HiFi For Future Audio Test Magazin Nachhaltig Musik Konsum

Serie: HiFi For Future – Wie nachhaltig ist Musikgenuss?

Zurück zur Übersicht

Strategien für ein neues HiFi – Herstellerstatements von Dynaudio, SoReal-Audio, Pro-Ject, Lyravox und WBT

Wir haben bei diversen Herstellern und Vertrieben nachgefragt, wie sie das Thema Nachhaltigkeit und HiFi zusammenbringen. 

Darüber hinaus wollten wir auch wissen, was die Branche tun kann, um auch in den nächsten 10 Jahren ein großes Publikum zu erreichen. Die Herausforderungen für die europäische HiFi-Welt könnten nicht größer sein. Wachsende Online-Konkurrenz aus Fernost, stagnierende bis fallende Verkaufszahlen, Marktsättigung, Disruption, politischer Druck und jede Menge Bürokratie. Und dann soll auf einmal auch noch alles Öko und Bio sein. Wie sehen Sie das?

Roland Hoffmann, Dynaudio

Es ist ehrlich gesagt nicht einfach, Lautsprecher und Verpackung zu 100 % umweltfreundlich und ressourcenschonend herzustellen. Aber keine Branche kann und darf sich dem entziehen. Ein ganzheitlicher Schritt auf der Marktseite wäre zunächst einmal, keine billigen Wegwerfanlagen und Low-Fi Gadgets zu kaufen. Hochwertige Möbel, hochwertige Uhren, hochwertige Lautsprecher halten viele Jahrzehnte und finden in ihrem Produktleben mehrere Besitzer. Dynaudio ist hier ein gutes Beispiel für Langlebigkeit, und daher fertigen wir selbst für 20, 30 Jahre alte Dynaudio Lautsprecher noch einzeln erhältliche Ersatz-Hochtöner, Mitteltöner und Tieftöner, um die Klassiker am Leben zu halten. Das nehmen unsere Kunden auch dankbar an, jeden Monat bereiten wir mehrere Klassiker auf. Auch abgesehen vom Umweltaspekt: Wir freuen uns einfach, wenn eine alte Confidence 5, Crafft oder Contour 1.3 SE weiterhin im Wohnzimmer spielt. Eine ebenso große Verantwortung liegt natürlich auf der Herstellerseite, und da hat Dynaudio mit seinem dänischen Firmensitz besonders hohe Maßstäbe. Aber man muss realistisch sein: Lautsprecher bestehen aus Holz, Holzfurnieren, Aluminium, Magneten, Elektronik, Kabel, und nach der Fertigung muss der Lautsprecher sicher und unbeschädigt aus Dänemark in die Welt transportiert werden. Ein Lautsprecher ist also per se nicht neutral (außer vielleicht klanglich). Deswegen ist die Langlebigkeit so wichtig. Aber selbstverständlich suchen wir stetig nach Verbesserungen im Herstellungsprozess.

Zwei Beispiele: Für unser Jubiläumsmodell Special Forty haben wir nach ganz besonderen Holzfurnieren gesucht. Leider sind die Furniermaserungen, die am faszinierendsten aussehen, oft von seltenen Bäumen oder haben nicht die nötigen Umweltzertifikate. Da mussten wir uns gegen zwei interessante Hölzer und statt dessen für die Umwelt entscheiden. Am Ende zeichnet sich die Special Forty durch ein so genanntes „man-made-veneer“ aus. Übrigens kein besonders gleichberechtigtes Wort, schließlich stellen ja nicht nur Männer Holzfurniere her, aber das ist ein anderes Thema. Der Unterschied zwischen „naturally grown“ und „man-made“ Furnieren ist, dass das erste aus naturgewachsenem Holz gefertigt wird, also aus einem kompletten Baumstamm geschält wird, und das zweite aus Mischholz, das nachträglich gefärbt und verarbeitet wird. Für dieses Mischholz kann einfacheres, schnell nachwachsendes Holz verwendet werden, auch Verschnitte und weniger ebenmäßiges Holz, und sogar ein bestimmter Anteil Recyclingholz. Die Färbung und Verarbeitung macht daraus trotzdem ein faszinierendes Furnier, wie man bei der Special Forty sieht.

