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Serie: HiFi For Future – Wie nachhaltig ist Musikgenuss?

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Nah am Kunden sein – Erfahrungen und Insights des Leipziger Fachhändlers Uni-HiFi zum Thema Nachhaltigkeit und Kundenbedürfnisse

Im Rahmen dieser Serie haben wir uns natürlich auch mit HiFi-Händlern unterhalten. Unter anderem mit Manfred Keim von Uni-HiFi aus Leipzig. 
Uni-HiFi Boxengasse

Wir nehmen prinzipiell alles aus dem Sortiment was keinen Spaß macht, dabei gibt es keine obere oder untere Preisgrenze. Nachhaltig bedeutet für uns in erster Linie: Es hält länger. Daher haben wir uns von Anfang an dem Billigtrend entzogen. Unsere Maxime lautet: Der Kunde muss grinsen. Und uns gibt es nun seit 30 Jahren, wir scheinen also nicht alles falsch gemacht zu haben. HiFi war schon immer vielfältig und wird noch immer vielfältiger. Die Angst, dass das Internet dem Fachhandel etwas wegnimmt, sollte man nicht haben.

Wir verzeichnen einen stetig wachsenden Zulauf an jungen Kunden, zumeist Studenten um die 20 bis 30 Jahre alt. Sie kommen mit der Erfahrung, dass der dritte günstige Kopfhörer aus dem Internet nun schon wieder kaputt ist und suchen nach etwas „ordentlichem“. Die Reihenfolge ist dann erfahrungsgemäß: Zuerst ins Fachgeschäft mit Beratung, dann versuchen viele mit dieser Erkenntnis im Internet ein Schnäppchen zu machen um dann festzustellen, dass es oft nicht so klappt, wie sie sich das vorstellen und am Ende landen sie wieder im Fachgeschäft. Da müssen wir nah am Kunden dran sein. Im Moment haben wir viele Reparaturanfragen, zum Beispiel alte, zeitlose Anlagen von Revox oder Braun. Wir versuchen Lust auf etwas Neues zu erzeugen über den Bogen der Dienstleistung.

Oft kommen auch junge Leute, die im Internet einen alten, gebrauchten Plattenspieler gekauft haben. Oft aus einer Zeit, wo es noch üblich war mit viel Plastikmechaniken Halb- oder Vollautomaten herzustellen. Sie wundern sich dann oft, wenn wir sagen: Das können wir schon reparieren, sogar mit Originalteilen aus den 80ern, aber da auch diese Originalteile dem Zahn der Zeit ausgesetzt sind, wird die Reparatur vermutlich nicht lange halten. Ein klassischer Fehlkauf, da die Reparatur den Wert des Produktes übersteigt.

Wir raten in solchen Fällen oft zu einfacheren, langlebigeren Modellen, die sowohl haltbare Materialien verwenden, als auch einfach konstruiert sind. Da hat man oft mehr von, wenn man sich zum Beispiel mal einen neuen, simplen Pro-Ject mit Riemenantrieb anschaut im Vergleich zu einem alten Plastikdreher aus den 70er oder 80ern. Die Geräte waren damals neu und gut. Heute können sie in vielerlei Hinsicht viele Kundenwünsche nicht mehr erfüllen. Viele kommen auch mit der Einstellung in den Laden: „Das kann ich doch nicht hören“ und sind dann überrascht, wenn man ihnen das Gegenteil zeigt.

Um die nächsten 10 Jahre als Fachhandel zu überleben, brauchen wir mehr Öffentlichkeitsarbeit, wie zum Beispiel die Mitteldeutschen HiFi-Tage in Leipzig, einen langen Atem, und müssen versuchen auch die Massenmedien von unseren Produkten zu überzeugen. Am einfachsten geht das über Musik aus dem Smartphone. Jeder macht das und die Bequemlichkeit des Streamings unterwegs hat tatsächlich viele wieder zum HiFi gebracht. Es gibt viele gute und wertige Kopfhörer mit niedriger Impedanz, die auch am Smartphone gut funktionieren und den Akku nicht aussaugen. Damit kann man die junge Generation abholen.

Uni-HiFi Leipzig: „Wir brauchen mehr modulare Technologien, wie zum Beispiel den NAD C368. Dann wird nicht immer gleich das komplette Produkt obsolet, wenn es eine Innovation gibt“

Darüber hinaus versuchen wir mit unserem Produktsortiment zumindest in Europa zu bleiben. Wir bieten Dynaudio aus Dänemark an, Blumenhofer aus Deutschland oder Focal aus Frankreich. Das hält die Wege kurz und schont die Umwelt. Es gibt mittlerweile sogar Kunden, die vegane Ansprüche an HiFi-Produkte haben. Denen fällt es natürlich schwer einen Kopfhörer mit Echtleder zu kaufen, auch das ist tatsächlich ein zunehmendes Thema.

Wir müssen auch Fragen beantworten können, wie viel Energie zur Herstellung eines Produktes nötig ist, wie lange ein Produktzyklus ist, also in welchem Verhältnis der Energieaufwand zur Herstellung steht, und auch wie viel Energie benötigt wird, um das Produkt zurückzuführen, also zu recyceln. Das wird immer wichtiger.

Wir müssen die Menschen aber auch dafür sensibilisieren Musik hören wieder mit mehr Ruhe anzugehen. Dafür brauchen wir Branchen übergreifende Kooperationen, nicht nur bei den Herstellern, auch bei den Verlagen und Verbänden. Für jedes Pärchen Damenstrumpfhosen gibt es da draußen Werbung, aber wo ist die HiFi-Werbung in der Breite?

Es wurde zum Beispiel viel Tam-tam um DAB+ gemacht. Überall im Radio wurde für die neue Technologie geworben. Dabei brauchen wir nicht nur die Aussage: „Kauft das jetzt“, sondern auch: „Wo kann ich das ausprobieren und wo wird mir geholfen.“

Darüber hinaus brauchen wir mehr modulare Technologien, wie zum Beispiel den NAD C368. Dann wird nicht immer gleich das komplette Produkt obsolet, wenn es eine Innovation gibt, sondern der Großteil bleibt erhalten und je nach Bedarf kann der Kunde dann zum Beispiel BluOS oder HDMI mit 4K nachrüsten oder updaten, wenn er möchte, ohne sich immer gleich ein komplett neues Gerät kaufen zu müssen.

Mehr Infos zu Uni-HiFi Leipzig unter https://www.uni-hifi.de/

Weiter zu Folge 2: Wertschätzung vorleben – Ideen und Gedanken zum nachhaltigen Umgang mit Mitarbeitern, Händlern und Kunden am Beispiel von IAG, Focal Naim Deutschland und Onkyo

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Dieser Artikel erschien erstmalig in AUDIO TEST Ausgabe 2/2020.

Bildquellen:

  • Uni-HiFi Leipzig: Uni-HiFi Leipzig
  • modulare Technologie, NAD: NAD
  • Einstiegsbild HiFi For Future: by Free To Use Sounds on Unsplash