Test Piega Master Line Source MLS2 Standlautsprecher High End Review Speaker

Test: Piega Master Line Source MLS2 High-End Standlautsprecher – Liebe auf den 2. Blick

Manchmal dauert es etwas, bis man einen Lautsprecher für sich entdeckt. Manchmal schleicht man jahrelang drumherum. Und irgendwann funkt es.

Manchmal ist es mit einem guten Lautsprecher, wie mit der Liebe. Man kennt sich vielleicht schon viele Jahre und dann gibt es da diese eine Veranstaltung und plötzlich ist alles anders. So geschehen beim Master Line Source 2 von Piega. Der Lautsprecher ist nicht ganz neu. Bereits im Jahr 2016 wurde der „kleine Bruder“ von Piegas Master Line Source Lautsprecher der Öffentlichkeit vorgestellt. Kleiner Bruder setzen wir deshalb in Anführungszeichen, weil die Version MLS2 zwar ein paar wenige Kilo leichter als das Flaggschiff ist und auch in ein kompakteres und in die Wohnumgebung integrierbares Gehäuse gebaut wurde. Aber dafür mit 176 Zentimetern deutlich höher, als der Lautsprecher aus dem Jahr 2013, mit dem sich Piegas Chef-Entwickler Kurt Scheuch bereits zu Lebzeiten ein Denkmal setzte. Und natürlich sind wir dem MLS2-Lautsprecher auch schon 2016 begegnet und auch 2017, aber so richtig gefunkt hat es bei uns erst im Jahr 2018 auf einer Geschäftsreise nach China. Wie das halt manchmal so ist. Aber warum hat es bei uns so lange gedauert? Klingen die Lautsprecher jetzt nach ein paar Jahren, ähnlich wie bei einem guten Wein, einfach ein bisschen besser? Braucht es vielleicht tausende Stunden Einspielzeit, bis diese 65 000 Euro-High-End-Hühnen sich warm gespielt haben? Weder noch. Wir klären Sie gleich darüber auf, was es mit unserer Liebe auf den zweiten Blick auf sich hat. Doch zuvor werfen wir noch mal einen Blick auf die technischen Inhalte unseres Lustobjekts.

Test Piega Master Line Source MLS2 Standlautsprecher High End Review Speaker
Die Bändchen sind in drei Zonen bzw. Bereiche aufgeteilt. Das mittlere Bändchen ist der Hochtöner von 3 bis 50 kHz, links und rechts davon die Mitteltöner von 500 bis 3 000 Hz

Zart aber taktvoll

Der Piega MLS2 ist ein symmetrischer Dipol-Lautsprecher mit Linienschallquelle. Dabei geschieht die Schallabstrahlung als senkrechter Zylinder und nicht in Kugelform, wie bei üblichen Treibern der Fall. Dadurch werden Reflexionen von Decke und Boden reduziert, was zu einer außergewöhnlichen Direktheit der Musik führt. Denn wer sich in Akustik auskennt, weiß, dass es vor allem die ungewollten Reflexionen des Raumes sind, die den Klangeindruck schmälern. Überlagern sich verzögerte Raumimpulse mit Direktschall gibt es Interferenzen, die zu Kammfiltereffekten, also Frequenzeinbrüchen oder Anhebungen führen. Das Signal klingt dann einfach nicht mehr original, sondern irgendwie falsch, anders, unnatürlich. Man hätte nun die Möglichkeit den Raum akustisch zu behandeln oder aber, wie im Fall des MLS2 geschehen, den Schall so abzustrahlen, dass er den Raum so wenig wie möglich anregt, ohne ihn jedoch komplett zu isolieren, was ebenfalls unnatürlich wäre. Der Raum wird durch den rückseitigen Schallaustritt des Dipol-Lautsprechers über eine akustische Linse inkludiert. Dieser rückseitige Schall ist für die Natürlichkeit von essentieller Bedeutung, aber überlagert sich eben nicht so sehr mit dem Direktsignal, wie die sogenannten Erstreflexionen. Zudem wird über die akustische Linse der rückseitige Schall diffus gestreut, was den Direktheits-Effekt der Linienschallquelle noch verstärkt. Die Linienquelle, also Line Source, wird durch eine Armada an Bändchenhochtönern realisiert. Die mittleren Bändchen dienen dabei als Hochtöner und konzentrieren sich auf die Bereiche ab 3 kHz. Die Bändchen links und rechts davon übernehmen den Mittenpart zwischen 500 Hz und 3 kHz. Wer Bändchen kennt, weiß, dass es kaum etwas edleres für fragile Transienten gibt. Zudem sind diese Treiber hocheffektiv und so verwundert es kaum, dass der MLS2 mit einem Wirkungsgrad von 92 dB auftrumpfen kann. Piega geht sogar so weit zu behaupten, dass man die mannshohen Kolosse mit einem 20 Watt Verstärker betreiben kann. Ganz schön mutig. Wir meinen: Bitte lieber deutlich mehr einplanen. Aber dazu werden wir uns gleich noch mal ausführlicher äußern. Die Treiber sind frontseitig in einer massiven 10 Millimeter Aluminium-Platte eingelassen. Das Gehäuse besteht jedoch aus MDF überzogen mit einer viskose-elastischen Schwerfolie, was in Kombination zur herausragender Steifigkeit führt.

