Keine Konzerte, keine Festivals, keine Clubbesuche - das Jahr 2020 stellte Musikfans und Kulturfreunde auf eine große Probe. Trotz allem - oder gerade deswegen - wurde in diesem Jahr wahrscheinlich so viel Musik konsumiert wie nie zuvor. Und so zeigten sich auch viele Künstler produktiver und umtriebiger als je zuvor. Im Rahmen unseres großen HiFi-Jahresrückblicks möchten wir den Bereich Musik ebenfalls nicht ausklammern und haben in unserem Redaktionsteam nach den meist gehörten Tonträgern oder einfach den Lieblingsalben 2020 gefragt. Ganz gleich ob es sich dabei um eine Veröffentlichung auf CD bzw. Vinyl oder Stream / Download handelt. Das Ganze ist natürlich höchst subjektiv und ohne Wertungsschema. Vielleicht entdecken Sie hier ja auch noch die eine oder andere musikalische Perle für Ihre Musiksammlung. Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Likehifi.de-Jahresrückblick Teil 7: die besten Musikalben 2020!
Don Bryant – You Make Me Feel
Christian Kautz: Im hohen Alter von 78 Jahren ist Don Bryant besser denn je. So etwas gibt es nur im Rhythm and Blues. Und obwohl die Platte scheinbar aus einer anderen Zeit kommt, klingt sie energiegeladen und frisch, geradezu unverbraucht. Als hätten John Belushi und Dan Aykroyd gerade Premiere, um in ihrem 74er Dodge Chicago aufzumischen. „You Make Me Feel“ ist voll mit explosivem Soul. Für einen Musiker, der viele Kollegen mit seinen Songs zum Durchbruch verhalf, auch eine Art von Genugtuung und späte Ehrung: “Die Aufnahmen für mein neues Album weckten viele Erinnerungen. Diese Musik ist ein Teil meines Lebens. Viele Künstler machten aus den Nummern, die ich für sie schrieb, großartige Songs. Und diese jetzt in meiner eigenen Form zu präsentieren, ist eine wahre Freude“, so Don Bryant.
Link: www.donbryant.bandcamp.com
Jamie Cullum – The Pianoman At Christmas
Thomas Kirsche: Tatsächlich musste das Jahr 2020 sich erst dem Ende neigen, ehe ich mein Lieblingsalbum für das Corona-Jahr fand. Es ist „The Pianoman At Christmas“ von Jamie Cullum. Vor allem, dass sich der smarte Singer-Songwriter hingesetzt hat und neue Weihnachtslieder schrieb, ist eine tolle Leistung. Ich will nämlich nicht jedes Weihnachten die Tausendste Interpretation von „White Christmas“ vom Hundertsten Sängersternchen hören. Ich freue mich über Jamie Cullums unverkennbare Stimme, den Big Band Sound und diesen Mut. Es lohnt sich auf jeden Fall in das Album reinzuhören und ich bin mir sicher, ich werde das nicht nur zur Weihnachtszeit machen.
Link: www.universal-music.de/jamiecullum
Son Lux – Tomorrows I & II
Alex Röser: Mit „Tomorrows I & II“ veröffentlichten Son Lux dieses Jahr die ersten beiden Teile einer Trilogie, deren dritter Teil im Frühjahr 2021 erwartet wird. Die ersten beiden Episoden leben von einer mystischen Elegie, die vom Komponisten und Sänger Ryan Lott, seinen Kollegen Rafiq Bhatia (Gitarre) und Ian Chang (Drums), sowie einer Vielzahl von Gästen mit einem hohen Maß an kompositorischer Fragilität und akustischer Raffinesse realisiert wird. Wer Son Lux kennt, wird vereinzelte Motive früherer Alben wiederfinden, welche „Tomorrows I & II“ subtil und dennoch unverkennbar in den sprachlichen Duktus der Kalifornier einwebt. Deutlich erdiger und naturalistischer als etwa „We Are Rising“ oder „Brighter Wounds“ kommen „Tomorrows I & II“ daher, jedoch nicht weniger immersiv. Das einzigartige erzählerische Talent von Lott, Chang und Bhatia verleiht dem mehrteiligen Konzeptalbum eine beinahe cineastische Qualität, welche einen erfrischenden Kontrapunkt setzt zum single-orientierten Dogma zeitgenössischer Streamingkultur.
