Spendor Classic 1-2 Lautsprecher Test 01

Test: Spendor Classic 1/2 – Standlautsprecher (3 Wege)

Retro ist Trend – vor allem in der TV-Unterhaltungsbranche. Überzeugendes Vintage will gut gemacht und inhaltlich begründet sein, um sich von schnöder Retro-Retorte abzuheben. Was für die TV-Branche gilt, lässt sich ebenso auf das HiFi-Business übertragen. Im heiß umkämpften Prestige-Segment zeigt der britische Traditionshersteller Spendor mit den Classic 1/2 Standlautsprechern, wie ein perfekter Vintage-Release funktionieren kann.

The Better, The British

Spendor hat seit seiner Gründung in den 1960er-Jahren regelrecht HiFi-Geschichte geschrieben. Unvergessen ist dabei die Entwicklung des BC1-Schallwandlers für den englischen Radiosender BBC. Ein Modell, das hinsichtlich, Räumlichkeit, Tiefenstafflung und Dynamik qualitative Maßstäbe gesetzt hat und der illustren HiFi-Gemeinde noch bis zum heutigen Tag in positiver Erinnerung geblieben ist.

Am Puls der Zeit

Der Spendor Classic 1/2 Lautsprecher steht in der Tradition dieser legendären BC1-Studiomonitore aus den 1970er Jahren. Zumindest stimmen die optischen Spezifikationen, nebst Abmessungen mit dem historischen Vorbild aus einem vergangenen Jahrtausend überein. Auch die Platzierung der Treiber im Chassis des klassischen 3-Wege-Modells entspricht allenthalben der gefeierten Blaupause. So auch die für heutige Verhältnisse recht großzügig dimensionierte Schallwand, die hinsichtlich des Abstrahlverhaltens des Standlautsprechers messbare Vorteile mit sich bringt.

Dabei bleibt Spendor in Sachen Hardware unbedingt am Puls der Zeit. Und beweist mit der gelungenen Verbindung von Retro-Chic und High-Tech unternehmerische Weitsicht. Analog dazu bestehen die Membranen der Treiber aus hochmodernen, ultraleichten EP77 Polymer. Ein elastischer Werkstoff, der zudem die Eigenschaft besitzt, weitestgehend frei von lästigen Eigenresonanzen zu sein.

Erinnern wir uns. Mit den Spendor Classics 1/2 haben wir es tatsächlich mit dem historischen Vorbild eines Studiomonitors zu tun. Und im Metier der Referenzmonitore für Toningenieure zählen zuerst zwei Dinge: Klangliche Unverfälschtheit, unbedingte Darstellungsneutralität sowie die relative Abwesenheit von Dissonanzen.

Spendor – Key-Facts:

Gründungsjahr: 1969
Sitz: East Sussex (England)
Legendäre Produkte: BC1, BC3, SA1, SP1
Webseite: www.spendoraudio.com

Das Unternehmen Spendor Audio Ltd. wurde 1969 von Spencer und Dorothy Hughes gegründet. Spencer arbeitete als Toningenieur bei der BBC und war maßgeblich an der Entwicklung der legendären BC1 beteiligt. Darüber hinaus wurde die Marke Spendor aus einem Non-Commercial-Projekt geboren. Bald fanden die BC1-Monitore jedoch in verschiedensten Rundfunkanstalten und Aufnahmestudios internationale Verbreitung. Seit 2001 ist der Gründer der Marke Audiolab Philip Swift Inhaber/CEO und Spendor baut bis heute Luxus-Lautsprecher im südenglischen Sussex.

My home is my Produktionsstätte

Das Array der Spendor Classic 1/2 steht ebenfalls in bester 1970er-Jahre-Tradition, und setzt sich aus einem 21 Zentimeter Tieftöner, einem 15 Zentimeter Mitteltöner sowie einem 2,2 Zentimeter Hochtöner mit Seidenkalotte zusammen. Das handgefertigte, seidenmatt lackierte 18,5 Kilogramm schwere Gehäuse ist zudem in einem geschmackvollen Echtholz-Furnier aus Kirsche oder Walnuss erhältlich.

