IFA 2017: Im Gespräch mit Dr. Tech. Petros Belimpasakis von Bang & Olufsen über BeoSound Shape

Im Gespräch mit Dr. Petros Belimpasakis, Head of Sound bei Bang & Olufsen, auf der IFA 2017

Herr Belimpasakis, was können wir von B&O auf der IFA an Neuheiten erwarten.

Zuerst natürlich einmal feiern wir die Premiere des neuen B&O TVs, dem BeoVision Eclipse. Das spannende daran ist, dass wir bei diesem Produkt mit LG zusammen arbeiten, wenn es um die Bildtechnologie geht. Das bedeutet, wir haben die aktuellste OLED-Technologie von LG und wir von Bang & Olufsen können uns darauf konzentrieren wirklich beeindruckenden Klang abzuliefern. Der BeoVision Eclipse ist nämlich zugleich ein vollumfängliches Soundsystem mit den aktuellsten Streamingdiensten wie AirPlay, Chromecast, Bluetooth, Multi-Room-Technologie und so weiter. Man könnte also fast sagen, es handelt sich um eine ausgewachsene Bang & Olufsen-Anlage mit einem fantastischem Bildschirm, das aber alles zusammen in einem Gerät. Das ist es, was wir hier auf der IFA als Premiere zeigen. Vor ein paar Wochen bereits haben wir den neuen High-End Lautsprecher BeoLab 50 angekündigt, den wir ebenfalls ausstellen. Um ehrlich zu sein, ist es das erste Mal, dass wir ihn öffentlich vorführen, also auch eine kleine Premiere. Der BeoLab 50 ist ein High-End Lautsprecher für Menschen, die eintauchen wollen in Klangwelten. Menschen, die die Zeit anhalten und abtauchen in die Klangerfahrung. Sie werden als Stereopaar angeboten, haben 2100 Watt pro Lautsprecher und sind jeweils mit 7 Tönern ausgestattet. Jeder Töner hat seinen eignen Verstärker, DSP und D/A-Wandler und so weiter.

Das klingt ja nach einem schwergewichtigem, massivem Gerät.

Ja, es ist ein sehr massives Gerät. Aber zur selben Zeit ist es ein sehr wohnliches Objekt. Unsere Intention war es einen Lautsprecher zu bauen, der sich schon allein von den verwendeten Materialien in die Umgebung einfügt. So verwenden wir zum Beispiel Aluminium, das die Umgebung reflektiert, wir verwenden sehr warmes Holz und natürlich Stoffe. Ein technisch interessanter Aspekt ist der Hochtöner in Form einer akustischen Linse. Er versteckt sich, wenn der Lautsprecher nicht benutzt wird. Nur bei Verwendung erscheint er. Er wird mechanisch nach außen gefahren und der Abstrahlwinkel lässt sich ebenfalls elektromechanisch verstellen. Ist man zum Beispiel alleine Zuhause und sitzt im Sessel, dann kann man den Hochtöner auf diese Situation einstellen und das Abstrahlverhalten verschmälern. Hat man aber Besuch oder hört gemeinschaftlich Musik, lässt sich der Tweeter auf Knopfdruck weiter öffnen, so dass alle Beteiligten in den höchsten Klanggenuss kommen. Und mit höchstem Genuss übertreiben wir nicht. Es handelt sich hierbei um einen sehr high-endigen Lautsprecher. Der Verkaufspreis liegt bei etwas mehr als 26.000 Euro. Um diese angemessen zu präsentieren, braucht es eine angemessene Umgebung. Deshalb haben wir dafür einen extra Vorführraum aufgebaut. Das sind im groben die aktuellsten Neuigkeiten, wenn wir von traditionellen High-End Stereosystemen sprechen.

Da gehört das BeoSound Shape wohl nich dazu.