Link: www.sonlux.bandcamp.com
SAULT – UNTITLED (Black Is)
Benjamin Mächler: Die britische Band SAULT lieferte mit „UNTITLED (Black Is)“ so etwas wie den inoffiziellen Soundtrack zur Black Lives Matters Bewegung, die mit dem gewaltsamen Tod des afroamerikaners George Floyd zuerst in den USA zu Massenprotesten führte und dann auch weltweit die Menschen im Kampf für Gleichberechtigung und gegen Rassismus auf die Straße brachte. Das Londoner Kollektiv traf mit Songs wie (dem Hit der Platte) „Wildfires“ und den Zeilen „Take off your badge, We all know it was murder“ also genau Nerv und Herz jener Zeit und das ohne ein Musikvideo zu veröffentlichen oder andere Promo-Aktivitäten zu betreiben. Die Musik steht bei SAULT stets im Mittelpunkt und so verwundert es nicht, dass die Soul-Musiker selbst auch gar nicht groß in Erscheinung treten und die Band seit dem plötzlichen Auftauchen im Sommer 2019 stets etwas Rätselhaftes, Anonymes umgibt. Dabei ist der Produzent INFLO beileibe kein Unbekannter in der Szene, hat er doch bereits mit Michael Kiwanuka (ebenfalls auf „UNTITLED (Black Is)“ vertreten), The Kooks oder Cleo Sol zusammen gearbeitet. Letztere gehört dann neben Kid Sister zu den beiden weiblichen Stimmen, die die glänzende vokale Untermalung des von Soul, R&B und Afrobeat geprägten Sounds von SAULT bestimmen. Hier sind wir uns mit den Kritikern weltweig einig, „UNTITLED (Black Is)“ von SAULT ist DAS Albumhighlight des Jahres 2020!
Link: www.saultglobal.bandcamp.com
Martin Kohlstedt – FLUR
Martin Kohlstedt begleitet unsere Leser und unsere Redaktion nun schon eine ganze Weile. So konnten wir seinen Klavier-Kompositionen nicht nur auf der einen oder anderen CD-Beilage unseres Printmagazins lauschen, sondern er war es auch, der die erste Vinyl-Schallplatte von AUDIO TEST als Coverheld zierte. Nach seinem letztjährigen Album mit dem Chor vom Gewandhaus Leipzig („Ströme“) ist er 2020 wieder auf Solopfaden unterwegs gewesen und hat mit dem Album „FLUR“ wieder ein klassisches Piano Album vorgelegt. Auf 10 Kompositionen gewährt uns der Thüringer Klavier-Virtuose einen intimen Einblick in sein Zuhause, indem sich nur er und sein Piano befinden. Kenner dieses Klassik-Ausnahmekünstler fühlen sich vielleicht an seine Anfangstage und Erstlingswerke wie „TAG“ oder „NACHT“ erinnert, doch Martin Kohlstedt sagt zu „FLUR“, dass dieses Album der Start etwas gänzlich Neues für ihn wäre. Für uns auf jeden Fall eines der musikalischen Highlights 2020.
Link: www.martinkohlstedt.com
Blue Note Re:imagined
Die britische Jazz-Szene ist vitaler und aufstrebender denn je und verdankt ihren derzeitigen Hype vor allem vielen jungen, aufstrebenden Musikern. Künstler*innen wie Jorja Smith, Ezra Collective, Alfa Mist oder Nubya Garcia mischen in ihrer Musik klassische Jazz-Elemente mit modernen Einflüssen wie Soul, Afrobeat oder Hip-Hop und machen Jazz-Musik auch einem jüngeren Publikum zugänglicher. Diese freudige Entwicklung nahmen Decca Records und Blue Note Records zum Anlass, die junge Garde britischer Jazz-Musiker ins Studio zu holen und diversen Jazz-Klassikern aus dem Blue Note Archiv einen neuen, modernen Anstrich zu verpassen. Herausgekommen ist dabei die Compilation-Album „Blue Note Re:imagined“, das sich als Brückenschlag zwischen der Tradition und Zukunft des Jazz versteht. Die neuen Aufnahmen basieren auf klassischen Tracks einiger der bedeutendsten Blue Note-Künstler wie Wayne Shorter, Herbie Hancock, McCoy Tyner, Donald Byrd oder Bobby Hutcherson. Für uns eines der spannendsten Musikprojekte in diesem Jahr, das zum einen die Magie der alten Jazz-Klassiker wieder in Erinnerung ruft, zum anderen aber auch das unglaubliche Potenzial der britischen Jazz-Szene aufzeigt. Und wir sind uns sicher, dass man von den jungen, britischen Jazz-Künstler*innen dieses Albums auch in Zukunft noch viel hören wird.
Link: www.universal-music.de/blue-note-reimagined
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Bildquellen:
- don-bryant-you-make-me-feel-cover: Fat Possum Records
- Bildschirmfoto-2020-12-03-um-11.15.01: Island Records / Universal Music Group
- Son-Lux-Tomorrows-I: https://sonlux.bandcamp.com
- Son-Lux-Tomorrows-II: https://sonlux.bandcamp.com
- SAULT-UNTITLED-Black-Is: www.saultglobal.bandcamp.com
- MK-Flur-Cover-Official-LP-CD-web: www.martinkohlstedt.com
- Blue-Note-Re-imagined_cover: Decca Records / Universal Music
- AUDIO TEST Magazin Ausgabe 1/21 2021: Auerbach Verlag
- Likehifi Jahresrückblick 2020 Musik Einstieg – Photo by Shunya Koide on Unsplash: Photo by Shunya Koide on Unsplash