkt liegen und sich nie in den Vordergrund drängen oder sich zurücknehmen. Nein, sie wissen immer genau, wo sie hingehören. Das klingt nicht verkrampft, sondern jederzeit spielend leicht. Da ist garantiert, dass das Gehör nicht ermüdet, aber trotzdem alles wundervoll detailreich bleibt.

Jazz-Trio

Wir wechseln zum Album „When I Was“ von Taranczewski. Der erste Song des Albums trägt den schönen Titel „Coco“. Dieses ruhige und doch leicht beschwingte Lied enthält eine schöne Überraschung, die wir mit den Piega Coax 811 so richtig genießen können. Die eher zarten Melodien und Akkorde werden nämlich rhythmisch von Bassdrums begleitet. Das überrascht beim ersten Hören mit den Piega Standlautsprechern wirklich, denn der Ton ist so klar und kraftvoll, dass wir es nach dem Ende des Stücks sofort noch einmal anhören müssen. Tiefe Töne, die so auf dem Punkt, so trocken und so energisch daherkommen, hören selbst wir Tester nicht jeden Tag. Chapeau Piega!

Kino auch?

Wir starten jetzt den Film „Wakanda Forever“ und möchten herausfinden, wie gut die Coax 811 Filmsound präsentieren. Die klangliche Räumlichkeit in gleich der ersten Filmszene ist einfach phänomenal. Es fühlt sich an, als wären wir mitten im Filmgeschehen. Hinzu kommt die fantastische Stimmverständlichkeit. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, vielmehr ihre Synchron-Sprecherinnen, sind selbst bei großem Trubel drumherum immer auf dem Punkt verständlich. Dank der Piega Coax 811 macht auch das Filmschauen richtig Spaß. Wenn dann im Film die Musik zur Trauerfeier einsetzt, wird das Filmerlebnis nochmals größer und die Piega Standlautsprecher verwandeln den Testraum in genau jene Straße, durch die der Trauerzug läuft. Bei den ersten Actionszenen, kommt dann der herrliche knackige Bass wieder zum Tragen und wir vergessen für eine Weile, dass wir ja eigentlich einen Lautsprecher-Test absolvieren. Wir geben uns nämlich voller Hingabe dem hervorragenden Klang der 811er hin.

Soul zum Abschluss

Boz Scaggs Song „Thanks To You“ beeindruckt durch eine sehr runde Abmischung. Die Piega Lautsprecher schaffen es, selbst bei einer geringen Lautstärke das hervorragend inszenierte „Bass-Bett“ des Musikstücks fulminant auf die Ohren zu legen. Wir hören hier die tiefen Töne nicht nur, wir spüren sie leibhaftig im Brustkorb. Dazu kommt die frontal vor uns stehende Stimme des Sängers, die uns klar und kraftvoll in den Bann zieht. Die Gitarre, die Snares und alle anderen Instrumente sind detailreich und sehr lebendig in Szene gesetzt. Stets bleibt der Sound präzise und dabei doch so herrlich luftig leicht. So fällt es uns wirklich schwer unseren Test wieder zu beenden und die Piega Coax 811 auf die Heimreise zurück zu unseren Eidgenossen zu entsenden. Schallwandler von dieser Güte möchte man ganz einfach für immer behalten. ■ Text: Thomas Kirsche, Benjamin Mächler

Preis und Verfügbarkeit

Die Piega Coax 811 Standlautsprecher sind im sehr gut sortiertem Fachhandel erhätlich. Sie kosten 26.900 Euro (UVP) das Paar.

Webseite: https://piega.ch/products/coax-811

Ausstattung Piega Coax 811

Allgemein
GeräteklasseStandlautsprecher
HerstellerPiega
ModellCoax 811
Preis (UVP)26.900 Euro (Paar)
PreiskategorieLuxusklasse
Maße (B/H/T)29 x 124 × 42 cm
Gewicht63 kg (pro Stück)
Informationenpiega.ch
Technische Daten*
Arbeitsweisepassiv
Bauform3-Wege-System
Frequenzverlauf22 – 50000 Hz
Leistung20 – 250 Watt
Verbindung zur QuelleKabel
Raumempfehlung20 m² bis 60 m²
individuelle Klangeinst.nein
Eingänge2×2 Bananenstecker/Klemme
(Bi-Wiring/-Amping)

*Herstellerangaben

Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 03/2023

▶ Lesen Sie hier: Test: Piega Master Line Source MLS2 High-End Standlautsprecher – Liebe auf den 2. Blick

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Fazit
Die Piega Coax 811 schließen die zweite Generation des Coax-Reihe nach oben hin ab. Sie sind wirkliche Alleskönner im besten Sinne des Wortes. Es ist unglaublich, mit wieviel Musikalität und Präzision sie aufwarten. Der Bass dieser Lautsprecher ist unvergleichlich trocken, präzise und perfekt dosiert. Die Mitten klar, verständlich und enorm agil. In den Höhen wirken sie immer lebendig, detailreich und offen. Wir versinken mit ihnen im Sound und möchten nie wieder in den Alltag zurück
Wiedergabequalität
100
Ausstattung/Verarbeitung
100
Benutzerfreundlichkeit
80
Preis/Leistung
90
Leserwertung34 Bewertungen
50
Vorteile
zeitlos modernes Design
sehr offener, präziser und lebendiger Sound
überwältigender Bass
Nachteile
keine
97
Gesamtergebnis

Bildquellen:

  • Piega Coax 811 Standlautsprecher Test 01: Auerbach Verlag