Nein. Aber wir zeigen es natürlich auch hier. Die Vorstellung fand ja bereits früher dieses Jahr in Mailand auf dem „Salona di mobile“ der großen Möbelmesse statt. Diese Woche beginnt der Versand. Es ist ein System mit einem vollständig neuen Ansatz und Umgang mit Klang. Wir bei B&O glauben, dass man bei Sound nicht mit „one-size-fits-all“ weiterkommt. Es gibt viele Menschen die lieben es im Klang zu versinken und denen es ungemein wichtig ist, wie und wo sie Klang zelebrieren, man kann da schon fast von religiösen Ausmaßen sprechen. Aber es gibt eben auch die Menschen, die Musik in einer eher bequemen und ungezwungenen Atmosphäre konsumieren. Wenn man es genau nimmt, ist das BeoSound Shape-System für Menschen geschaffen, die eine Balance zwischen Technologie und Inneneinrichtung suchen. Wie man sehen kann besteht es aus sechseckigen Kacheln, die man in jede erdenkliche Form und Gestalt zusammensetzen kann. Und es sind nicht alles die gleichen. Manche sind Verstärker, manche sind Lautsprecher, manche sind akustische Absorber von der Art, wie man sie eher in Tonstudios finden würde. Sie schlucken störende Reflexionen im Raum. Man kann es sich aussuchen, wie viele Lautsprecher man haben möchte. In dem Setup hinter mir sind nur unter 12 Kacheln wirklich Lautsprecher.

Hinter den Kacheln verstecken sich die Lautsprecher, Verstärker oder Absorber

Bedeutet das auch, dass ein bestehendes System mitwachsen kann, sollte man zum Beispiel in eine größere Wohnung oder ein Haus umziehen?

Genau, es kann je nach Bedarf erweitert werden und wachsen. Und auch die Stoffe können ganz einfach getauscht werden, wenn man einen Tapetenwechsel braucht. Es ist ein einfaches Klicksystem. Und natürlich könnte man sie immer wieder neu umgestalten und umformen. Das Bedarf dann aber natürlich ein bisschen handwerkliches Geschick, wie man sich vielleicht vorstellen kann. Was die verwendeten Technologien angeht, so haben wir auch hier alle erdenklichen Streaming-Services verbaut, das ist also ein „no-brainer“. Was auch immer gebraucht wird, wir bieten das Format an. Das ist es was wir versuchen, ein breites Portfolio zu haben und die verschiedenen Kundenwünsche zu berücksichtigen. Das BeoSound Shape-Konzept sehen wir als eine spannende Basis um Technologie mit heimischer Umgebung zu verschmelzen. Nicht einfach verstecken, sonst könnten wir ja auch sagen In-Wall-Lautsprecher wäre die bessere Technologie. Wir möchten Technologie integrieren, aber eher als unaufdringlichen Teil des Lebens realisieren. Das macht es eher zu einer Art Möbel oder zu einem Kunstwerk. Und wir sehen auch das wachsende Bedürfnis der Menschen Teil dieses schöpferischen Prozesses zu werden. Das ist die Idee hinter dem Shape-Konzept. Die Garantie, dass es kein anderes Produkt auf dem Markt gibt, dass genau so aussieht wie deins. Denn du bist Teil der Entscheidungskette des wie groß oder klein soll es sein, welche Form soll es haben, welche Farben und so weiter.

Das bedeutet ich als Käufer oder Besitzer kann aktiv das Design des Gerätes bestimmen?

Richtig. Es beginnt genau genommen bereits vor dem Kauf auf einem Online-Portal wo die User konfigurieren und designen und ausprobieren und es sich anschauen können, bevor sie sich entscheiden. Und wir beobachten, dass die Menschen, speziell die jüngeren, die Miliennials, sehr interessiert an diesen Prozessen sind. Das ist auch der Grund warum Menschen sich dafür entscheiden Bier selber zu brauen. Sie wollen wissen wie es funktioniert. Sie kaufen Samen für Kräuter und pflanzen sie selber in der Küche an, nicht weil es billiger wäre, sondern weil sie verstehen und dabei sein wollen. Und diese Bewegung sehen wir als kommenden Trend in der Technologie-Branche. Wir können das auch bei Möbeln beobachten. Modulare Möbel waren früher eher qualitativ minderwertig, aber dank durch Technologie vereinfachte Produktionsprozesse sind nun auch High-End Möbel modular verfügbar. Und das Leben im Allgemeinen ist weniger förmlich geworden. Alles ist konstant in Bewegung und alles lässt sich ständig neu arrangieren. Die Zeiten wo man daheim ein festes Heimkinosystem hatte, sind vorbei. Jetzt hat man mehr freie Räume. Die Küche und das Wohnzimmer sind verschmolzen. Das BeoSound Shape-Konzept liefert die dafür benötigte Flexibilität.

