Frühling- und Sommerzeit ist Kopfhörerzeit. Für uns darf es da auch ruhig etwas Besonderes sein. Wie wäre es zum Beispiel mit dem neuen GS3000X Flaggschiff von Grado Laboratories direkt aus New York?!
New York, New York
Handgefertigte Grado-Produkte aus dem Big Apple haben mindestens die Eigenschaft zu polarisieren. Entweder werden sie von einer treuen Fangemeinde ob ihrer Optik und des Klangbildes inbrünstig verehrt. Oder von anderen sogar regelrecht gemieden. Zugegeben, wer sich für einen dynamischen Kopfhörer wie den Grado GS3000x entscheidet, ist höchstwahrscheinlich ein audiophiler Überzeugungstäter. Zudem hat „made in USA“ seinen Preis. Aber verschaffen wir uns lieber selbst vorab einen Überblick.
Die Unternehmensgeschichte von Grado Laboratories ist nämlich recht beachtlich. Schon seit dem Jahr 1953 fertigt Grado in derselben Manufaktur in Brooklyn, New York. Der Familienbetrieb geht auf den Tüftler und Uhrmacher Joseph Grado zurück. Dem Erfinder des ersten Stereo Moving Coil-Tonabnehmers wohlgemerkt!
Sein Sohn und Nachfolger John Grado lenkte in den 1990er-Jahren den Fokus des Unternehmens hingegen verstärkt auf das Kopfhörer-Segment. Ein kluger und nachhaltig wirkender Schachzug, der die Entwicklung des legendären Grado SR325 Kopfhörers zur Folge haben sollte. Sein unverkennbares Design steht noch bis zum heutigen Tag Modell für alle neue Geräte aus den Grado Labs. Als Beispiel erwähnen wollen wir den Grado RS2e, den wir 2021 im Kombi-Test mit dem Lehmannaudio Drachenfels Kopfhörerverstärker mit 86,5 Prozentpunkten bewertet hatten.
Reduziert aufs Wesentliche
Machen wir uns ans Auspacken. Der Grado GS3000x High-End-Kopfhörer wird in einer weißen Kartonage geliefert, die trotz ihrer magnetischen Verschlussknöpfe ein wenig an die Verpackung unserer liebsten italienischen Hefeteigbackware erinnert. Die technischen Spezifikationen das Kopfhörers wurden praktischerweise gleich mit auf die Schachtel gedruckt.
Im Inneren der Kartonage befindet sich neben dem GS3000x Over-Ear-Kopfhörer, Glückwunsch- und Garantiekarten ansonsten nicht viel Zubehör. Weder Ersatzohrpolster oder Reinigungstools sind im Lieferumfang enthalten, respektive ein Transportcase. Das ehemals noch serienmäßige 4,5 Meter lange Verlängerungskabel fiel wohl Sparmaßnahmen zum Opfer.
Dafür gibt es einen wertigen 3,5 Millimeter Mini-Klinken-Adapter – na bitte! Als Standardausführung kommt der Grado GS3000x mit einem unsymmetrischen 6,3 mm Klinkenstecker und auf Wunsch ist der Over-Ear auch in einer symmetrischen 4-Pol XLR-Anschlussversion erhältlich.
Echtholz-Einsatz
Dass Grado Labs mit Echthölzern für seine Kopfhörerkammern arbeitet, dürfte eingefleischten Kopfhörerfans bekannt sein. Durch die individuelle Beschaffenheit der Hölzer ergibt sich naturgemäß ein differenziertes Resonanzverhalten. Durch jahrzehntelange Expertise ist es Grado nunmehr gelungen, die Charakteristik, respektive den jeweiligen Charme der verwendeten Hölzer einzufangen und auszunutzen.
Denn alle akustisch relevanten Komponenten werden je nach Material und Beschaffenheit individuell konfiguriert. So ergeben sich von Modell zu Modell durchaus Unterschiede in der Charakteristik des Klangbildes. Es lohnt sich daher immer, verschiedene Grado-Kopfhörer-Modelle beim Fachhändler des Vertrauens gegen zuhören. Wir sind uns sicher, der Händler freut sich über Ihren Besuch.
Imposante technische Neuerungen
Bemerkenswert am neuen GS3000x Kopfhörer, dem Flaggschiff aus der Statement-Serie von Grado, ist der erstmalige Einsatz von Aluminium am innenliegenden Teil der Treiberkammern. Das Außengehäuse besteht wiederum aus edlem und formschönen Cocobolo – auch Rosenholz genannt. Die akustisch einwandfreie Metall-Holz-Kombination begünstigt indessen eine besonders hohe Resonanzarmut.