Das sieht nicht nur herrlich vintagemäßig aus, sondern ist auch absolut erstklassig verarbeitet. Dieser Lautsprecher möchte bewundert und gestreichelt werden, glauben Sie uns! Wie auch andere Teilnehmer in unserer gegenwärtigen Retro-HiFi Ausgabe wanderte der Spendor Lautsprecher bestens eingespielt in unseren Hörraum.

Der Spendor Classic 1/2 steht in der Tradition der legendären BC1-Studiomonitore von 1970 Jahren. Die optischen Spezifikationen, nebst Abmessungen entsprechen dem historischen Vorbild.

Denn direkt vorher spielte der Spendor Classic 1/2 auf den Mitteldeutschen HiFi-Tagen in Raum “Potsdam” in unserem Verlagshaus – nur eine Etage über unserem Testlabor. Der deutsche Spendor Vertrieb Drei H aus Hamburg hatte den Speaker in einer feinen HiFi-Kette mit Elektronik von Chord Electronics, Lyngdorf und Melco angesteuert und durfte sich über einen stets vollen Hörraum freuen. Was nicht zuletzt auch an den spannenden Workshops der Drei-H-Mitarbeiter lag.

Spendor legt übrigens bei der Produktion seiner bisweilen legendären Lautsprecher sehr großen Wert auf die Fertigung und Entwicklung im hauseigenen Werk in Großbritannien. Ein erfrischend oppositioneller Trend zur Massenfertigung in Übersee, wie wir ihn auch schon bei Dali und Mission erleben konnten – zumindest für ausgewählte Produktserien.

Stellen wir nun den Retro-Standlautsprecher „made in the UK“ in unserem Testlabor ein wenig auf die Probe. Nachdem wir die Spendor Classic 1/2 mit dem Audionet-Luxus-Referenzverstärker über die praktischen Bananenlitzen verbunden haben, kreieren wir fachkundig ein Stereodreieck und nehmen im „sweet spot“ Platz.

Die Platzierung der Treiber im Chassis, des klassischen 3-Wege-Modells entspricht gefeierten Blaupause des BC1. Die großzügig dimensionierte Schallwand garantiert ein optimales Abstrahlverhalten.

Endlich Musik

Beginnen wir unseren Performancetest mit einem unbestrittenen Klassiker der Musikgeschichte und goutieren den Track „Money“ der Ikonen des Psychedelic-Rocks Pink Floyd höchstpersönlich. Über die ikonische englische Rockband nebst Titel gäbe es allenthalben viel Hintergründiges zu berichten. Beschränken wir uns dennoch auf die durchweg fulminanten Höreindrücke, die uns der Spendor Classic 1/2 an einem recht kalten Nachmittag im Oktober beschert.

Von der ersten Sekunde an raubt uns der Classic 1/2 gelinde gesagt den Atem. Allein das kultige Intro, bestehend aus ikonischen Münzgeräusch-Loops sowie dem stilisierten Kratzen und Klappern einer Registrierkasse ist ein echtes HiFi-Fest. Gebannt versuchen wir das geschmackvolle Wandern der hochauflösenden Audiosignale durch die schier unendlichen Weiten, des vor uns ausgebreiteten Stereopanoramas nachzuvollziehen.

Aus der Mitte heraus, wandernd nach rechts und dann im steten Wechsel konstatieren wir analytisch, während wir von der bombastischen Räumlichkeit der Spendor Classic 1/2 geradezu erschlagen werden.

Schöner Rücken kann auch Entzücken – Die verführerische Rückansicht mit der verkabelten Anschlussbrücke im Close-Up. Die Classic 1/2 werden übrigens über weite Strecken händisch im Vereinten Königreich gefertigt. Qualität, die sich sehen lassen kann.

Only Rock ’n‘ Roll?