High-End Technologie individualisiert und unaufdringlich verpackt

Woher kam die Idee? Wo beginnt man solch ein Produkt zu designen? Fängt es bei der Technik an, oder beginnt es mit dem Look & Feel?

Sie meinen den Entwicklungsprozess? Nun, das BeoSound Shape hatte einen sehr interessanten Entwicklungsprozess, weil es nicht der konventionelle Weg war. Nicht so, wie wir es für gewöhnlich machen würden. Kennen Sie den BeoPlay A9? Der A9 ist der runde Lautsprecher mit den Holzfüßen. Der Designer dieses Lautsprechers heißt Øivind Slaato Er zog in sein neues Design Studio in Kopenhagen. Das war vor vier oder fünf Jahren. Und noch bevor er einzog, bemerkte er, dass die Akustik des Raumes eine Katastrophe war, denn es war ein großer, offener Raum mit vielen glatten Wänden. Und er war erstaunt, ich meine natürlich kann man Absorber auch so kaufen, aber er war erstaunt, dass es kein Produkt gab, dass einerseits Klang wiedergeben, aber andererseits gleichzeitig auch die Akustik des Raumes verbessern konnte. Also kam er zu uns, da wir damals bereits mit ihm zusammenarbeitete und sagte: „Leute, ich glaube es gibt hier die Möglichkeit ein Produkt zu entwerfen, was Musik spielt, und gleichzeitig den Klang des Raumes verbessert.“ Klang kann schließlich Musik, aber auch ungewollter Krach sein. Und damit präsentierte er uns das grobe Konzept. Zum damaligen Zeitpunkt waren wir aber noch nicht in der Lage das sofort umzusetzen, denn auch wenn die Idee naheliegend und dennoch simpel klingt, so ist die Technologie dahinter hochkomplex, denn wir reden hier schließlich von einem Produkt, dass alles andere als von der Stange und statisch ist. Wir mussten bei der Entwicklung berücksichtigen, dass wir die finale Konfiguration erst kennen werden, wenn die Kacheln beim Kunden zuhause an der Wand hängen und das bringt allerlei technische Herausforderungen mit sich.

Welche zum Beispiel?

Zum Beispiel, dass wir mit einer Vielzahl von Verstärkern arbeiten. Das bedeutet, man bekommt zunehmend Probleme mit statischer Elektrizität, je mehr Verstärker man verwendet. Also muss man hart arbeiten um eine Möglichkeit zu finden Verstärker dynamisch zu verketten. In unserem Fall haben wir uns einer Technologie aus der Automotive Industrie bedient, die für gewöhnlich keine Verwendung in Consumer Electronics findet. Wissen Sie wie Autos produziert werden? Bei der Herstellung von Fahrzeugen weiß man zu beginn auch nicht, wie die finale Konfiguration aussehen wird. Der Verbraucher kann sich für oder gegen das CD-Laufwerk entscheiden, er kann eine Rückfahrkamera oder das Navigationssystem kaufen, oder aber auch nicht. In der Automobilbranche benutzt man dafür Technologien um Geräte dynamisch einzuklinken. Das haben wir auch beim BeoSound Shape benutzt. Aber es gibt auch noch andere Gesichtspunkte, wie beispielsweise Hitze oder thermische Aspekte. Die Verstärker heizen sich bekanntlich auf und in unserem Fall wissen wir bis zum Schluss nicht, wovon sie umgeben sein werden. Also muss man sich was einfallen lassen, um eine Art Schornsteineffekt zu produzieren. Aber das wichtigste ist natürlich das akustische Tuning, das Einmessen der Komponenten, denn am Schluss sollen sich die Kacheln schließlich wie ein Produkt anhören und nicht wie einzelne, individuelle Lautsprecher.

Die modularen Verstärker

Wie haben Sie das gelöst? Reden die Lautsprecher miteinander?