Ein zweites Beispiel: Dynaudio hat mehr und mehr Aktivlautsprechermodelle, sowohl für Zuhause als auch in vielen Studios weltweit. Aufgrund der länderspezifischen Stromanschlüsse müssen leider diverse Stromkabel beiliegen, UK, USA, EU, China, Japan usw. Das bedeutet, dass der Kunde zuhause dann alle nicht verwendeten Kabel wegschmeißen muss, und zwar offiziell als Elektroschrott. Für die neuen Dynaudio Core und LYD Studiolautsprecher haben unsere Produktmanager daher eine clevere Kartonverpackung entworfen: Nach der Fertigung und Verpackung kann ein kleines Fach nachträglich geöffnet werden. Dort legen wird kurz vor dem Versand in das Land X nur das Stromkabel X bei, das vor Ort passt. Kleine Idee, große Vermeidung von überflüssigem Kabelmüll – in diesem Fall weit über 10 000 Stromkabel pro Jahr, die im wahren Wortsinn sonst in der Tonne landen.

Manchmal sind es auch ganz kleine Projekte, die zum Nachdenken anregen: 2012 hat uns ein Schüler in Niedersachsen angesprochen, der im Rahmen einer Projektwoche einen „umweltfreundlichen Lautsprecher“ realisieren wollte. Ein tolles Projekt, bei dem wir gemeinsam einen Dynaudio Focus Lautsprecher als Einzelstück nachgebaut haben. Mit einem Gehäuse aus schnell nachwachsendem Bambusholz, Dämmung aus Schafwolle und Bienenwachsplatten, natürlichem Leim, Bassreflex aus Recycling-Pappe, Innenverkabelung ohne PVC und Halogen… nichts davon würde übrigens bei einer Serienfertigung den EU Sicherheitsbestimmungen entsprechen, aber dennoch ein interessantes Projekt. Wir alle in der Branche müssen ehrlich sein: Wie bei jeden elektronischen Geräten gibt es im Bereich von Verstärkern, Lautsprechern, Playern und Kabeln noch sehr viel beim Thema Umweltfreundlichkeit zu tun.

Wie erwähnt hat Dänemark seit langem eine Vorreiterrolle in der Energieversorgung. Schon 1985 entstand ein Gesetz das die Nutzung von Kernenergie verbietet und erneuerbare Energien fördert. Seit 2010 wird 40% des Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt, 2020 wird 50% erreicht, bis 2050 sollen es 100% werden. Hiervon erfolgt der größte Teil der Stromerzeugung durch Windkraft in Dänemark, der zweitgrößte Teil durch Wasserkraftanlagen aus Norwegen. Im Juli 2015 gab es einen legendären sturmreichen Tag, an dem 100% des gesamten Strombedarfs Däne- marks durch Windenergie gedeckt wurde, aber das war natürlich Zufall und einfach wetterabhängig. Der Ort Skanderborg, Dynaudio’s Firmensitz mit insgesamt 300 Mitarbeitern, ist noch etwas „grüner“: In direkter Nachbarschaft zu Dynaudio liegt SKFJ, Skanderborg Fjernvarme, eine Anlage die aus Biomasse Energie erzeugt und damit 40% des Stroms erzeugt. Weitere 10% kommen von Windkraft- und Solaranlagen, der Rest von einer Kraftwärmeanlage in Aarhus, die seit 2017 auf Kohle verzichtet und auf Holzpellets und Stroh umgestellt hat.