Der Einsatz der Saiteninstrumente erklingt im höchsten Maße definiert und vollmundig. Der Bass – gespielt von Roger Waters – ist herrlich warm, dennoch knackig und im leicht sperrigen 7/4 Takt zu vernehmen. Wir vermuten einen Fender Bassman mit Ampeg-Box – zumindest gefühlt. Gilmores angeraute Gitarre schickt erste Grüße mit leichtem Reverb und warmem Overdrive herüber.

Als wenige Takte später die ganze Band einsetzt, bläst uns das fantastische Arrangement regelrecht weg. Die Separation der Instrumente ist mindestens mustergültig. Gilmores ikonische Stimme badet in der Mitte des formvollendet organischen Mixes. Absolut alles klingt wunderbar aufgeräumt und im höchsten Maße hochauflösend.

Als wir noch über die herrlich nuancierte Perkussion des Fender Rhodes sinnieren, wirbelt ein Tenor-Saxofon durchs Stereo-Panorama. In der nachfolgenden ersten Bridge entpuppt sich der Spendor Classic 1/2 als Referenz-Studio-Monitor erster Güte. Jedoch im besten – das heißt musikalischsten – Sinne. Linksseitig werden wir etwas gewahr, was wie eine rückwärts abgespielte Delay-Gitarre klingt und von dessen Existenz wir vorher noch nichts wussten.

Wenn das Stück Musikgeschichte seinem gitarrenlastigen Höhepunkt entgegensteuert, wird schon längst mit redaktionellem Ernst die Mähne geschüttelt. Um im anschließenden Drop-Down des Tracks innezuhalten und die instrumentale Wucht des Arrangements zu bestaunen. Vor allem die Darstellung der Toms möchten wir an dieser Stelle besonders hervorheben. Selten haben wir ein so musikalisches Schlagzeug erlebt – eine beeindruckende Performance der Spendor Classic 1/2 Standlautsprecher.

Bigger than Jesus, Bigger than Ecstasy

Nach diesem Deluxe-Einstieg können wir in Sachen Musikalität kaum einen Gang herunterschalten. Zum Glück gibt es Steely Dan – quasi der Olymp der Studioproduktionen. Aus deren reichhaltigen Oeuvre wollen wir uns den Titel „Babylon Sister“ genehmigen. Jedoch möchten wir unserer geneigten Leserschaft nicht vorenthalten, dass sich der nicht ganz jugendfrei Name Steely Dan auf den Roman „Naked Lunch“ von William S. Burroughs bezieht. Was der Begriff im Einzelnen zu bedeuten hat, empfehlen wir allerdings privat zu recherchieren.

Der Track „Babylon Sister“ ist der Eröffnungstrack des Albums „Gaucho“ das am 21. November 1980 bei MCA-Records erschien. Auch zu diesem Album gäbe es eine Menge Hintergrund-Stories zu erzählen. Beschränken wir uns jedoch darauf, dass die Studio-Zeit rund zwei Jahre betrug und die Band allein für das Recording mit etwa 42 Musikern zusammenarbeitete.

Nebenbei bemerkt lag der damaligen Produktion ein für heutige Verhältnisse unverschämt hohes Budget zu Grunde. Ein Rechtsstreit mit Keith Jarrett über Plagiatsvorwürfe zu Jarretts Song „‚Long As You Know You’re Living Yours“ konnte jedoch erst nach dem Release von „Gaucho“ gerade noch über einen Co-Writing-Verweis beigelegt werden.

Doch nun genug davon

AUDIO TEST Cover Titel Retro HiFi 2022 08
AUDIO TEST Nr. 08/22 mit Titel-
thema „Retro-HiFi“ (bestellen).

Nach einigen schnörkellosen Drum-Fills ziehen uns Fender Rhodes und E-Bass in ihren Bann. Wieder bewundern wir die kompressionsfreie, grundehrliche Arbeitsweise der Spendor Classic 1/2. Deren Resultat angenehm dynamische Mitten – nebst Hochtonfrequenzen sind.