Das passiert bei der Einrichtung online. Für die von Ihnen persönlich ausgesuchte Form und Gestalt entwickeln wir bei B&O dann eine individuelle Installationsanleitung in der genau steht, dass dort ein Lautsprecher hinkommt und dort und dort und so weiter. Dann bekommt jedes System eine einzigartige ID und in der Cloud wird mit einem patentieren Algorithmus dann berechnet, welche Einstellungen und Tunings das System benötigt um sauber zu funktionieren. Das berechnete Ergebnis wird dann online ans BeoSound Shape übermittelt und die Information an die Verstärker weitergeleitet.

Das klingt sehr futuristisch. Welche Zukunftstechnologien stecken noch im BeoSound Shape?

Es gibt einige davon. Ein wirklich einzigartiges Konzept ist zum Beispiel die sogenannte „Band an der Wand“-Idee, welches auch ein Patent von uns ist. Ich weiß nicht wie fit sie in Akustik sind, aber bei traditionellen Stereolautsprechern mit Links und Rechts gibt es einen Sweet Spot. Man muss in der Mitte sitzen, wenn das Gehirn die nötige Information bekommen soll, dass der Sänger wirklich in der Mitte steht. Aber was passiert mit dem Sound, wenn man aufsteht und auf einen der Lautsprecher zuläuft? Das Gehirn konzentriert sich nur noch auf den näheren Lautsprecher und blendet das weiter entfernte Signal aus. Das ist Psychoakustik. Das bedeutet zum Beispiel, dass wenn ich mit Ihnen rede, sie nicht nur meine Stimme hören, sondern auch die Reflexionen des Raumes. Über Jahrmillionen haben sich unsere Gehirne durch Evolution dahin entwickelt die selben Signale, sollten sie zu dicht beieinander liegen, auszublenden. Wenn man im Freien ist und ein Echo vom Berg hört, dann darum, weil die Distanz zwischen den Signalen zu groß ist um ausgeblendet zu werden. Und weil das Gehirn identische Signale ausblendet, die sich überschneiden, springt der Sänger nach Links oder Rechts, sobald wir aus der Mitte eines Stereodreiecks rutschen. Beim BeoSound Shape machen wir das anders. Weil es sich hier genau genommen um ein Array von Lautsprechern handelt, nehmen wir das Stereosignal und erstellen einen Upmix, in dem die Stimme immer aus der Mitte der Anlage wiedergegeben wird und die Instrumente von den Seiten. Es ist also egal ob und wo man sich im Raum bewegt, der Sänger oder die Sängerin steht immer in der Mitte der Band.

Am Modell wird der Innenaufbau der Waben deutlich

Gibt es da einen versteckten Computer hinter der Wand, der das alles berechnet?

Nun, nicht hinter der Wand. Hinter einer der Kacheln versteckt sich die Kommunikationsschnittstelle und Engine, sie heißt BeoSound Core. Der Core ist das Gerät, welches im W-LAN hängt und die Funktechnologien beherbergt, wie Bluetooth, AirPlay, Chromecast und so weiter. Der Core ist so aufgebaut, dass man ihn öffnen und herausnehmen kann, denn das ist der Teil der Technologie, der schnelllebig ist und sich mit der Zeit verändert. Der BeoSound Shape bleibt dabei ein langlebiges Produkt, der voraussichtlich Jahrzehnte an der Wand sein wird. Dadurch halten wir uns offen, dass der Kunde, falls wir wider erwarten mal mit Software-Updates nicht weiterkommen sollten, die Möglichkeit hat auf eine spätere Hardware-Generation umzubauen. Im Grunde genommen ist der Core die Zentrale Schnittstelle auch zu den Verstärkern. Es gibt von ihm eine digitale Verbindung für digitalen Musikübertragung und zusätzlich noch eine USB-Verbindung über die in Reihenschaltung und Verkettung die Signale an die Wandler und Verstärker weitergeleitet werden. Es gibt also keinen extra Computer der hinter der Wand arbeitet. Das einzige Background-Processing findet während der Konfiguration in der Cloud statt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um massives Berechnen, aber es macht Sinn, denn somit ist die Konfiguration und Einrichtung direkt über die dazugehörige App zugänglich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview fand im Original in englischer Sprache statt und wurde danach übersetzt und für die bessere Lesbarkeit gekürzt.

Mehr Infos unter https://www.bang-olufsen.com/de/collection/wireless-speaker-systems/beosound-shape

Bildquellen:

  • Bang & Olfsen BeoSound Shape: Auerbach Verlag