Durch die innovative Bauweise wird der Konstruktion noch mehr Masse hinzugefügt. Die Kanalabweichung der Treiberpaare liegt übrigens bei hervorragenden 0,05 dB. Ein Wert, der ein hohes Maß an räumlichen Detailreichtum impliziert – was sich in unseren Hörtests nur bestätigt hat, ohne vorweg greifen zu wollen.
In Sachen Treibern gibt sich Grado wiederum recht spendabel. Mit den 52 Millimeter messenden Konusmembranen wurden für den GS3000x nichts weniger als die bisher größten Treiber der Firmengeschichte verbaut! Dementsprechend wurden die GS3000x mit einem noch leistungsfähigeren magnetischen Antrieb versehen als beim Vorgängermodell GS3000e.
Darüber hinaus wurden selbstverständlich alle klanglich relevanten Teile liebevoll überarbeitet. Von Hand versteht sich! Beispielsweise kommen die Schwingspulen mit einer geringeren effektiven Masse daher. Das verbessert nicht nur den Wirkungsgrad des Kopfhörers, sondern reduziert Verzerrungen und bewahrt laut Hersteller die harmonische Integrität der Musik. Analog dazu sind die Kunststoffmembranen für eine verbesserte Impulstreue besonders massearm ausgefallen.
Optik und Technik
Wie erwähnt verfolgt Grado ein kompromissloses Designkonzept, das sich bei allem Retrocharme zuallererst an klanglichen Notwendigkeiten orientiert. So zählt Cocobolo zum Beispiel auch zu den Hölzern mit hohem Allergierisiko. Hat dafür aber ausgezeichnete Resonanzeigenschaften und wird zudem gerne für den Bau von Holzblasinstrumenten, wie Flöten verwendet.
Ewiger Zankapfel bleiben wie immer die ausladenden – wenn auch ikonischen – Schaumstoff Ohrpolster. Die einen finden sie bisweilen lieblos, die anderen in Schnitt und Format etwas aus der Zeit gefallen. Wieder andere sagen, dass es nichts Besseres auf dem Planeten gibt. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass sie dem Tragekomfort eher zuträglich sind. „Form follows function“ wenn man so will. Am besten beim Fachhändler mal selbst aufsetzen – ist wieder unserer bescheidener Beitrag zu dieser Debatte.
Das neue Kopfband ist leicht gepolstert, das dunkle Leder mit weißen Nähten bestickt. Alles versprüht einen Charme von traditioneller Handarbeit. Als hafte dem Styler von der Eastcoast trotzdem eine ernstzunehmende Cowboyhaftigkeit an. Das Leichtgewicht von 380 Gramm wird unter dem Bügel jedenfalls optimal tradiert.
Über stundenlange Hörsessions – großer Ohrpolster und optimalen Anpressdruck sei Dank – hatten wir durchweg ein ausgesprochen angenehmes Tragegefühl. Auch wenn die GS3000x im Allgemeinen etwas ausladend ausfallen.
Apropos: Ist uns der GS3000e noch sehr gut mit 260 Gramm in Erinnerung. Fairerweise müssen wir dem jedoch hinzufügen, dass der Vorgänger auch noch kein hybrides Leichtmetall-Gehäuse besaß – vom bisher größten Treiber der Firmengeschichte einmal ganz zu schweigen.
Besagte Aluminiumgehäusekammern sind in US-amerikanischer Handarbeit fein säuberlich gefräst und präzise eingepasst worden. Die stylischen Cocobolo-Holzgehäuseverschalungen im Retro-Look machen den Grado GS3000e hingegen zum Must-Have Mode-Accessoire. Die Echtholz-Gehäuse wurden zudem farblich genau passend aufeinander abgestimmt und ebenso sorgfältig verarbeitet.
Das hochreine Kupferkabel mit dem unsymmetrischen 6,3 mm Klinkenstecker wirkt nach dem Grado-Allround-Upgrade ebenfalls deutlich hochwertiger – hier durch die neue Ummantelung des Kabels, das jedoch materialbedingt eine erhöhte Steifigkeit mit sich bringt.
Stationär versus mobil
Auf dem Papier gibt sich der GS3000x Kopfhörer von Grado Laboratories mit einem Wirkungsgrad von nahezu 100 dB/mW recht unkapriziös und allgemein verbindungsfreundlich. Theoretisch sollte mit diesen Werten auch ein mobiler Betrieb problemlos möglich sein – theoretisch wohlgemerkt. Doch der Hinweis unseres Chefredakteurs (Achtung: mit Kopfhörerverstärker betreiben) ließ uns aufhorchen.
