Dr. Sound: Filter und ihre Bedeutung

Dr Sound Filter und ihre Bedeutung: Es gibt kaum eine Schaltung in der Audiotechnik, die ohne einen Filter, egal in welcher Bauform, auskommt. Alle Arten hier zu nennen und zu behandeln, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Damit ist eine Beschränkung auf einen praktischen Kurzüberblick für das allgemeine Verständnis am sinnvollsten.            

In den meisten Fällen finden Filter Anwendung zur Begrenzung von Übertragungsbandbreiten, so z. B. zur Unterdrückung von tieffrequenten Schwingungsanteilen. Am ande­ren Ende des Übertragungsbereiches einer Tonsignalstrecke werden sie zur Unterdrückung hochfrequenter Signalanteile, die Störungen in weiteren Baugruppen hervorrufen können, eingesetzt. Auch eine Lautsprecherfrequenzweiche bedient sich der Filter, genauso wie die meisten Verstärker in der Schaltungstechnik. Selbst in Netzteilen finden sie Anwendung. Einen sehr wichtigen Anteil haben diese Baugruppen auch als vorgeschaltetes Bauelement vor Analog-zu-Digital-Wandlern (A/D) oder in der Digital-zu-Analog-Wandlung (D/A). Hier wird klar, dass alle Geräte mit Filtern arbeiten und mit deren Auswirkungen zurechtkommen müssen.

Fachleute wissen, dass es verschiedene Ansätze für ein Filterdesign gibt und deshalb auch Mischformen existieren, die den einen oder anderen negativen Nebeneffekt kompensieren. Auf rein digitaler Ebene existieren Filter in Form von mathematischen Algorithmen, die besondere Eigenschaften zulassen, die mit herkömmlichen analogen Bauteilen kaum zu realisieren sind. Der schaltungstechnische Aufwand, den der Einmessvorgang eines AV-Receivers benötigt, ist daher heute nur über einen digitalen Signalprozessor (DSP*) realisierbar. Dieser Vorgang macht aber auch einen Anteil des Gesamtklangs aus, weil das angestrebte „linearphasige“ Verhalten ein dem Menschen in der Hör­erfahrung unbekannter Zustand ist.

Populäre Bedeutung

Ein Aspekt, der in der letzten Zeit immer mehr an Bedeutung erlangt, ist die Modellierung von Rekonstruktionsfiltern nach der D/A-Wandlung. Diese Filtermodelle nehmen mehr oder weniger starken Einfluss auf das Hörerlebnis. Die klanglichen Auswirkungen werden beschrieben mit warmem, weichem oder kaltem, glattem bzw. klarem Klang. Je nach musikalischem Ausgangsmaterial variieren die Ergebnisse jedoch deutlich. Markanter treten Effekte in der Abbildung der räumlichen Staffelung der Musik hervor. Aber auch hier ist das Erkennen von der Pegelstruktur der Musik abhängig, denn stark in der Dynamik eingeengte Musik eignet sich kaum, um Auswirkungen von optimierten Filterverläufen zu erkennen.

Physikalische Grundlagen

Ein Filter entspricht in der Theorie vereinfacht ausgedrückt einem Resonanzschwingkreis. Dieser besteht aus den elektrischen Bauteilen Spule, Kondensator und Widerstand und bildet je nach der Verschaltung einen Schwingkreis. Schwingen kann nur etwas, wenn es periodisch angeregt wird. Dazu eignet sich in der Elektrotechnik nur eine Wechselspannung, denn diese ändert –
im Gegensatz zu einer Gleichspannung, wie sie eine Batterie liefert – einfach gesagt mehrmals pro Sekunde (Frequenz in Hertz) ihre Polarität. Audiosignale bestehen aus einer Vielzahl sich überlagernder Wechselspannungen mit unterschiedlicher Frequenz. Die oben genannten elektrischen Bauteile haben einen elektrischen Widerstand, der für Gleichspannungen/Ströme anders ist als für Wechselspannungen/Ströme. Spule und Kondensator stellen also dem Wechselstromfluss beim Anlegen einer bestimmten Wechselspannung ein Hindernis entgegen; man spricht hier von deren Impedanz oder von einem Scheinwiderstand.