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Deep Connection

An der Basis des Lautsprechers befinden sich zwei 220 Millimeter Tieftöner, die extrem langhubig sind und 64 Liter Volumen bewegen. Interessant ist, dass die beschichtete Aluminium-Membran an einer verhältnismäßig weichen Sicke aufgehängt wurde. Unterstützt werden die zwei aktiv vom Verstärker angetriebenen Front-Tieftöner durch zwei passive Bassradiatoren auf der Rückseite, die mitschwingen und einen ähnlichen Effekt wie ein Bassreflexsystem erzeugen. Zusammen ermöglicht das der MLS2 eine untere Grenzfrequenz von 20 Hz. Die Abstim-mung kann spontan als durchweg gelungen bezeichnet werden. Wer den Lautsprecher an persönliche Vorlieben anpassen oder Raumbeschaffenheiten korrigieren möchte, findet am Anschlussterminal zwei Schalter für Mitten- und Höhenkorrekturen. In direkter Nachbarschaft befindet sich das Bi-Wiring-Terminal mit Anschlüssen von WBT. Nicht erst bei diesem Detail wird einem klar, dass man in der Schweiz nicht nur Uhren und Banken kann, sondern dass das Thema Wertigkeit und Luxus auch bei Lautsprechern wiederzufinden ist. Die Verarbeitungsqualität setzt Maßstäbe. Spaltmaße, Verschraubungen, Oberflächen. Präzision, wohin das Auge schaut. Je länger man sich das zu Gemüte führt, was für Arbeit und Liebe für Details in so einem Gerät steckt umso respektvoller wird der Umgang mit dem Lautsprecher. Apropos Liebe.

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Fernbeziehungen

Wir sind Ihnen noch eine Erklärung schuldig. Wie es zur Liebe auf den zweiten Blick kam. Dass es dabei um den Klang des Lautsprechers geht, ist relativ offensichtlich, denn optisch ist er zwar durchaus streitbar, aber definitiv ein Leckerbissen. Unsere ganz persönliche Lovestory ging so: Seit mehreren Jahre schon reisen wir regelmäßig nach Asien und beobachten den dortigen HiFi- und High-End-Markt. Die Asiaten sind, vor allem was das Thema Musik und deren hochwertige Wiedergabe angeht, wirklich eine Zivilisation für sich. Zudem hat sich über die letzten Dekaden eine schier unfassbare Masse an Kapital im Osten gebündelt. Man gibt also auch fleißig Geld aus für Lautsprecher, Kabel und Verstärker. Auch für den europäischen Markt und vor allem für europäische HiFi-Hersteller hat das Konsequenzen, denn Asien ist ein Export- und Umsatzgarant für die sonst global eher schwächelnde Branche. Wir waren im Herbst 2018 also in Asien, in Macao um genauer zu sein auf der MIAV, einer B2B-Messe für Vertriebe, Hersteller, Exporteure und Presse. Dort sind wir auch in die Vorführräume des Shanghaier Unternehmens Brighten HiFi gestolpert. Und dann war er da, dieser Moment, wenn man zu sich selbst sagt: „Hier bleibe ich. Hier klingt‘s perfekt.“

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Auf der MIAV 2018 in Macao hat es Klick gemacht. In Kombination mit den Mono Block-Verstärkern von Blockaudio s.r.o. (links im Bild) spielten die MLS2 perfekt auf

Unerwartete Wechselwirkungen

Wir hatten an dem Tag eigentlich noch weitere Termine, die aber dann erst mal warten mussten. Verstört und betört ließen wir den Blick durch den Raum schweifen. Da standen neben den Piega MLS2 auch noch Lautsprecher aus der Classic Line des Schweizer Unternehmens im Raum. Aber warum waren wir auf einmal so angetan von den MLS2, die uns doch bis dato zwar bekannt waren, aber auf Messen und Veranstaltungen nie wirklich von den Socken gehauen haben? Der Schlüssel liegt im Verstärker. In Macao spielte man mit einem uns bis dahin unbekannten Mono-Endstufen-Modell des tschechischen Herstellers Blockaudio s.r.o mit dem überraschenden, wie naheliegenden Namen Mono Block. Ein 90 Kilo-Hammer in doppelter Ausführung. 500 Watt bringt einer auf die Beine, davon alleine 200 Watt in reiner Class A-Form. Und diese Kombination hat absolut Klick gemacht. Es fiel uns wie Schuppen aus den Augen. Paralysiert von dieser Erfahrung und Erkenntnis konnten wir ab dem Moment nur noch die Hälfte unserer exklusiven Reise wahrnehmen, so sehr beschäftigte uns das Mysterium Verstärker-Lautsprecher-Kombination.

