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Serie: HiFi For Future – Wie nachhaltig ist Musikgenuss?

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Interview – Claudia Sommer, ehemalige Mitarbeiterin von Greenpeace Deutschland, Digitalisierungs-Expertin und Gesellschafterin von Audio Physic im Gespräch

Woran liegt es, dass eigentlich so attraktive Technik, so hochwertige Technologie, die uns total begeistert, berührt und abholt, dass sie so wenige junge Menschen erreicht. 

Wir haben im Rahmen unserer Serie “HiFi For Future” in Folge 3 unter anderem mit Claudia Sommer, neuer Gesellschafterin von Audio Physic, und ihres zeichens ehemalige Greenpeace-Mitarbeiterin und Digitalisierungs-Expertin und im Folgenden auch noch mal mit Simon Freethy, Inhaber und CEO von Cyrus Audio über Zukunft gesprochen.

Wie hat sich der Markt und die Wahrnehmung der HiFi-Technologie verändert. Warum konzentriert er sich eher auf gediegenes Publikum? Und wie müssen sich die Produkte verändern und wie muss sich der Markt gestalten, um auch wieder 20 oder 30-jährige zu erreichen? Da kommt man schnell auf die Frage: Wie tickt diese Generation, was sind deren Werte und was ist ihnen wichtig und da ist natürlich Nachhaltigkeit ein ganz großes Thema. Diese Werte werden von den Jüngeren auch recht offensichtlich demonstriert, wenn man zum Beispiel an Fridays for Future und Extinction Rebellion denkt. Erkennt das die Branche als Bedürfnis potentieller Kunden und reagiert sie darauf?

Claudia Sommer, Audio Physic

Claudia Sommer, Audio Physic

Wie können wir junge Menschen wieder für HiFi begeistern, Frau Sommer?

Es geht hier im Grunde genommen um zwei Themen. Die eine Frage ist, warum ist das Musikhören auf High End-Anlagen bei den jungen Leuten raus aus dem Mindset? Und das ist es, das muss man einfach mal so gnadenlos sagen. Meine These ist, man hat 10 Jahre nicht die richtigen Produkte gebracht. MP3 wurde ja leider auch von Anfang an belächelt, High End ist vom Klang halt immer ganz oben, MP3 ganz da unten. Man hat das Feld einfach den Boses und Amazons überlassen. Und viele kennen mittlerweile den Klang einer guten Anlage nicht mehr, weil sie mit MP3 und Beats-Kopfhörern groß geworden sind. Dass es besser geht und dass man sich das anhören kann, haben viele noch gar nicht erlebt. Das ist ein großes Problem für die Branche, das hat die Branche aber selbst zu verantworten, weil sie 10 Jahre nicht die richtigen Produkte auf den Markt gebracht hat. Aber ist ja klar. Streaming ist convenient. Jetzt kommen die ersten Geräte in allen Preissegmenten mit denen man anständig hören kann. Jetzt gibt es auch endlich mal Geräte für 600 Euro mit denen man alles streamen kann und die auch noch einen ordentlichen AB-Verstärker eingebaut haben. Das ist super, weil sich das auch noch junge Menschen leisten können. Viele Sachen im High End kann man sich natürlich erst leisten, wenn man mit 40 einen coolen Job hat. Die meisten Sachen kann man sich mit 20 einfach nicht leisten. Die Branche reagiert jetzt, aber es ist natürlich sehr schwer, junge Menschen wieder dafür zu begeistern. Wie muss sich die Branche neu aufstellen? Ich glaube, Nachhaltigkeit ist da ein großer Hebel bei einem 20- oder 25-jährigen, weil die überlegen schon: „Wenn ich mir jetzt so einen Bluetooth-Speaker kaufe, egal von wem, in zwei Jahren kaufe ich mir wieder einen neuen. Ist das nachhaltig?” Man sieht das auch ganz gut an den jungen Vinyl-Lovern. Viele wissen, bei Lautsprechern ist es so: Wenn ich mir einen guten kaufe, dann kann ich da locker 10, 15 oder 20 Jahre gut Spaß dran haben. Da kaufe ich nicht aller zwei Jahre einen neuen Speaker.

Würden Sie sagen die HiFi-Branche ist bereits nachhaltig?