Mehr Infos zu Dynaudio unter https://www.dynaudio.de/

Danyel Rondthaler, SoReal-Audio

Danyel Rondthaler, SoReal-Audio

Produkte wie unser Seismograph der für die Ewigkeit gemacht ist oder auch der DiDiT DAC den man per Softwareupdate wieder auf den neuesten Stand bringen kann: Wir setzten schon immer auf Qualität und damit auf Langlebigkeit, was automatisch bedeutet, dass wir Rohstoffe schonen, da wir keine Wegwerfprodukte im Programm haben. Auch unsere Modellreihen bleiben sehr lange bestehen, hier gibt es nicht alle 6 Monate ein neues Modell.

Mehr Infos zu SoReal Audio unter https://www.soreal-audio.de/

Pro-Ject Gründer Heinz Lichtenegger
@Roland Voraberger

Heinz Lichtenegger, Pro-Ject

Wir sind schon lange, lange auf dieser Schiene, aber leider interessiert das die große Menge der Kunden gar nicht. Wir waren die ersten, die nicht nach China gegangen sind und Wegwerfprodukte erzeugt haben, sondern eine europäische Handfertigung aufgebaut haben. Wir setzten als erste auf nachhaltig und geben 25 Jahre Ersatzteil-Garantie, so dass Sie Ersatzteile für eine ganze Generation bekommen und das Produkt eben nicht wegschmeissen müssen. Leider ist das bei vielen nicht wirksam, viel wirksamer ist „geiz ist geil“ und schnell was auf Amazon kaufen und dann wieder wegwerfen. Wir sind heute in einer Mono-Welt. 95 Prozent der Audio-Lautsprecher sind Mono, wie Soundbars, Streaming- oder Bluetooth-Lautsprecher. HiFi ist eine aussterbende Klasse. Wir kämpfen stark dagegen, sehen aber gegenüber der Power von Amazon und anderen internationalen Großherstellern die Plastik und Apps propagieren leider schlecht aus. Das Ganze wird Wahnsinn, wenn Ultra-High End dazu kommt, das kein normaler Mensch versteht, oder glauben Sie wirklich, dass ein Kabel für 10 000 Euro oder eine Endstufe für 30 000 Euro einen normalen, intelligenten Menschen begeistert?

Mehr Infos zu Pro-Ject unter https://www.project-audio.com/de/

Dr. Götz Martin von Laffert, Lyravox

Dr. Götz Martin von Laffert, Lyravox

Nachhaltigkeit passt gut zu uns. Wir bieten Produkte aus der Region, sie sind langlebig, hocheffizient im Stromverbrauch, die Integration aller Elemente in die Lautsprecher minimiert den Ressourceneinsatz. Die Lautsprecher sind upgradefahig, modular und eine Verpackung gibt es nur nach Bedarf. Manufakturen befinden sich in der Regel außerhalb der Wegwerfgesellschaft. High End wird nicht weggeworfen. Unsere Produkte sind nicht modisch gestaltet, sondern zeitlos. Bei der Ökobilanz ‚Streaming vs. Vinyl‘ geht es eher um ein Bildproblem. HiRes-Audio braucht nicht so viel Speicherplatz und Bandbreite, wie zum Beispiel Netflix und Co. Bedenklich finden wir, dass ständig neue Tonformate „erfunden“ werden, siehe MQA und so weiter, für die man jedes Mal neue Geräte braucht. Das führt zu einem Neukaufzwang und macht Verbraucher nervös, da durch den künstlich erzeugten Fortschritt der Spaß am Hören erstickt wird. Klang ist Kultur. Es geht nicht um den Konsum, sondern um eine bewusste Integration von Musik in den persönlichen Lifestyle. Die Zielgruppe des High End hat in der Regel beruflich und persönlich viel erreicht, es handelt sich um Menschen mit einem hohen Bewusstsein. Um eine neue Zielgruppe zu erreichen, müsste man eigentlich vor der Elbphilharmonie Handzettel verteilen, also dahin gehen, wo die Musik spielt. Bevormundung als Strategie funktioniert nicht, wir sehen HiFi eher als Missionierung. Eine Story allein genügt nicht. HiFi ist wie Parfüm, versuchen Sie mal aus 300 Düften den besten zu finden. Guter Klang ist für jeden Menschen ein anderer. Frauen wissen solche Sachen zu schätzen. Frauen können gut bewerten, weil sie sich nicht von technischen Details blenden lassen. Frauen sind der Schlüssel für eine neue Blütezeit des HiFi.

