Test: Hegel H160 – Das Wahre ist das Ganze

Das Wahre ist das Ganze

Das norwegische Unternehmen Hegel Music Systems teilt nicht nur den Namen mit dem deutschen Philosophen, sondern auch seinen Idealismus.

Es begann im Jahr 1988, als Bent Holter, damals noch Student der Technischen Universität Trondheim es sich zum Ziel gemacht hat, die Schwächen des bis dahin maßgeblichen Verstärkerdesigns ein für allemal zu beseitigen: Die Verzerrungen. Holter hielt es nicht aus, dass ein Signal einen Verstärker nicht in der Originalität verlassen konnte, in der es ursprünglich durch die Kette der Bauteile gewandert war. So war es denn nicht verwunderlich, dass der ambitionierte Student sich in seiner Abschlussarbeit eben jenem Thema widmete. Ungefähr zur selben Zeit spielte Bent auch in einer Rock-Metal Band namens „The Hegel Band“ und wie es sich für eine Band in dieser Sparte gehört, waren irgendwann potente Verstärker für die Bühne gefragt. Eins kam zum anderen, die Musik wurde zum Hobby, die Leidenschaft zur Technik aber zum Beruf. Das war die Geburtsstunde von Hegel Music Systems. Seitdem hat man in Norwegen konstant auf Qualität gepokert und immer dann wenn andere Unternehmen gespart haben, investiert. So hat sich Hegel über die Jahrzehnte ein exzellentes Portfolio und die Herzen vieler Klangliebhaber in aller Welt erspielt. Mit dem Hegel H160 haben wir das aktuelle Mittelklasse-Modell des Unternehmens im Testlabor gehabt und wir können schon mal so viel verraten: Optisch mag man sich bei Hegel sehr zurückhaltend geben, aber die gebotene Leistung übertraf alle unsere Erwartungen.

Technik

Das Modell Hegel H160 ist ein Class-AB-Verstärker, der sich zwischen dem kleineren H80 und dem High-End-Modell H300 positioniert. Aber nur von einem Verstärker oder einer Endstufe zu sprechen, ist beim Hegel H160 weit untertrieben, denn man hat die 250 Watt an 4 Ohm pro Ausgang um einen hervorragenden D/A-Wandler und Netzwerkfähigkeit inklusive AirPlay erweitert. Damit katapultiert sich der H160 aus dem Stand an die Spitze der Benutzerfreundlichkeit und wird zu vollwertigen Allround-Stereoanlage, ohne Lautsprecher versteht sich. Der verbaute Wandler bedient sich eines AKM4396VF Chipsatzes, der die 24-Bit-Variante eines AK 4399 darstellt. Dadurch sind 16 Bit bei 44,1 Kilohertz Abtastung über AirPlay möglich und über DLNA und UPnP sogar 24 Bit bei 192 Kilohertz. Der Frequenzgang der Wandler-Verstärkungs-Kombi ist ebenfalls bis 100 Kilohertz nach oben geöffnet, womit einem High-Res-Musikgenuss nichts mehr im Wege stehen sollte.

60.000 Mikrofarad sind genug Schub für anspruchsvolle und dynamische Musikliebhaber. Das Netzteil ist großzügig überdimensioniert. Die acht Transistoren wollen gut gekühlt werden, passiv reicht aber

Dass man in Norwegen in anderen Maßstäben denkt und baut, wird auch an den insgesamt 60.000 Mikrofarad Kapazität aufgeteilt auf sechs massive Audio-Kondensatoren am Ausgang des Verstärkers deutlich. Diese schieben mit acht Leistungstransistoren des japanischen Typs 2SA2121 vom Hersteller Toshiba die Halbwellen geschmeidig und satt an den Ausgang. Angetrieben wird der Hegel H160 von einem Ringkerntrafo und einem Netzteil, das offensichtlich überdimensioniert ist und sich vor seinem großen Bruder dem H300 keinesfalls verstecken muss. Interessant ist auch der 22 Ohm HS50 Hochleistungswiderstand von Arcol am Netzteil, an dem sich jedes Brummgeräusch die Zähne ausbeißen darf. Laufruhe und Bauteile vom Feinsten wohin das Auge auch schaut. Abgerundet wird die elektronische Kleinstadt durch die markant roten WIMA-Präzisions-Kondensatoren an den kritischen Stellen. Für diejenigen, die nicht so viel Kraft brauchen, weil sie lieber für sich und direkt auf dem Ohr über Kopfhörer genießen, bietet der Hegel H160 einen Kopfhörerverstärker basierend auf dem JRC4556AD Operationsverstärker. Dieser leistet 270 Milliwatt pro Kanal an 64 Ohm, was für die meisten Kopfhörer mehr als ausreichend Reserve darstellen sollte.

Der Power-Knopf befindet sich aus Design-Gründen unterhalb des Gerätes, was auf den ersten Blick ungewohnt ist, aber im täglichen Gebrauch kaum stört

Die Bedienung über Netzwerk ist super-einfach, den Hegel über AirPlay anwählen und das Gerät schaltet, begleitet durch zartes Klicken eines Relais, automatisch in den NET-Modus. Keine Treiber, keine Menüs. Das ist Benutzerfreundlichkeit in seiner schönsten Form. Aber auch die klassischen Anschlüsse kommen bei Hegel nicht zu kurz. So finden sich rückseitig koaxiale und optische Digitaleingänge neben USB, genau wie symmetrische XLRs oder aber klassische Cinch-Eingänge. Wer es lieber gediegen und konservativ bevorzugt, dem legt Hegel Music Systems natürlich auch eine formschöne Fernbedienung bei, die wie das Gerät massiv ausgeführt ist und imponiert.

