Heartbeat Designers Interview

Interview: Heartbeat Designers definieren Popmusik neu

Die Musiker John Boredom und William Forrester gelten mit ihrem Synth-Pop-Musikprojekt Heartbeat Designers hierzulande immer noch als Streaming-Geheimtipp. In Großbritannien wurde nun ein bekannter Musikproduzent auf das Duo aufmerksam. Wir trafen die beiden Künstler bei den Vorbereitungen für ein Musikfestival in Köln, und konnten Ihnen ein paar Fragen zum neuen Album und zu ihrer Live-Performance stellen.

„In London erkennt man Talent hinter unserer Musik“

LIKEHIFI.de: Heartbeat Designers haben mit „Open Sesame“ in gerade mal neun Monaten nach dem ersten Album nachgelegt. John und William, wie macht ihr das?

William: Das fragen wir uns auch. (beide schauen sich an und lachen)

Wir haben wiederum so viel Material innerhalb kurzer Zeit zusammengebastelt, so dass wir am Ende sogar aussuchen konnten, welche Songs es auf das Album schaffen. Es ging in der Tat wieder sehr leicht, neue Songs gemeinsam zu komponieren. Wir waren uns sehr einig, wie wir auf „Open Sesame“ klingen wollen und was sich zum ersten Album „Casino Casino“ nun verändern sollte. Letztlich ist es mit den Songs so, wie bei dem Bildhauer, der sagte: „Die Skulpturen waren alle schon da, ich musste sie nur aus dem Stein heraushauen“.

Das klingt, als könntet ihr am Fließband produzieren

John: Das täuscht. Jeder Song ist es wert, ein Unikat zu sein. Wenn wir zu schnell arbeiten, sind Harmonien und Progression innerhalb eines Liedes wie bei dem zuvor. Das Gedächtnis spielt einem dann einen Streich und man wiederholt nur, was man schon am Tag zuvor erdacht hatte. Nein, wir lassen uns schon genügend Zeit zum Anhören, Auswählen von geeigneten Ideen und dann verändert sich der eine oder andere Song auch noch im Entstehungsprozess im Laufe der Monate, sowohl in der Musik, als auch manchmal im Text oder der Textmelodie. Keine Fließbandarbeit! Eher künstlerisches Schaffen mit Liebe zum Detail.

Es befinden sich immerhin 18 neue Songs auf dem neuen Album…

William: …und exklusiv für die Leser von LIKEHIFI.de ein Spoiler: Zwei weitere neue Songs werden als Bonus-Tracks auf der Deluxe Edition sein. Dass es so viele tolle Songs wurden, konnten wir zu Beginn nicht wissen. Wir hatten nur ein Ziel bei „Open Sesame“: Es sollte ein Album aus einem Guss sein, das musikalisch, aber auch textlich einen Zusammenhang hat.

Heartbeat Designers Open Sesame 2023 Review
„Open Sesame“ ist das zweite Album der Heartbeat Designers. Hier geht’s zu unserer Review.

Anders als beim ersten Album?

John: Das erste Album „Casino Casino“ entstand noch unter ganz besonderen Voraussetzungen. Klar, das erste Album ist immer etwas Besonderes für die Künstler, aber wir wussten doch noch gar nicht, ob es irgendwer jemals hören würde. Wir haben also alle Songs, die wir in sechs Monaten eingespielt hatten, im Studio professionell produziert und dabei spielte die Reihenfolge der Songs oder auch das Thema des Albums eine untergeordnete Rolle. Wir packten alles auf ein Album, was wir an Material fertig hatten. Der Text des Songs „Success Roulette“ war dabei themengebend für den Albumtitel „Casino Casino“.

Was war jetzt anders bei der Produktion von „Open Sesame“? Und warum der Tresorraum auf dem Cover?

William: „Open Sesame“ ist sicherlich kein Konzeptalbum, aber deutlich konzeptionierter erarbeitet worden. Die Themen kreisen schon um das, was unsere Existenz, unser Leben und insbesondere unser Zusammenleben ausmacht. Und immer wieder die Frage nach dem Sinn des eigenen Daseins. Dem „Sesam öffne Dich“ für all diese Fragen? Der geöffnete Tresorraum liegt mit diesen Songs vor uns.

Das heißt, die Stücke erzählen eine Geschichte, bauen also aufeinander auf?

William: Die Songs sind in sich abgeschlossen, aber bei der Reihenfolge haben wir uns selbstverständlich Gedanken gemacht. Vom fast zerbrechlich gesungenen Opener des Albums „Even Before We Start“ bis hin zum melancholischen Ausklang beim Schlusslied „Finity“ sind viele Momente der Fröhlichkeit, der Leidenschaft, der Kraft, der Zuversicht, der Ausgelassenheit und Lebensfreude zu spüren. Das macht dieses Album so besonders: Es ist nicht nur happy oder nur düster, nicht nur nachdenklich oder nur polierter, oberflächlicher Pop. „Open Sesame“ trägt alle Farben und Stimmungen des Lebens in sich.

Die Hits auf dem Album sind „Blood Sugar“, „Fame“ und „Ball In Your Court“, oder?

John: „Blood Sugar“ ist ein tanzbarer Song, der sofort ins Ohr geht, perfekt für den Live-Auftritt oder zum beschwingten Mitgrooven und Mitsingen beim Hören des Albums.

