Unsere beliebte „Test Klassiker“ Rubrik ist zurück mit einem echten Lautsprecher-Highlight direkt aus Japan, dem TAD Labs Micro Evolution One (ME1). Der exklusive High End Kompaktlautsprecher ist ein wahrer Leckerbissen für den elektroakustischen Feinschmecker – allerdings mit gut 13.000 Euro Paarpreis im absoluten High-End-Regal angesiedelt. Wie der TAD ME1 im Jahre 2017 bei uns im Test performte, können Sie nun hier nachlesen.
TADellos
Das Japan der wilden Siebziger gebar nicht nur berühmte Werke musikalischer Größen wie Tomita oder Ryuichi Sakamoto, sondern auch die renommierten TAD Labratories, in welchen die Firma Pioneer seinerzeit die Zukunft des Lautsprecherbaus sah. Pioneer wurde 1938 gegründet, in einer ebenfalls geschichtsträchtigen Dekade.
Das überaus breit aufgestellte Tätigkeitsfeld des Elektronikherstellers veranlasste die Verantwortlichen im Jahr 1975, sich auf das einstige Steckenpferd des Unternehmens – die Lautsprecherfertigung – in einem neuen Konzern zu konzentrieren. Somit entstand aus den wirtschaftlichen Ressourcen des damals bereits erfolgreichen Mutterkonzerns Pioneer und dessen technischer Expertise ein junges Unternehmen, welches in kürzester Zeit globale Prominenz erlangen sollte.
Technical Audio Devices Laboratories = TAD Labs
Technical Audio Devices Laboratories, kurz TAD Labs, erarbeiteten sich bereits 1978 ein absolutes Alleinstellungsmerkmal mit der Entwicklung der beiden Beryllium Kompressions-Hochtöner TD-2001 und TD-4001, welche auch heute – fast vierzig Jahre später – noch gefertigt werden. In den 1980er Jahren hatte TAD Labs im Sektor der Audio-Produktion sogar nahezu eine Monopolstellung inne – die beiden Studiomonitore TSM-1 und TSM-2 zählen heute zu den begehrtesten Sammlerstücken aus dem Hause TAD.
Um die Jahrtausendwende herum entwickelte TAD auf Bitten der kalifornischen Skywalker Sound Studios (ihrerseits auch große Fans von B&W) das Drei-Wege-System TSC-3415 und den Subwoofer TSC-1118SW. Dieses Ensemble kommt seitdem nicht nur weltweit in den verschiedensten Filmtheatern zum Einsatz, sondern findet unter anderem bei Pixar und Walt Disney auch in den Produktionsstätten Verwendung.
Für den Kunden im Home-Entertainment-Bereich konzentriert sich TAD Labs zur Zeit auf den Vertrieb zweier Produkt-Serien. Die Reference-Serie zum einen, und die Evolution-Serie zum anderen. Neben der Designsprache liegt der Hauptunterschied der beiden Lautsprecher-Produktreihen hauptsächlich in der etwas umfangreicheren, technischen Ausstattung der TAD Labs Reference-Serie. Dies soll allerdings nicht bedeuten, dass sich die Geräte aus der Evolution-Reihe ob ihrer Ausstattung verstecken müssen.
Micro Evolution One = ME1
Ganz im Gegenteil – TAD Labs lässt auch bei den Lautsprechern der Evolution-Serie seine ganze Expertise einfließen. Schon das stolze Gewicht von satten 20 Kilogramm schafft sofort Vertrauen in die Qualität des Micro Evolution One (kurz: ME1) Kompaktlautsprechers und zeugt von japanischer Wertigkeit. Nicht zuletzt die Auswahl verbauter Materialien verhilft dem Lautsprecher zu dieser für seine kompakte Größe üppigen Masse.
Das MDF-Gehäuse wird von massivem Sperrholz aus norwegischer Birke gestützt. Zudem fallen die sehr industriell anmutenden Seitenpanels ganz schön ins Gewicht, denn hier kommt nichts Geringeres als massiver Stahl zum Einsatz. Auf den ersten Blick lässt der TAD Labs Micro Evolution One eine Funktion nach dem 2-Wege-Prinzip vermuten, jedoch täuscht der Eindruck.