Klang

Unser erstes Klangextrem zur Überprüfung der Leistungsreserven des H160 war „The Rhythm Of The Heat“ von Peter Gabriel aus dem Album „Half Blood“. Ein Verstärker arbeitet bekanntermaßen dann am besten, wenn man ihn nicht hört. Wir wollten mit diesem Bass-Dynamik-Beispiel herausfinden, wo die Grenze des Hörbaren ist beim H160 und wir sind enttäuscht worden. Nicht vom Verstärker, sondern von unserem Spiel- und Forschertrieb, denn da war rein gar nichts zu hören. Die Reserven des H160 haben die markanten Pauken und tieftönenden Trommeln des Stücks mit einer beeindruckenden Kanaltrennung und atmosphärischer Raumtiefe abgebildet. Das ganze Stück erklingt mit druckvoller Durchsetzungskraft, wobei der Hegel H160 dennoch die Streicherdramaturgie nicht überspielt, sondern weich und szenisch stark integriert. Auch bei hohen Lautstärken erklingt das epische Werk nicht harsch oder klirrend, sondern tendenziell angenehm satt und gerade deshalb plastisch. Unser zweites Klangexperiment ist eine meisterhafte Neuinterpretation des Police-Klassikers „Walking On The Moon“ gespielt vom Yuri Honing Trio. Das Trio haucht auf fein arrangierte Weise dem Lied einen neuen emotionalen Charakter ein, der vom ersten Moment fesselt. Ausdrucksstark löst der Hegel alle noch so kleinen Details im feinen Spiel des Schlagzeugers Joos Lybaart in Wohlgefallen auf, der Kontrabass klingt äußerst natürlich und das Stereopanorama ist abermals exzellent. Die Aufnahme aus den 90ern überzeugt über den Hegel mit einem luftigen High-End und einer sehr freien, großzügigen Raumabbildung. Die Instrumente atmen, die Blickkontakte zwischen den Musikern werden spürbar. Leider hat der Hegel H160 keinen integrierten Phono-Vorverstärker, daher haben wir uns für einen weiteren Test kein Vinyl, aber einen digitalisierten Vinyl-Klassiker vorgenommen: Das Vorspiel aus „Das Rheingold“ der Wiener Symphoniker unter Leitung von Georg Solti. Die Bläser erstrahlen majestätisch warm, tonal resonant, differenziert und das mäandrierende Streicherthema verführt ad hoc unsere Sinne. Beim Knacken und der Wärme der Aufnahme könnte man fast vergessen, dass wir mit einem iPad auf dem Sofa sitzen und eigentlich Streaming betreiben.

Bei Hegel Music Systems herrscht ein aufgeräumt norwegisches Klima: Links Analog, rechts digital und in der Mitte die Lautsprecher

Einen ganz anderen Klangkandidaten haben wir uns für die Rubrik Popmusik herausgesucht. The Weeknd featuring Daft Punk mit dem Titel „Starboy“ vom gleichnamigen Album hat im Jahr 2017 nicht nur gute Kritiken bekommen, sondern kam auch beim Publikum gut an. Dazu trägt vermutlich der pumpende Subbass mit der seicht begradigten Stimme bei. Das Seuseln wird rhythmisch zerschlagen von einer zeitgemäß schmatzenden Snare-Drum, die kraftvoll, dennoch transparent dominiert. Ein bisschen Sättigungsgefühl stellt sich auch hier ein. Das ist jedoch dieses Mal dem zeitgenössischen Produktionsstil geschuldet und nicht dem Verstärker zuzuschreiben. Die kurze und heftige Hi-Hat ist nicht überzeichnet, sondern taktvoll. Der Hegel H160 macht auch bei Popmusik eine gute Figur, vor allem aber weil er sehr ohrenfreundlich arbeitet und selbst platte Dynamik audiophil aufwertet. Das gewährleistet einen langen Hörgenuss und spiegelt den ursprünglich angedachten Idealismus Bent Holters wieder, den Verstärker und seine Artefakte zu reformieren und eine möglichst naturgetreue Abbildung zu schaffen. Georg Wilhelm Friedrich Hegel wäre bei diesem Eifer nach zusammenhängender Wahrheitsfindung wohl entzückt gewesen.

Mehr Infos unter www.hegel.com

Fazit
Der Hegel H160 ist mehr als nur ein Vollverstärker. Durch den integrierten D/A-Wandler und die Netzwerkanbindung ist er die zentrale Schnittstelle der Anlage. Seine 250 Watt pro Kanal positionieren in Sachen Leistung im oberen Mittelfeld. In puncto Fidelität muss er sich aber in keinster Weise vor seinem Bruder dem H300 verstecken. Anbindung und Klang machen den Hegel H160 zu einem echten Geheimtipp. Nicht nur für Klang-Philosophen.
Wiedergabequalität
95
Austattung/Verarbeitung
90
Benutzerfreundlichkeit
90
Preis/Leistung
90
Leserwertung60 Bewertungen
44
Vorteile
einfache Bedienung
schlankes Design
natürlicher Klang
Nachteile
nur ein Lautsprecherpaar
kein Phonovorverstärker
91

Bildquellen:

  • Hegel H160: Auerbach Verlag
  • Hegel H160: Auerbach Verlag
  • Hegel H160: Auerbach Verlag
  • Hegel H160: Auerbach Verlag