„Ball In Your Court“ steht musikalisch eher in der Tradition einer orchestralen Entertainer-Show, mit gedanklich großer Showtreppe, einem verbindlichen Bienvienue, das suggeriert, dass das Publikum eingeladen ist, mit in eine surreale Theaterwelt einzutauchen. Der Staccato-artige Bläsersatz unterstützt dieses Gefühl eines Show-Ereignisses. Gerade das große Finale des Songs mit lang gehaltenem Gesangston hat schon Musical-Qualitäten. Und das alles zusammen im Synth-Pop der aktuellen 20er Jahre! Wer hätte das für möglich gehalten, dass man mit diesen so verschiedenen Elementen einen einzigen Song komponieren kann, der zudem noch eingängig und tanzbar ist? Und ja, das sind zwei Highlights des Albums „Open Sesame“. Beides übrigens sehr positive Songs!

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Zum Track „Fame“ hat das Wave-Duo den Produzenten Ian Little für einen Remix / Edit an die Regler gelassen.

William: Mit „Fame“ kommen wir zu den Wurzeln des Synth-Pops zurück. Eine fast schon beschwörende Atmosphäre herrscht in diesem Song vor. Nahezu in Trance und hypnotischen Wiederholungen kommen die Aufforderungen, den eigenen Ruhm auszukosten, weil man doch nur ein Mal lebt – und wenn es nur für die von Künstler Andy Warhol genannten 15 Minuten ist. Dieses Lied hat sich im Laufe der Produktion noch sehr verändert, bis es so wurde, wie wir es haben wollten. Aber, wo wir bei den Hits sind: Auch „Incredible Bright Light“, „Stranger Than Paradise“ oder „Blow After Blow“ haben eindeutig Hit-Charakter.

Ein Song bleibt weitgehend instrumental. Könnt ihr den Song für die Leser beschreiben?

Wiliam: „Gravity“ war als instrumentaler Song von Beginn an angelegt. Wie eine Filmmusik beschreibt aber auch dieses Lied eine Geschichte. Eine sphärisch anmutende Hommage an große Klangkünstler wie den Franzosen Jean-Michel Jarre, den Deutschen Klaus Schulze oder auch meditative Klänge des Schweizers Andreas Vollenweider mit seiner elektrischen Harfe.

John: Der einzige Song des Albums, auf dem ausnahmsweise mal meine Stimme mit dem einzelnen Wort Gravity in dem sonst instrumentalen Stück zum Einsatz kam.

Wie arbeitet ihr musikalisch? Digitale Instrumente oder auch noch Hardware?

John: Bei „Open Sesame“ kamen sowohl digitale Instrumente wie Emulator oder Prophet 5 als auch Hardware-Synthesizer wie Fantom, Wavestate oder Streichfett zum Einsatz. Das instrumentale „Gravity“ ist da übrigens ein schönes Beispiel, dass man auch beide Welten in der Musik kombinieren kann.

William: Ich persönlich schraube gern noch an physisch existierenden Reglern herum, um den Sound so hinzubekommen, wie ich ihn mir vorstelle. Aber selbstverständlich haben auch Hardware-Synthesizer im Jahre 2023 teilweise Touch-Displays mit denen man per Finger eine Welle verändern kann. Das nutzen wir selbstverständlich auch bei diesen Synthesizern.

Mit inzwischen sieben Singles in nur zwölf Monaten legen Heartbeat Designers ein rasantes Tempo vor.

Ihr schreibt alle Songs selbst?

William: Ja, Texte und Musik kommen stets von uns. Wenn wir inspiriert werden, haben wir aber auch kein Problem damit, jemanden zu nennen, der mitgewirkt hat.

Es heißt, die nächste Single würde von einem bekannten Produzenten aus Großbritannien mit produziert. Was hat es damit auf sich?

William: In London erkennt man Talent hinter unserer Musik, so sagte man uns das. Das hört man als Musiker doch gern. Wir arbeiten jetzt mit über Jahrzehnte erfolgreich agierenden Produzenten zusammen, die einige Welthits mitgeschrieben haben. Konkret heißt das: Die nächste Single der Heartbeat Designers wird von Ian Little und John Robinson in London gemixt und produziert. Ian hatte weltweite Nr. 1 Hits mit beispielsweise Duran Duran, Roxy Music, Bryan Ferry, Talk Talk, Sparks, OMD und vielen weiteren Künstlern. Es wird auch bekannte DJs geben, die zusätzliche Remixe für die Clubs machen werden. Den Song verraten wir aber jetzt noch nicht.

John: Jetzt freuen wir uns erst mal auf unseren Live-Auftritt hier in Köln, wo wir diesen Song schon spielen werden. Wir planen zudem gerade internationale Live-Auftritte, beispielsweise auch in Großbritannien. Ziemlich turbulente Zeiten für uns. Heartbeat Designers werden mit einem zweistündigen Programm noch in diesem Jahr erneut in der Domstadt spielen. Wir halten Euch zu Terminen gern informiert.

Dann wünschen wir Euch weiterhin viel Erfolg! Vielen Dank für das Gespräch!

Webseite: www.heartbeatdesigners.com

▶ Lesen Sie hier: Musik: Heartbeat Designers – Open Sesame (Clear Records)

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