Berühmter Beryllium-Hochtöner
TAD Labs berühmter Beryllium-Hochtöner ist in Koaxial-Bauweise in den 90 Millimeter (mm) fassenden Magnesium-Mitteltontreiber eingelassen. Dieser übernimmt das Zepter zwischen 420 und 2 500 Hertz (Hz). Die tiefen Mitten und Bässe werden vom 16 Zentimeter (cm) MACS-Tieftöner wiedergegeben. MACS steht hier für Multi-Layered Aramid Composite Shell, was man guten Gewissens als Kevlar zusammenfassen darf, im Sandwich-Prinzip mit einer Vlies-Komposition verklebt. Interessant dürfte vor allem die unscheinbare 2,5-cm-Beryllium-Membran sein.
Beryllium gilt als Geheimtipp in der Hochtöner-Fertigung, da das Erdalkalimetall äußerst fest und dennoch leicht ist. Allerdings auch nicht gerade preiswert. Es ist nun so einige Jahre her, da setzte Wettbewerber Yamaha einiges auf die Verwendung von Beryllium, stellte die Produktion von Be-Treibern jedoch aus Kostengründen wieder ein. Bei TAD Labs Beryllium-Membran darf man sich jedoch kein massives Bauteil vorstellen, vielmehr ist es eine extrem dünne Folie, die hier auf dem Treiber angebracht wird.
Raffinierte Optik
Optisch besonders auffällig sind die massiven sechsfach verschraubten Seitenpanels des TAD Micro Evolution 1. Diese verleihen dem kompakten High End Lautsprecher sein rustikales Auftreten und verbergen zudem einen technisch äußerst raffinierten Kniff.
Denn obwohl der TAD ME1 als offenes System ausgeschrieben ist, sucht man vergebens nach einer Bassreflexöffnung. Diese versteckt sich nämlich hinter den besagten Seitenwänden, welche nur auf den ersten Blick bündig am Gehäuse montiert zu sein scheinen. Zwei Schlitze nach vorne und hinten leiten die Luft aus den Schallkanälen in den Hörraum. Die breit auslaufende Konstruktion des Ports reduziert dabei Strömungsgeräusche und verteilt den Tiefgang sauber im Raum.
sich schmale Bassreflexöffnungen verbergen.
Da Luft zu beiden Seiten des Lautsprechers austreten kann, wird außerdem stehenden Wellen vorgebeugt. Dieser indirekte Bassreflex hört auf den Namen Bi-Directional ADS. Bi-Directional erklärt sich hier von selbst, ADS steht für Aero-Dynamic Slot. Yoshihiro Hirano, seines Zeichens Chef-Ingenieur bei TAD Labs, hat sich hier etwas tolles einfallen lassen. Was der ADS in der Praxis leistet, werden wir gleich in unserem Hörtest herausfinden.
TAD ME1 im Klangest: Natürlich klangstark
Nach erfolgreicher Montage der edlen Regallautsprecher thronen zwei Modelle des TAD Micro Evolution One auf den für 1.500 Euro optional erhältlichen Stativen, welche stabiler kaum sein könnten. Links und rechts von unserem Referenz-Verstärker PM-10 aus dem Hause Marantz schinden die beiden ganz schön Eindruck – die Kombination aus industriellem Design und dem Marktwert eines Kleinwagens schüren da große Erwartungen. Ein Kompaktlautsprecher zu 12.900 Euro Paarpreis läuft in diesem Test zum ersten Mal in unserem Hörraum auf und wird sich vor durchaus kritischen Testern beweisen müssen.
Über das robust verarbeitete Bi-Wiring-Terminal an der Rückseite mit seinen vergoldeten Anschlüssen sind beide Testgeräte im Handumdrehen mit dem Kraftspender von Marantz verbunden. Den musikalischen Einstieg bereitet uns die schwedische Musikerin und Mitglied von The Knife Krain Dreijer mit ihrem Soloprojekt Fever Ray. „If I Had A Heart“ ist eine cool groovende Ode an die Ungenügsamkeit und bietet allerhand interessantes Material für den Testbeginn.
