Sennheiser HD 660S2 Test Review

Test: Sennheiser HD 660S2 – offener Over-Ear HiFi Kopfhörer

Ab und an ist es etwas leidig, Texte über HiFi-Produkte zu schreiben. Denn manchmal übersteigt das Gehörte schlicht das mit den Worten fassbare. So zum Beispiel bei Sennheisers HD 660S2.

Die Magie des Klangs

Wenn es um Deutsche HiFi-Geschichte geht, muss man wohl eher früher als später auf Sennheiser zu sprechen kommen. Noch im Juni 1945 gründete ein junger Tüftler namens Dr. Fritz Sennheiser das Unternehmen, welches zunächst Messgeräte für Siemens in einem pittoresken Bauernhaus herstellte, das übrigens noch heute zum Werksgelände der Firma gehört.

Das Unternehmen ist auch heute, 78 Jahre nach ihrer Gründung, unter familiärer Leitung. Einen Namen machte sich Sennheiser zunächst mit der Fertigung hochwertiger Mikrofone, bevor 1968 der erste offene Kopfhörer der Welt in Wedemark bei Hannover das Licht der Welt erblickte. Der Sennheiser HD 414 gilt übrigens noch 2023 als der meistverkaufte HiFi-Kopfhörer aller Zeiten. Ersatzteile für den HD 414, sowie dessen ikonische gelbe Ohrpolster hat man bei Sennheiser heute noch immer auf Lager.

Freilich war Sennheiser folglich auch bei uns in der AUDIO TEST und hier auf Likehifi.de schon einige Male vertreten. Bis auf wenige Ausnahmen waren es ausschließlich Kopfhörer, die dem niedersächsischen Traditionsunternehmen zu einem sehr guten Ergebnisdurchschnitt von ausgezeichneten 90 Prozent verhalfen. Heraus stachen dabei etwa die In-Ear-Kopfhörer Sennheiser IE 900 (95 % in AUDIO TEST Ausgabe 05/2021 oder hier im Test) oder der offene Over-Ear-Kopfhörer HD 660 S (94 % in AUDIO TEST Ausgabe 01/2019).

Letzteren hat man bei Sennheiser erst kürzlich als HD 660S2 Version neu aufgelegt. Daher lag es für uns nahe, den überarbeiteten Sennheiser HD 660S2 Kopfhörer auch auf den Prüfstand zu holen, um zu testen, ob dieser mit der hervorragenden Leistung seines Vorgängers vermag Schritt zu halten.

Sennheiser HD 660S2 Over-Ear
Der Sennheiser HD 660S2 Over-Ear Kopfhörer kommt in offener Bauweise daher. Die Ohrpolster sind äußerst bequem und gestatten stundenlange Hörsessions (Bild: Sennheiser)

Sennheiser HD 660S2

Seit wenigen Wochen erst ist Sennheisers HD 660S2 im Handel und wohl jetzt schon ein Klassiker. Zumindest optisch knüpft der HD 660S2 an das kultige Design von Kopfhörern dieses Fabrikats an. Die feinporige Gitterblende eröffnet Einblick auf die dahinterliegende Treiberkonstruktion. Außerdem dient dies der Belüftung des Magnetsystems zugunsten einer möglichst geringen Verzerrung.

Freilich disqualifiziert die wirklich offene Bauweise, aber auch die daraus resultierende Anfälligkeit für Umgebungsgeräusche den Kopfhörer von der Anwendung bei Wind und Wetter. Außerdem benötigt der Sennheiser HD 660S2 Kopfhörer mit seinen 300 Ohm Impedanz eine doch etwas kräftigere Vorverstärkung, was allein schon die meisten Smartphones als Zuspielgeräte aus dem Rennen wirft.

Aber auf dem hart umkämpften und schon lange von Wireless-Modellen dominierten Markt der Outdoor-Kopfhörer muss sich Sennheiser mit einem Flaggschiff-Modell der lang tradierten HD-Kollektion gar nicht umtreiben. Tatsächlich liegt das Zielpublikum eines solchen Modells viel mehr bei wirklich audiophilen HiFi-Enthusiasten und Musikproduzentinnen und -Produzenten.