Ein Kondensator braucht eine gewisse Ladezeit, bis er wieder Ladung abgeben kann. Eine Spule kann je nach Konstruktion ein bestimmtes Frequenzspektrum hindurchlassen, bevor sie „hochohmig wird“ und den Signalfluss sperrt. So viel als grundlegende Erklärung. Es bedarf nun eines RC- oder LC-Gliedes, um den einfachsten Weg einer frequenzabhängigen Audiosignalfilterung zu beschreiten.

Bild 1: Eine Höhensperre (Tiefpass, Highcut). Bild 2: 1. Ordnung unterdrückt oberhalb der Einsatzfrequenz fg die weitere Übertragung im Frequenzbereich. Bild 3: Dabei tritt eine deutliche Änderung des Phasenverlaufes/Phasenganges bezogen auf die Einsatzfrequenz auf, was hier angezeigt ist

Werden mehrere dieser Bauteile miteinander verschaltet, entstehen Schwingkreise. Diese können aufgrund der Wechselwirkungen der frequenzabhängigen Impedanzen von Spulen und Kondensatoren bei einer bestimmen Frequenz einen stark verstärkenden (resonierend) oder stark abschwächenden (absorbierend) Effekt haben. Aus der Zusammenschaltung solcher Schwingkreise lassen sich die verschiedensten Arten von Anwendungen realisieren. Hinzu kommen Schaltungen, die kompensierend auf das Schwingungsverhalten wirken können. Techniker wissen, wie komplex es ist, mit Filtern zu arbeiten, schließlich müssen sie nicht nur mit den Übertragungs-, sondern auch den Dämpfungsfunktionen rechnen.

Bild 4: Eine Tiefensperre (Hochpass, Lowcut). Bild 5: 1. Ordnung unterdrückt unterhalb der Einsatzfrequenz fg eine weitere Übertragung im Frequenzbereich. Bild 6: Dabei tritt eine deutliche Änderung des Phasenverlaufes/Phasenganges bezogen auf die Einsatzfrequenz auf, was hier angezeigt ist

Phasenverlauf

Bild 7: Für den Überblick: Ein Bandpass lässt sich aus einer Tiefensperre und einer Höhensperre realisieren. Dabei wird idealerweise nur der Frequenzbereich zwischen den beiden Filtern hindurchgelassen. Auf eine Kompensation der Amplitudenaddition muss geachtet werden.
Bei einer Bandsperre wird im Gegensatz zum Bandpass der Frequenzbereich zwischen den Filtern bedämpft und die Signale mit höheren und tieferen Frequenzen werden hindurchgelassen

Der messtechnisch ermittelte Phasenverlauf eines Filters zeigt an, dass die Phasenverschiebung (ein physikalisch-elektrotechnischer Begriff für eine Änderung im Zeitbereich) im Durchlassbereich eines Filters 0 beträgt und im Sperrbereich für einen Tiefpass –90 Grad oder +90 Grad für einen Hochpass annehmen kann. Die Auswirkungen können hörbar sein, je nachdem, wie weit die Änderung des Phasenverlaufs in den Übertragungsbereich hineinreicht.

Die Bilder 8, 9 und 10 stammen von einem D/A-Wandler mit Standard-Digitalfilter.

Flankensteilheit

Der Filterfrequenzgang ist die Übertra­gungsfunktion, die ein Filter „hindurchlässt“.

Die Flankensteilheit oder die Ordnung eines Filters sagt aus, wie stark die Dämpfung eines Signals über einen bestimmten Frequenzbereich oder einer musikalischen Oktave erfolgt.

