Bowers & Wilkins hat bereits im September 2022 seine komplett überarbeitete 700er-Serie medienwirksam vorgestellt. Hauptsächlich wurde dafür auf bewährte Technologie aus dem hauseigenen Premium Segment der 800er Serie zurückgegriffen. Wir von Likehifi.de und AUDIO TEST haben uns den B&W 704 S3 Standlautsprecher daraufhin einmal ganz genau angeschaut.
Klang des Phönix
Nach einem turbulenten Jahr starten wir frisch gestärkt und mit neuem Mut in das Abenteuer Namens 2023. Abseits von unschönen Nachrichten aus dem Weltgeschehen können wir zur Abwechslung mal mit ein paar guten Neuigkeiten aufwarten. Unser aufmerksamer Blick richtet sich diesmal auf das Vereinigte Königreich, in dem die traditionsreiche Klangmanufaktur Bowers & Wilkins beheimatet ist.
B&W Lautsprecher: HiFi-History
Bevor wir uns ins Test-Vergnügen stürzen, möchten wir kurz noch die Unternehmensgeschichte der ruhmreichen britischen Audio-Schmiede mit einigen Eckpunkten umreissen. Bowers & Wilkins wurde 1966 in Großbritannien gegründet und spielt seit nunmehr 50 Jahren im Bereich High-End-Audiotechnologie ganz oben mit.
Zur Produktpalette von B&W gehören sowohl Präzisionslautsprecher für den Heimbereich als auch Kopfhörer. Dazu kommen kundenspezifische Installations- und High-End-Audioprodukte für des Deutschen liebstes Kind – die Rede ist natürlich vom Auto. Unter dem Stichwort Globalisierung verbuchen wir indessen, dass Bowers & Wilkins seit dem Jahr 2020 von Sound United übernommen wurde, das wiederum nun seit Anfang 2023 als Masimo Consumer firmiert.
704 S3: Volksnaher Präzisionssound
Mit ihren acht Lautsprecher-Modellen ist die neue 700 Serie bisweilen die umfangreichste Produktlinie von Bowers & Wilkins. Sie umfasst drei Standlautsprecher, drei Kompakt-Lautsprecher sowie zwei dedizierte Center-Lautsprecher für den Einsatz im professionellen Heimkino-Bereich. Bemerkenswert an dem Release der 700 S3 Range ist, dass B&W mit dem 2022er Update die komplette Serie mit einer Vielzahl modernster Technologien aus der 800er-Diamond-Flaggschiff-Serie veredelt hat.
In einem gewissenhaften, dreijährigen Entwicklungsprozess wurde nahezu jedes Element der 700er-Serie überarbeitet und verbessert. Von der Konstruktion, über das Design der Gehäuse, sowie der Gestaltung der Frontseite, bis hin zu tragenden mechanischen Bauteilen wurde fleißig optimiert. Auch bei den Lautsprechereinheiten und ihren akustischen Eigenschaften wurde nichts dem Zufall überlassen. Jedes Detail der 700er-Serie stand bei Bowers & Wilkins auf dem Prüfstand.
B&W Lautsprecher: Liebe auf den ersten Blick
Das Ergebnis kann sich tatsächlich mehr als sehen lassen – konstatieren wir direkt nach dem Auspacken der Standlautsprecher im Testlabor. Stylisch, urban und markant im Design sind Adjektive, die uns beim Betrachten der neuen B&Ws in den Sinn kommen. Markant doch dabei nicht zu aufdringlich im Wohn- oder Hörraum – alles in allem recht geschmackvoll eben. Aber was sind schon Äußerlichkeiten? Besinnen wir uns lieber auf die inneren Werte. Und da gibt es tatsächlich eine ganze Menge Neuigkeiten zu entdecken.
Zum Beispiel ein paar ansprechende Lautsprecherklemmen. Die vom hauseigenen Premium-Segment inspirierten Kernelemente sorgen für einen sicheren elektrischen Kontakt und eignen sich zudem hervorragend für den Betrieb mit einem Speaker-Kabel mit Kabelschuhen. Die Frequenzweichen arbeiten mit Bypass-Kondensatoren aus dem Hause Mundorf sowie verbesserten Kühlkörpern für eine gleichmäßigere Performance bei wechselnden Eingangs-Belastungen.