Allerdings ist dieser Hinweis gemeinhin so richtig, wie universell. Soll heißen, es ist bisher noch kein Kopfhörer-Modell auf dem Markt, für das diese Aussage nicht ebenso zutreffend wäre. Denn aufgrund der oft unzureichenden Stromlieferfähigkeit der üblichen Kopfhörer-Ausgänge – gerade bei Digitalen Audio Playern – können dynamische Spitzenmodelle wie der GS3000x nur schwerlich zur Höchstform auflaufen.
Wir entscheiden uns also geflissentlich für ein stationäres Setup. Dafür bemühen wir den Phone-Amp 109 Kopfhörerverstärker von Lake People mit in die Signalkette, die bisher aus Grado GS3000x nebst CocktailAudio Streamer besteht. Der kompakte aus schwarz eloxiertem Aluminium bestehende G109-P wurde eben dafür entwickelt, höchstmögliche Übertragungsqualität für nieder-, mittel- und hochohmige Kopfhörer zu gewährleisten.
Ein besseres Einsatzgebiet als den GS3000x können wir uns daher kaum vorstellen. Natürlich lassen sich wohl noch bessere Klangergebnisse mit einen Röhren-Kopfhörerverstärker erzielen. Im Allgemeinen präsentiert sich das Klangbild eines Röhren-Verstärkers noch einen Tacken wärmer als das seiner Transistorkollegen. Auch im Bassbereich kann so noch mehr Spritzigkeit und Kontur herausgeholt werden, doch das nur am Rande.
Was folgte war ein Nachmittag voller musikalischer Wonne im verlagseigenen Testlabor an dem wir mit Van Halens „Van Halen“ die Grenzen des Gitarrenrocks ausloteten. Zu elegantem Modaljazz vom Miles Davis Quintett „Kind of Blue“ Füße und Seele baumeln ließen. Beschwingt und lässig zu einem DJ-Set von Moodymann aus dem Rex Club Paris aus dem Jahre 1995 groovten. Und uns schlussendlich in harter Kopfnickarbeit unter Anleitung von Mos Defs „Urban Thermodynamics“ übten – um nur ein Paar Perlen zu erwähnen. So wollen wir nun denn auch endlich ein paar Worte über die klanglichen Eigenschaften der Grado GS3000x verlieren.
Klangtest: Und doch ist es Liebe
Das Klangbild der Grado Laboratories GS3000x High End Kopfhörer wirkte durchweg tadellos hochauflösend. Bemerkenswert erschien uns vor allem die Fähigkeit, natürliche Räume zu kreieren und dabei die Instrumente lupenrein zu separieren.
Wo die Form noch Möglichkeit zur Diskussion hergibt, zeigen sich die GS3000x in Sachen Sound unumstößlich brillant und lassen derweil keine Wünsche offen. Vielmehr beeindruckte uns die Natürlichkeit der Kopfhörer, die mit dem Kopfhörerverstärker von Lake People herrlich schön zur Geltung kommt.
Preis und Verfügbarkeit
Die Grado GS3000x Kopfhörer sind im autorisierten HiFi Fachhandel erhältlich. Der Preis liegt bei 2.399 Euro (UVP). Vertrieb und Marketing für die Grado Kopfhörer läuft in Deutschland über High-Fidelity Studio aus Augsburg.
Ausstattung Grado GS3000x
| Allgemein | |||
| Geräteklasse | Kopfhörer | ||
| Hersteller | Grado Laboratories | ||
| Modell | GS3000x | ||
| Preis (UVP) | 2.399 Euro | ||
| Preiskategorie | Luxus | ||
| Gewicht | 380 g | ||
| Informationen | www.high-fidelity-studio.de | ||
| Technische Daten* | |||
| Arbeitsweise | passiv | ||
| Bauform | offen | ||
| Frequenzverlauf lt. Hersteller | 4 Hz – 51 kHz | ||
| Empfindlichkeit | Nennimpendanz 38 Ohm | ||
| Verbindung zu dem Kopfhörer | Kabel | ||
| Anschlüsse | 3,5 mm, 6,3 mm, XLR | ||
| Noise-Cancelling | nein | ||
| Ohrpolster | Schaumstoff | ||
*Herstellerangaben
Webseite: www.high-fidelity-studio.de/Grado // www.gradolabs.com
Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 05/2023
▶ Lesen Sie hier: Test: Grado RS2e Kopfhörer & Lehmannaudio Drachenfels Kopfhörerverstärker
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