Die kratzig röhrende Gitarre legt sich in Schleife unter einen satt knackigen Bass und Dreijers nach unten oktavierte Stimme. Alles wird vom TAD Micro Evolution One Lautsprecher sehr feinauflösend und analytisch wiedergegeben. Beim Einsatz der Kick Drum sind wir tatsächlich etwas überrascht: Mit einem fabelhaften Punch übersetzt der Lautsprecher den Puls – Attack und Release sind gleichermaßen präzise abgebildet. Dabei brilliert der Prüfling aus Japan durch eine weite Räumlichkeit und eine tolle Strahlkraft auch außerhalb des Sweet-Spots.
Klassische Musik
Doch wie verhält es sich mit weniger stark komprimiertem Material, wie etwa klassischer Musik? Prüfen wollen wir dies über ein zugegebenermaßen sehr zeitgenössisches Werk, wenngleich Vivaldis Vorlage zu Max Richters drittem Aufzug des „Sommer“ zweifelsohne zu den Meilensteinen der Komposition des 18. Jahrhunderts zu zählen ist. Richters Aufarbeitung des stürmisch tosenden Stückes, gespielt vom Berliner Kammerorchester unter Raphael Alpermann, klingt durchaus deutlich jünger, moderner, irgendwie poppiger als das Original.
Leidenschaftlich und voller Inbrunst spielen die Streicher mit einer wunderschönen ausufernden Dynamik. Und die Micro Evolution One von TAD Labs spielen mit! Butterweich klingen die wohlintonierten Glissandi, kraftvoll und fast schon bedrohlich die intensiven Tremoli von Celli und Bässen. Wir sind mehr als angetan vom farbenfrohen Spiel der Berliner, welches die TAD Labs ME1 Speaker in einer Natürlichkeit zu übersetzen wissen, als säße man selbst im Boulez-Saal.
einen Aufpreis von satten 1.500 Euro mitgeliefert.
TAD Labs hält hier sein Versprechen, der Micro Evolution One klinge einfach nach Live-Musik – genau das setzt der schwergewichtige High End Kompaktlautsprecher um. Die feine Auflösung des Beryllium-Hochtöners, die satten Mitten des Zusammenspiels aus Aramid-Gewebe-Tiefmitteltöner und Magnesium-Treiber und nicht zuletzt der ADS-Port gestalten die Performance souverän als nur schwerlich der elektroakustischen Illusion überführbar – alle Achtung!
„Cigarette“ zum Abschluss
Zum Abschluss wollen wir Klangtest dann Klangtest bleiben lassen und uns einfach dem Schwelgen hingeben. Bei Maricka Hackman mit „Cigarette“ schafft es das japanische Duett uns an die Hand zu nehmen und alles außerhalb dieser klanglichen Bühne vergessen zu lassen. Hackmans Gitarrenspiel gewinnt uns neben der ästhetischen Schönheit durch klar gezeichnete Transienten.
Der leicht rauchige Alt der jungen Sängerin wird wundervoll ins Stereopanorama transportiert. Die spukigen Klänge im letzten Drittel des Stücks laden letztlich einfach nur zum Träumen ein. Wieder zurück unter den Lebenden können wir unseren Prüflingen von TAD Labs fast ohne Beanstandungen die Referenztauglichkeit attestieren. Ja, fast ohne Beanstandungen: Denn knapp 13.000 Euro sind dann doch ein wenig zu viel für unseren Geschmack und den üblichen Geldbeutel. Für einen Lautsprecher dieses Formates samt der zahlreich integrierten technischen Meisterleistungen und dieser herausragenden Qualität ist eine hochpreisige Einordnung dennoch angebracht, macht es aber sicher vielen Interessenten schwer, dieses Glanzstück zu erwerben. Träumen sollte aber erlaubt sein… ■ Text: Alex Röser, Stefan Goedecke
Preis und Verfügbarkeit
Die TAD Labs Micro Evolution One (ME1) High End Kompaktlautsprecher gibt es zum Paarpreis (UVP) von 12.500 Euro (Stand: 2017) im Fachhandel zu kaufen. Farbausführungen: Hochglanz Schwarz und Hochglanz Titanium.
Webseite: www.tad.tokyo
Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 08/2017
▶ Lesen Sie hier: Test Klassiker: AVM Ovation PA8 Vorverstärker & AVM Ovation SA8.2 Stereo-Endstufe
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Bildquellen:
- Tad Labs Micro Evolution One 01: Auerbach Verlag (alle)