Higher and higher
In Sachen Hochton-Audiophilie lässt sich Bowers & Wilkins bei den 704 S3 ebenfalls nicht lumpen. Ein großzügig verlängertes Röhrensystem, das sich auf der Rückseite des Chassis befindet, reduziert unerwünschte Interferenzen und befördert somit ein sauberes Klangbild. Zudem wurden die 704 S3 mit einer biomimetischen Aufhängung versehen. Aufmerksamen Beobachtern der Audio-Szene dürfte das bekannt vorkommen, denn schon im vergangenen Jahr präsentierte B&W die 800er-Diamond-Serie – ebenfalls mit biomimetischer Aufhängung. Die Aufhängung ersetzt die Gewebespinne, die während des Betriebes der Mitteltöner-Membran unerwünschte Störgeräusche produziert. Erstaunlicherweise wird das Prinzip Gewebespinne seit Jahrzehnten in fast allen gängigen Lautsprechern verwendet – B&W zeigt sich hier mal wieder als Vorreiter in puncto Entwicklung.
Darüber hinaus wurde bei den 704 S3 Standlautsprechern das volle Arsenal an Mitteltöner-Membran-Technologien von Bowers & Wilkins an der heimischen Wohnzimmerfront in Stellung gebracht. Die gesamte Mitteltöner-Einheit wurde vollständig entkoppelt. Analog dazu spendiert B&W Chassis-Körbe aus Aluminium mit Schwingungsdämpfern. Im Fachsprech heißt das dann „Tuned-Mass-Dampers“, kurz TMD-Technologie. Zudem kommen die 704 S3 ganz ohne Sicke aus. Eine neuartige FST-Aufhängung macht’s möglich. Abgerundet wird das Lautsprecher-Upgrade durch die patentierte Continuum-Membran. Und wofür das alles? „Für eine atemberaubende Transparenz im Mitteltonbereich.“ So lässt sich zumindest der Hersteller zitieren.
The High-End of Low
Im Tiefton-Spektrum wird es bekanntermaßen persönlich. Deshalb kommt bei den 704 S3 auch die neueste Generation der berühmten Bowers & Wilkins Bassmembran mit Aerofoil-Profil zum Einsatz. Eine stabile Sandwich-Konstruktion aus Verbundmaterialien mit einem audiospezifisch geformten Profil. Das sorgt für eine satte und dynamische Basswiedergabe bei so ziemlich jeder Lautstärke. Dass ebenfalls die Spikes verbessert wurden, sei hier nur am Rande erwähnt. Wir haben uns nach so viel Tech-Input erstmal etwas Musik verdient.
Unser Setup besteht diesesmal in der Hauptsache aus einem Rotel RA-1592, einem TIDAL-Account und unserer Couch. Das verlustfreie Zuspielen besorgen wir mit dem Cambridge Audio CXN Silver Streamer. Sie sehen: Wir können auch bodenständig, unaufgeregt und lebensnah. Da uns der Rotel und die 704 S3 Bi-Wiring anbieten, entfernen wir bereitwillig die messingfarbene Brücke und bestücken die Bananenlitzen.
Bowers & Wilkins Standlautsprecher im ersten Testflug
Als ersten Titel gönnen wir uns „Super Rich Kids“ von Frank Ocean, erschienen auf dem Album „Channel Orange“. Unsere Wahl fällt auf den Track des Ausnahmekünstlers, da Oceans Arrangements in ihrer Komplexität und audiophilen Sound-Ästhetik schlicht nur durch ihre satte Berauschtheit übertroffen werden. Und was ist da nicht alles los! Uns fällt, gelinde gesagt, glatt die Kinnlade herunter. Mit Takt Eins öffnet sich ein weiter Raum, prall angefüllt mit Beat, Sound und musikalischer Sexyness. Es ist uns, als hörten wird den Track zum ersten Mal. Doch so detailliert und dennoch warm und lebendig haben wir den modernen R&B-Classic allerdings noch nie wahrgenommen.
Auf offener Stereobühne flimmert das schwirrende Zirpen der Field-Recording-Schnipsel über einen komplexen Beat. Und die Stimme! Detailliert und präzise verschmilzt Oceans Auto-Tune-Falsett mit den unteren Registern. Apropos untere Register – der voluminöse Bass lässt den Hörraum geradezu erzittern. Jedoch in geschmackvoller, abgerundeter Präzision. Die Sequenzer-Synths, das Paning, alles ist hier sowohl genial komponiert als auch mustergültig von den 704 S3 Aktivboxen in Szene gesetzt. Jedes Instrument – es sind gefühlt etwa 1000 zu vernehmen – klingt wohldefiniert und ist präzise im Raum verortet.