Vorzeigbarer Frequenzumfang

Ebendiese werden sich auch sehr an dem äußerst vorzeigbaren Frequenzumfang des HD 660S2 erfreuen. Dieser reicht von infraschalltiefen 8 Hertz (Hz) bis hinauf auf 41500 Hz, was seinerseits wieder deutlich außerhalb des vom Menschen bewusst hörbaren Klangspektrums liegt. Alles bewerkstelligt von einem gerade mal 38 Millimeter messenden Treiber, der mit einer Empfindlichkeit von 104 Dezibel zu Werke geht.

Die überarbeitete Schwingspule aus Aluminium hat im Vergleich zum Vorgänger deutlich an Gewicht verloren, wodurch sie nicht nur impulsschneller aufspielen soll, sondern obendrein ihren Beitrag zum Tragekomfort leistet. Insgesamt bringt der Sennheiser HD 660S2 nämlich gerade mal 260 Gramm (g) auf die Waage, was sich vor allem bei längeren Hörsessions bezahlt machen dürfte.

Dass diese wohl kaum am Smartphone stattfinden wird, kommuniziert uns nicht nur die Nennimpedanz auf dem Datenblatt, sondern auch das vom Hersteller vorinstallierte Verbindungskabel. Das Werk in Tullamore, Irland verlässt der HD 660S2 mit einem 6,3 mm-Klinkenkabel, hübsch verpackt in einem schlichten Stoffbeutelchen. Freilich liefert der Hersteller hier auch einen Adapter auf kleine Klinke mit, möchte man es doch mal mit dem mobilen Zuspieler probieren. Doch sagt die Werkeinstellung ganz klar: Ich bin kein Spielzeug.

Sennheiser HD 660S2 Over-Ear Frequenzdiagramm
Blick aufs Frequenzdiagramm vom HD 660S2 im Vergleich zum Vorgängermodell HD 660S. (Bild: Sennheiser)

Betriebstest

Daher wollen wir unser Testmuster auch nicht als ein solches behandeln und testen den Sennheiser HD 660S2 mit dem Kopfhörerverstärker eines Focusrite Pro Audio-Interfaces.

Hierüber können wir feststellen, dass der neue Sennheiser Kopfhörer bereits eine Sinusschwingung von gerade mal 10 Hz in ein deutlich wahrnehmbares Signal umzuwandeln weiß. Dies liegt wohl nicht zuletzt daran, dass Sennheiser den Schalldruck im Frequenzkeller im Vergleich zum Vorgängermodell glatt verdoppelt hat.

Bei 13 Hz können wir sogar schon fast von einem hörbaren Ton sprechen, was sehr beeindruckt, wenn man bedenkt, dass die untere Hörschwelle eines ausgewachsenen Menschen normalerweise etwa zwischen 16 und 20 Hz liegt. Bei etwa 18 Hz definiert der Kopfhörer dann wirklich einen stabilen Subkontrabass. Am oberen Ende des hörbaren Spektrums bleibt das Signal bis etwa 17 kHz wahrnehmbar, wobei das wohl deutlich mehr über das Gehör unseres Testers aussagt als die Kompetenz des Testmusters.

Als nächstes führen wir uns die Aufnahme eines simplen Jazzdrum-Patterns zu Gemüte, das uns in einer Auflösung von 192 kHz vorliegt. Zunächst geben wir dieses jedoch in CD-Auflösung von 44,1 kHz aus, das reicht uns auf jeden Fall aus, um in Sachen Dynamik und Räumlichkeit zu überzeugen. Auch die spektrale Abstimmung des Sennheiser HD 660S2 ist bereits auf „bloßer“ CD-Qualität hervorragend. Die bauchig-tonale Kick Drum erklingt äußerst druckvoll, als hätte der Kopfhörer irgendwo einen kleinen Subwoofer als Komplizen versteckt.

Sowie wir die ausgegebene Auflösung dann hoch skalieren, beginnen auch Snare und Hi-Hat regelrecht zu schimmern! Die Transienten der Besenstriche über das Fell, sowie der sanft aufeinander schlagenden Becken zeichnet der HD 660S2 so kristallklar, wie wir es nur vom Moment der Aufnahme im Studio erinnern. Wir können förmlich die Luft zwischen den beiden Blechen entweichen hören, so naturalistisch übersetzt das Testmuster die Aufnahme.