Resonanzen: Bei einigen Filterarten treten Resonanzen auf, besonders dann, wenn die Filter sehr stark in den Übertragungsbereich eingreifen. Sie werden dann häufig als „steilflankig“ bezeichnet. Dabei können dem Audiosignal hörbare Artefakte hinzugefügt werden. Nur mit einem hohen schaltungstechnischen Aufwand kann dem entgegengewirkt werden. Eine andere Lösung kann auf der digitalen Ebene mithilfe von mathematischen Funktionen herbeigeführt werden. Mit Prozessoren wie DSPs oder FPGAs (Field Programmable Gate Arrays) ist es möglich, nahezu perfekte Signalverläufe zu generieren. Der Preis dafür ist eine zeitliche Verzögerung des ausgegebenen Signals.

Gruppenlaufzeit

Wenn ein Audiosignal eine Schaltung wie beispielsweise bei einem komplexen Filter passiert, können ebenfalls für einzelne Frequenzen aufgrund von physikalischen Eigenschaften der Bauteile einzelne Verzögerungen gegenüber anderen Frequenzen des gleichen Signals entstehen. Das kann z. B. bedeuten, dass für die Frequenzen 101 Hertz (Hz), 102 Hz und 103 Hz, die hier eine Gruppe bilden, eine andere Laufzeit entsteht (Verzögerung), während sie die Schaltung durchlaufen. Dies erzeugt eine hörbare Beeinflussung des Audiosignals. Auch Filter können solche Gruppenlaufzeiten verändern, deutlich wird dies in den nebenstehenden Messgrafiken.

Links: Am oberen Ende des Frequenzganges erzeugt der „Stoppfilter“ starke Laufzeitabweichungen. Rechts: Am unteren Ende des Frequenzganges erzeugt ein Lowcut starke Laufzeitänderungen im Bass

Der digitale Weg mit analogem Klang?

Filter sind digital modellierbar. So gibt es Aktivlautsprecher mit digitalen DSP*-Frequenzweichen oder auch ganz aktuell D/A-Wandler, deren Ausgangssignale mithilfe von digitalen Rekonstruktionsfiltern von hochfrequenten Wandlungsartefakten befreit werden; häufig auch in Reihenschaltung mit analogen Filtern. Hier ist es interessant zu wissen, dass es bis vor wenigen Jahren gängige Praxis war, sich aufgrund der vorhandenen Wandlerchips mit einem Digitalfilter zu begnügen.

Standardfilter

Dieser Standardfilter wird in der Fachliteratur häufig als „Brickwall“ (Ziegelwand) bezeichnet. Er ermöglicht die lineare Übertragung des gewünschten Frequenzbereiches und hat einen linearen Phasenverlauf (Linear Phase). Der Theorie nach ist er klangneutral, was auch stimmt, solange keine besonders impulsfreudige Musik erklingt. Denn hier geschieht Folgendes: Der „Brickwall“-Digitalfilter kann seine Eigenschaften nur zeigen, indem er den Impulsen etwas hinzufügt. Er erzeugt sogenannte Vorschwinger und Nachschwinger für jeden Impuls. Ein Impuls ist z. B. das Anschlaggeräusch auf dem Fell einer Trommel, bevor ein Ton erklingt. Bildlich gesprochen haben wir einen kurzen, kaum hörbaren Trommelwirbel vor und nach dem Schlag. So etwas tritt in der Natur und im Konzert nicht auf. Da Musik aus vielen Impulsen besteht, kommt es also zu einer unendlichen Überlagerung von unhörbaren Trommelwirbeln und damit zur Verschlechterung der Durchhörbarkeit in den räumlichen Dimensionen der akustischen Bühne eines Musikstückes. Professionell betrachtet führt dies zu Unsauberkeiten in der zeitlichen Trennung der einzelnen Einschwingvorgänge und damit zu Irritationen im Gehirn des Rezipienten, der einen leicht verwaschenen Raumeindruck erlebt.