Im Test auf Autopilot
Wir sind nach dem ersten Testflug mit den B&W 704 S3 schon dermaßen begeistert, dass wir uns fragen, ob der gehörte Mix eigentlich zu gut für den Lautsprecher oder der Lautsprecher zu gut für den Mix ist? Denn das, was gerade soundmäßig im Testlabor abging, war fast schon zu genial, um es aushalten zu können. Doch Spaß beiseite und schnell weiter zum nächsten Track – es verspricht ein schöner Tag zu werden.
Wir ersparen uns nachfolgend die körperlichen Hochgefühle, die wir beim Konsum des Sub-Basses von „Pilot Jones“ – ebenfalls von Frank Ocean auf „Channel Orange“ – durchlebten. Auch wollen wir nicht mit der enormen Räumlichkeit langweilen, die die B&Ws erschaffen. Dem konsequent noisigen Hintergrund-Sound des Tracks zum Trotz. Wir wissen nichts vom Detailreichtum der 704 S3, der uns hier und da einen leichten Crunch auf Oceans Stimme erkennen lässt. Auch mit partieller Gänsehaut aufgrund von massiver Synthesizer-Epicness fangen wir gar nicht erst an. Doch wenn im Dropdown des Killer-Tracks ein Michael Jackson Clap auf den Pedal-Steel-Sound im Stile Daniel Lanois trifft. Sich das Outro so übertrieben authentisch anfühlt, dass wir jeden Moment damit rechnen, dass perfekt gepant ein Jumbo im Hörraum einschlägt. Dann sind selbst ein paar ältere Herren aus dem Fachgebiet Audio wie wir ernsthaft beeindruckt.
Im Test mit Dub Klassikern
Beim Track „Adventure“ von King Tubby kann sich der Bowers & Wilkins 704 S3 Aktivlautsprecher im Tiefton-Bereich jetzt mal so richtig austoben. Allerdings vernehmen wir stellenweise ein leichtes Wummern. Es ist allerdings wahrscheinlicher, dass es sich dabei eher um den Mix, als um die Lautsprecher handelt. Die Space-Echos Dur-Chords der mittleren und oberen Register hingegen, machen genau das, was sie sollen. Sie schwingen präzise, offen, mystisch und herrlich verwaschen durch den Raum. Genauso wie es sich für einen Dub-Classic erster Ordnung gehört – inklusive Wummern.
Mit dem Track „Passion“ von den Flirts bringen wir einen gehörigen Stil und Tempowechsel ins Spiel. Zufrieden notieren wir, dass sich die 704 S3 Standlautsprecher anscheinend bestens in der 1980er-Jahre-Disco zuhause fühlen. Knackige Bässe, spritzige Synths und vielstimmige Vokal-Arrangements lassen uns angenehm beschwingt und sehr zufrieden zurück. Bei D’Angelos Mixerlebnis „One Mo‘ Gin“ springt unser Herz ein kleines bisschen höher vor Glück. Angesichts der trocknen Abgeklärtheit des rollenden Basses und der unsterblichen Vocals des begnadeten Neo-Soul- und R&B-Sängers aus den USA. Ein nahezu perfekter Mix trifft hier auf einen nahezu perfekten Lautsprecher!
B&W 704 S3: Preis und Verfügbarkeit
Die Bowers & Wilkins 704 S3 Standlautsprecher gibt es zum Preis von 3.500 Euro (UVP, Paarpreis) exklusiv im autorisierten HiFi-Fachhandel zu kaufen. Farbvarianten: Glanzschwarz, Satinweiß, Mocha.
Webseite: www.bowerswilkins.com/de
Ausstattung
Allgemein | |
Geräteklasse | Standlautsprecher |
Hersteller | Bowers & Wilkins |
Modell | 704 S3 |
Preis (UVP) | 3.500 Euro (Paarpreis) |
Preiskategorie | Mittelklasse |
Maße (B/H/T) | 25,2 × 96,4 × 32,1 cm |
Gewicht | 20,53 kg |
Informationen | www.bowerswilkins.com |
Technische Daten* | |
Arbeitsweise | passiv |
Bauform | 3-Wegebox, Bassreflex |
Frequenzverlauf | 43 Hz − 33 kH |
Leistung | 30 – 150 W (an 8 Ohm) |
Verbindung zur Quelle | Analog |
Raumempfehlung | Von 12 m² bis 30 m² |
individuelle Klangeinst. | nein |
Eingänge | Klemme, Bananenstecker |
*Herstellerangaben
Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 02/2023
▶ Lesen Sie hier: Test: Bowers & Wilkins 603 S2 Anniversary Edition Standlautsprecher
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