Nein. Ich finde es auch immer wieder erstaunlich, was so bei vielen verbaut ist. Dinge, die sogar selbst bei Apple mittlerweile nicht mehr verbaut werden. Seltene Erden wie Beryllium zum Beispiel. Da würde Apple nicht mal auf die Idee kommen das überhaupt noch in seinen iPhones einzusetzen. Und im HiFi wird es nicht nur verbaut, sondern sogar als Marketing benutzt und mit Beryllium, Neodym-Magneten und ähnlichem geworben. Und das ist ein Problem. Nicht für zuhause, wenn der Lautsprecher da steht. Im verbauten Zustand stellt es keine Gesundheitsgefahr dar, aber irgendwann, wenn der Lautsprecher dann doch mal auf dem Elektroschrott landen sollte, ist die Chance recht groß, dass das dann nach Ghana verkauft wird und da sitzen dann kleine Kinder und kratzen dann da die Seltenen Erden raus. Und das ist definitiv nicht gesund. Müll ist halt leider auch ein Geschäft. Und in Deutschland popelt niemand händisch auseinander, was nicht maschinell sortiert werden kann. Das wird weiterverkauft. Vielen ist das nicht bewusst.

Das heißt: Die HiFi-Branche macht Werbung mit Materialien die erwiesenermaßen schon gar nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen?

Ja, selbst Firmen wie Sony würden das heute so nicht mehr entwickeln. Die wissen genau: Baut das nicht ein, sonst steigen euch NGOs aufs Dach! Deswegen finde ich es so erstaunlich, dass es im HiFi noch existiert. Bei Audio Physic bin ich da zum Glück offene Türen eingerannt. Man hat sich dort seit jeher langlebigen Produkten und exzellenter Qualität mit hoher Fertigungstiefe verschrieben. Es gibt natürlich immer noch Sachen die man besser machen kann, Plastik ist da ein großes Thema, besonders bei Verpackungen. Das braucht kein Mensch, das hat für mich auch mit Premium nichts zu tun. Inzwischen konnten wir den Verbrauch von Plastik bei Verpackungen um 90% senken. Strom ist auch so ein Thema. Ökostrom nutzen! Alle sagen immer es ist so teuer, aber das stimmt nicht. Es kostet vielleicht wenige Euro mehr im Monat echten, nachhaltigen Strom aus regenerativen Quellen zu nutzen, als konventionellen Strom. Es gibt viele kleine Dinge, die da zusammenkommen, wenn man nachhaltig sein möchte. Das Beste ist aber natürlich immer, ich kaufe kein Wegwerfprodukt, sondern ein langlebiges.

Im Kontext der Nachhaltigkeit, welche Strategien halten Sie für sinnvoller: Hauptsächlich online oder brauchen wir die Präsenz über den klassischen Fachhandel?

Das kommt auf die Produkte an. Viele Produkte muss man erst hören, das ist in der Regel selten etwas, was man einfach so online bestellt. Das erfährt man auch schnell, wenn man mal mit Händlern spricht. So bei 1000 Euro hört es oft auf, dass sich jemand etwas online bestellt. Es bestellt ja auch keiner ein Auto einfach so online für 20000 oder 30000 Euro. Man konfiguriert das vielleicht mal vor und schaut sich das in Ruhe an, aber man geht dann damit trotzdem meist noch zum Händler. Unsere Strategie ist auf jeden Fall ganz klar online die Leute abzuholen und sie dann, zum Beispiel im Rahmen eines Events, zum Fachhändler einzuladen. Es reicht nicht einfach eine Website zu haben und auf die Kunden zu warten. Man muss auch in Interaktion treten, den Kunden dort abholen, wo er oder auch sie ist.

Wie wird Musikhören in 10 Jahren aussehen? Wird HiFi noch eine Relevanz haben?

Ich glaube schon, dass es noch Relevanz haben wird, aber vermutlich nicht mehr in den unteren und mittleren Preissegmenten, sondern in den höheren. Das hat dann natürlich auch etwas mit Status zu tun. Man möchte auch, dass man es sieht. Das ist auch ein großer Punkt, warum Menschen so teure Anlagen kaufen. Dieses klassische Besitzen hat weniger Relevanz für junge Menschen. Das hat auch etwas mit Generationen zu tun. Für sie ist Musik immer und überall verfügbar.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr Infos zu Audio Physic unter https://www.audiophysic.com/de/

Weiter zu Folge 3: Strategien für ein neues HiFi – Herstellerstatement von Cyrus Audio

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Dieser Artikel erschien erstmalig in AUDIO TEST Ausgabe 4/2020.

Bildquellen:

  • Simon Freethy, Cyrus Audio: Cyrus Audio
  • Einstiegsbild HiFi For Future: by Free To Use Sounds on Unsplash