Sennheiser HD 660S2 Over-Ear Explosionsgrafik
Die feinporige Gitterblende dient nicht nur der Belüftung des dahinter verborgenen 38 mm Treibers, sondern verhilft diesem auch noch zu seiner wirklich exorbitanten Raumdarstellung. (Bild: Sennheiser)

Neuer Sennheiser Kopfhörer zeigt sich detailverliebt

Als Kontrastmittel hören wir eine Aufnahme von Avo Pärts „Te Deum“ in Studio Master-Qualität. Das Stück für Kammerchor und Kammerorchester ist so reichhaltig an hauchzarten Texturen, dass es schon einen offenen Kopfhörer braucht, um allein der klingenden Architektur Raum zur Entfaltung zu geben.

Die fragilen Hallfahnen der Stimmen und Streicher beginnen im Sennheiser HD 660S2 beinahe zu atmen, vor allem die beeindruckende Tiefenstaffelung des Kopfhörers beginnt uns hier zu begeistern. Ganz klar vernehmbar steht der Chor deutlich hinter dem Orchester, was einen besonders faszinierenden Effekt erzielt, wenn die Bratschen die Stimme des Alts übernehmen. Der Klang, welcher sich im Timbre zunächst kaum merklich verändert, wird quasi an uns heran gesogen.

Auch „Mountains O’ Things“ von unserem aktuellen Album des Monats „Tracy Chapman“ von eben Tracy Chapman strotzt im Stream in Master-Qualität via Tidal HiFi Plus nur so vor Details. Die vielschichtige Rhythmusgruppe allein ist bereits so reich an verschiedenen Timbres und Texturen, dass man sich den Song am liebsten eine Stunde in Dauerschleife anhören möchte, um weiter und weiter hörend zu forschen. Auch die für die späten 1980er Jahre so markanten synthetischen Panflöten-Sounds kommen mit so einer Plastizität daher, dass man direkt die Wärme und Sättigung dieser Produktionsepoche in aktuellen Werken zu vermissen beginnt. Von Chapmans Stimme wollen wir gar nicht erst anfangen.

So gehört der Sennheiser HD 660S2 Kopfhörer zu den wenigen und von uns HiFi-Redakteuren stets so herzlich ersehnten Geräten, die es fast unmöglich machen, das Gehörte, die Magie des Klangs in schnöde Worte zu fassen. Bravissimo! ■ Text: Artur Evers

Sennheiser HD 660S2 Kopfhörer
Alternativ zur 6,3 mm-Klinke legt Sennheiser dem HD 660S2 auch einen 3,5 mm-Adapter bei. Mit diesem wird sich jedoch kaum ein Zuspielgerät finden lassen, dass die 300 Ohm Impedanz zu stemmen weiß. (Bild: Sennheiser)

HD 660S2 – Preis und Verfügbarkeit

Den Sennheiser HD 660S2 Over-Ear Kopfhörer gibt es zum Preis von 599 Euro (UVP) im Fachhandel oder direkt bei Sennheiser zu kaufen.

Webseite: www.sennheiser-hearing.com/de

▶ Lesen Sie hier: Test: Sennheiser IE 900 – Audiophiler In-Ear-Kopfhörer / Ohrhörer

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Fazit
Sennheiser braucht den HD 660S2 nicht, um seinen exzellenten Ruf zu zementieren. Doch die Welt braucht Kopfhörer wie den HD 660S2, Punkt! Dass konstruktions- und verarbeitungsseitig keine Mängel auszusprechen sind, ist selbstredend klar. Doch dass es einem beim Hören die Sprache verschlägt, ist selbst für erfahrene HiFi-Redakteure wie uns schlichtweg phänomenal!
Wiedergabequalität
99
Ausstattung/Verarbeitung
83
Benutzerfreundlichkeit
93
Preis/Leistung
90
Leserwertung43 Bewertungen
44
Vorteile
extrem gute Abstimmung
plastische Räumlichkeit
naturalistische Auflösung
Nachteile
keine
96
Gesamtergebnis

Bildquellen:

  • hd_660s2_frequenzdiagramm_final: Sennheiser
  • Sennheiser-HD-660S2-Bild-2: Sennheiser
  • Sennheiser HD 660S2 Test Review: Auerbach Verlag