Lösung für korrekte Trennung – „Slow Roll-off“-Filter

Wie wird man nun wieder mit den unerwünschten Eigenschaften der Vor- und Nachschwinger fertig? Dafür gibt es verschiedene Lösungsansätze. Eine Möglichkeit: die Filterung mit geringsten Vor- und Nachschwingern für die Impulse zu realisieren. Ein „Slow Roll-off“ beginnt schon am oberen Ende des Durchlassbereiches mit leichter Dämpfung, was zum größten Teil nicht hörbar ist. Die Verbesserungen in der räumlichen Darstellung und die Lokalisationsschärfe sind deutlich besser als bei einem Standardfilter. Das „schwingungstechnisch“ korrektere Verhalten des Filters begünstigt die menschliche Wahrnehmung bei der Trennung vieler impulshafter Ereignisse. Ein kleiner Nachteil kann aber die leichte Rückspiegelung von sehr hochfrequenten Signalanteilen aus der D/A-Wandlung (Aliasing-Produkte) sein. Dieser Signalanteil ist jedoch unhörbar gering.

Keine Vorschwinger mit „Apodizing“-Filter

Ein weiterer Ansatz: Die Einsatzfrequenz des Sperrbereiches des Digitalfilters beginnt unterhalb der halben Abtastfrequenz. Somit sollen alle Vor- und Nachschwinger, die schon bei der digitalen Aufnahme entstanden und damit in der Aufnahme enthalten sind, entfernt werden. Um dieses Ziel mit einem steilflankigen Filter zu erreichen, werden gegenüber einem sonst üblichen linearen Phasenverlauf (Linear Phase) minimale Abweichungen im Phasenverlauf (Minimum Phase) in Kauf genommen. Im Ergebnis sind alle Vorschwinger verschwunden, auch die, die schon in der Aufnahme enthalten waren. Dafür steigt das Maß der Nachschwinger aber an, was ein in der Natur vollkommen natürlicher Vorgang ist. Unser Gehirn wird daher in der Lokalisierung von Ereignissen auf der akustischen Bühne weniger irritiert. Frühe Varianten von „Apodizing“-Filtern erzeugten manchmal aufgrund der stärkeren Nachschwinger einen etwas helleren Gesamtklang. Diese Filter werden mithilfe von DSPs oder FPGAs (Field Programmable Gate Arrays) auf der mathematischen Ebene modelliert und sind damit offen für weitere
Modifikationen.

Noch weniger Schwinger!

Mithilfe der mathematischen Filtermodellierung sind nun sehr viele herstellerspezifische Filter möglich. Viele orientieren sich an den bisher genannten und bilden aus ihnen neue Varianten, mit dem Ansatz, die Impulse so wenig wie möglich mit zusätzlichen Artefakten zu versehen. Ein Ansatz ist es, einen Digitalfilter zu modellieren, der minimale Abweichungen im Phasenverlauf (Minimum Phase) aufweist und dabei eine niedrigere Einsatzfrequenz des Sperrbereiches vorsieht, wobei die Dämpfung des Filters allmählich („Slow Roll-off“) und nicht abrupt zunimmt. Somit können Vor- und Nachschwinger sehr stark reduziert werden. Hersteller wie Ayre, Marantz, Rega oder T+A aus Herford nutzen diese umschaltbaren Digitalfiltermodelle, um dem Musikhörer selbst das Erlebnis der optimierten Wiedergabe ihrer digital gespeicherten Musik vorzuführen.

Bildquellen:

  • 1-3_Tiefpass: Bild: Auerbach Verlag
  • 7_Bandpass: Bild: Auerbach Verlag
  • 8-10_Phasenverlauf: Bild: Auerbach Verlag
  • Flankensteilheit: Bild: Auerbach Verlag
  • GroupDelay1+GroupDelay2: Bild: Auerbach Verlag
  • Standardfilter: Bild: Auerbach Verlag
  • Slow-Roll-of_Filter: Bild: Auerbach Verlag
  • Apodizing-Filter: Bild: Auerbach Verlag
  • weniger_Schwinger: Bild: Auerbach Verlag
  • einstieg: Bild: Auerbach Verlag