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Reproduktion

Wieder in Deutschland angekommen, baten wir deshalb Guido Lay, unseren Ansprechpartner für Piega-Produkte beim deutschen Vertrieb in-akustik, ob wir uns nicht doch noch mal eine MLS2 ausleihen könnten. Das muss man doch reproduzieren können! Und so kam es, dass die bisher größten, teuersten und höchsten Lautsprecher, die wir seit bestehen der AUDIO TEST (und www.likehifi.de) bewerten durften, erst etwa drei Jahre nach ihrer Veröffentlichung zu uns in die Redaktion kamen. Und wir waren vorbereitet! Für unser Experiment den Drive, die Frische und Transparenz aus Macao zu reproduzieren, haben wir uns stufenweise herangetastet. Zunächst musste unser Redaktions-Standard Rotel 1592 herhalten. Aber wie zu erwarten war das Ergebnis eher ernüchternd. Vielleicht noch für einen One-Night-Stand geeignet, nicht aber für die „Große Liebe“. Danach wurden wir potenter und exklusiver. Ein Audionet WATT wurde gewählt, zu zeigen, ob er Herr über die MLS2 wird, oder nicht. Das Ergebnis war deutlich besser, vor allem in der Ruhe und Tiefe der Abbildung, aber irgendwas hatte mit dem Bass noch nicht ganz hingehauen. Wir hatten stets das Gefühl, dass der Tiefbass nachschwingt und irgendwie tendenziell für diese Preisklasse zu matschig klingt. Von definiert und straff konturiert waren wir noch weit entfernt. Im ersten Moment wollten wir es auf die weichen Sicken der Basstreiber schieben, aber das wäre ungerecht und schlicht falsch gewesen, hatten wir in Asien doch gehört, wozu der Lautsprecher imstande war. Unsere dritte und letzte Verstärker-Kombination brachte dann die Erlösung und die Liebe zurück. Unser Herz pulsierte frühlingshaft und Erleichterung verdrängte den Zweifel. Für einen kurzen Moment, wenn wir unsere Augen schlossen, waren wir wieder in Asien. Verführt in fremde Welten, fernab des Alltags. Welcher Verstärker wirklich perfekt mit den MLS2 harmoniert, erfahren Sie hier. Für den Augenblick wollen wir die Spannung aber noch ein wenig aufrecht erhalten und einfach genießen. Davon lebt ja schließlich so eine Liebe auch irgendwie. Einen wichtigen Rat geben wir Ihnen dennoch mit auf Ihre ganz persönliche Klangreise: Eine Kette klingt immer nur so gut, wie ihr schwächstes Glied. Und wie in jeder guten Beziehung sollten alle beteiligten Partner immer auf Augenhöhe miteinander umgehen. Wenn Sie das nicht beachten, könnten Sie vielleicht die Liebe ihres Lebens verpassen.

Weitere Infos zur Master Line Source Serie von Piega finden Sie auch auf der Herstellerseite und beim Deutschlandvertrieb in-akustik.

Dieser Test erschien erstmalig in AUDIO TEST Ausgabe 4/2019.

Noch mehr Tests und News von Piega gibt es natürlich auch bei uns.

Fazit
Die MLS2 von Piega sind eine echte Lautsprecher-Challenge. Es braucht die richtigen Spielpartner, um sie wirklich zum Klingen zu bringen. Hat man die nicht, wird man vermutlich enttäuscht. Dann steht Preis-Leistung in keinem guten Verhältnis. Hat man sie aber gefunden, dann will man vermutlich nie wieder etwas anderes hören. End of story.
Wiedergabequalität
99
Ausstattung/Verarbeitung
100
Benutzerfreundlichkeit
100
Preis/Leistung
97
Leserwertung31 Bewertungen
54
Vorteile
Plastizität
Natürlichkeit
Feinzeichnung
Nachteile
uninteressant ohne den passenden Verstärker
99

Bildquellen:

  • Piega MLS2 Bändchen: Bildrechte beim Autor
  • Piega MLS2 Tieftöner: Bildrechte beim Autor
  • Piega MLS2 Rippen: Bildrechte beim Autor
  • Piega MLS2: Bildrechte beim Autor