In anderen Worten klingt die Snare so unfassbar appetitlich mit ihrer intelligenten Räumlichkeit, dass es uns kaum wundert, dass das Album allein einen Grammy für die Studioarbeit erhielt. Der Gesangseinsatz über den auftaktigen Beat ist von dynamischer Weite geprägt, die der Spendor Classic 1/2 perfekt in Szene zu setzten weiß.

Auch die anspruchsvollen Bläsersätze, die mit dem Solo-Saxofon vertrakte Reigen tanzen, werden von unserem Testobjekt detailreich und klar dargestellt. Ohne auch nur eine Sekunde lang klinisch oder zu abgeklärt zu klingen. Das gilt im gleichen Maße für die sphärisch glitzernden Glockenspiele im Hintergrund. So geht Musikalität!

Jazz meets Orchestra

Zum Abschluss gönnen wir uns noch die legendäre Dina Krall mit dem Jazz-Standard „I Get Along Without You Very Well“. Die Wahl fällt auf dieses Meisterwerk, da die Krall auf dem Album „The Look Of Love“ stets mit einem ganzen Orchester aufwartet, das sich nach elegisch-komplexen Ouvertüren in eine Bossa-Band zu verwandeln zu scheint. Somit eignet sich der Song, um sowohl Aussagen über das Klangverhalten der Spendors sowohl in der Sparte Jazz, Klassik als auch über Filmmusik zu treffen.

Nach besagtem, elegischen Intro tänzelt ein Kontrabass einen 2-5-1er durch die rhythmischen Changes, bevor wir die rauchige und dennoch glasklare Stimme von Dina Krall bewundern dürfen. Violinen und Hörner malen hier und dort ein paar Landschaften, in denen wir einen Konzertflügel entdecken. Nichts kratzt am guten Ton oder stört unser durch langjährige Praxis geschultes Hörempfinden.

Vielmehr präsentiert sich der Spendor Classic 1/2 Dreiwege Standlautsprecher frei von Allüren sowie jedweder Effekthascherei und meistert das Genre Cool-Vocal-Jazz mit orchestralem Unterbau zur redaktionellen (vollsten) Zufriedenheit mit Bravour!

AUDIO TEST Ausgabe 08/22 widmete sich ausschließlich dem Thema „Retro-HiFi“. Im Test waren diverse aktuelle HiFi-Produkte, die in puncto Design und Optik allesamt an Klassiker aus den 1970er und 80er Jahren angelehnt sind.

Preis und Verfügbarkeit

Die Spendor Classic 1/2 Standlautsprecher gibt es zum Preis von 8.290 Euro (Paarpreis, UVP) im Fachhandel zu kaufen. Ausführungen: Kirsche und Walnuss. Der Vertrieb für die Spendor Lautsprecher läuft in Deutschland über Drei H aus Hamburg.

Webseite: www.3-h.de // www.spendoraudio.com

Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 08/2022.

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Fazit
Zusammenfassend können wir dem Classic 1/2 nur Bestnoten attestieren. Die englischen Kronjuwelen aus dem Hause Spendor haben allemal das Zeug zum Kultobjekt der HiFi-Szene zu avancieren. Dabei bieten die Standlautsprecher unverfälschten Hörgenuss ohne flach, klinisch oder zurückgenommen zu klingen. Vielmehr verbinden die Classic 1/2 hochmoderne Komponenten mit den legendären Klangeigenschaften der BC1 und dem LS 3/5a mit 1970er-Retro-Chic. Das Resultat sind ultra-realistische Räumlichkeit, unbestechliche Neutralität und präzise Dynamik.
Wiedergabequalität
99
Ausstattung/Verarbeitung
90
Benutzerfreundlichkeit
85
Preis/Leistung
80
Leserwertung37 Bewertungen
46
Vorteile
ultra-realistische Räumlichkeit
unbestechliche Neutralität
dynamischer Klang
Nachteile
relativ hoher Preis
Lautsprecher-Ständer nicht im Preis inbegriffen
95
Gesamtergebnis

Bildquellen:

  • Spendor Classic 1-2 Lautsprecher Test 01: Auerbach Verlag