Mehr Infos zu Lyravox unter https://lyravox.com/

Wolfgang B. Thörner, WBT

Wolfgang B. Thörner, WBT

Uns ist ziemlich schnell klar geworden, dass dies ein sehr ausführliches Thema ist, nicht nur im Punkt der Nachhaltigkeit, und auch schnell dazu verleitet abzuschweifen. Über die Grenzen des HiFi hinaus bis hin zu seinem eigenen privaten Bereich. In einem Punkt waren wir uns allerdings sehr schnell einig, nämlich über die Zukunft unserer Branche. Eine HiFi-Branche wird es sicherlich immer geben, aber wie diese aussehen mag und welchen Veränderungen wir uns in Zukunft stellen müssen, dass wissen wir nicht. Und selbst für unseren kleinen Bereich der Audio-Steckverbinder können wir nicht sagen wie es weitergeht. Disruption ist sicherlich auch ein Punkt der uns zu denken gibt. Macht „wireless“ den Steckverbinder überflüssig? Wir sind nicht der Meinung, aber die Entwicklung des Marktes können wir, als „nur“ ein kleiner Hersteller, nicht beeinflussen. Ein weiteres Problem ist natürlich auch die Plagiatsituation. Nicht nur, dass viele Fake-Produkte in den Markt geschwemmt werden ist ein Problem, sondern auch der ungewisse Herstellungsprozess. Wir bei WBT sind in unserem Bereich stets bestrebt Prozesse, wie natürlich insbesondere die Umstellung unserer Vergoldung, auch in Hinsicht auf Umweltverträglichkeit, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit zu prüfen. Mit der WBT-PlasmaProtect-Fertigung sind wir einen riesen Schritt gegangen und weitere werden auch in Zukunft folgen. Aber bereits in den Jahren zuvor wurden unsere Produkte stets unter diesen Gesichtspunkten entwickelt. Mit dem bleifreien Lötzinn angefangen haben wir alle unsere nextgen Produkte so angepasst, dass man diese auch mit einem Flachsteckverbinder verbinden kann und somit ganz auf Lötzinn verzichten könnte. Bis hin zu nextgen! Mit dieser Entwicklung haben wir ja bereits die Welt der Steckverbinder auf den Kopf gestellt. Auch wenn es bei der Einführung der nextgen Serie immer mal wieder kritische Stimmen gab. Das nextgen-Prinzip basierte immer auf einer ressourcenschonenden Konzeption mit modernen Funktionswerkstoffen. Die hybride Konstruktion der Steckverbinder ist das Ergebnis umfangreicher Forschungs- und Entwicklungsarbeit in unserem Haus. Denn auch Made in Germany ist für uns nicht nur ein Zeichen für Qualität sondern gelebte Firmenkultur. Wir entwickeln, fertigen und produzieren unsere Produkte ausschließlich in Deutschland. Die wenigen Produktteile, die über die verlängerte Werkbank hergestellt werden, werden ebenfalls in Deutschland produziert. Den besten Steckverbinder am Markt zu entwickeln war in all den Jahren immer unser Credo. Doch dies hat uns nie davon abgehalten auch andere wichtige Punkte nicht aus den Augen zu verlieren.

Mehr Infos zu WBT unter https://www.wbt.de/

Weiter zu Folge 1: Wish und weg – Wie Plagiate aus Fernost den europäischen Markt unterwandern

Zurück zur Übersicht

Dieser Artikel erschien erstmalig in AUDIO TEST Ausgabe 2/2020.

Bildquellen:

  • IAG Lake: IAG
  • IAG Gardens: IAG
  • IAG Pools: IAG
  • Christain Stuhrmann, Focal Naim Deutschland: Bildrechte beim Autor
  • Einstiegsbild HiFi For Future: by Free To Use Sounds on Unsplash