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Serie: HiFi For Future – Wie nachhaltig ist Musikgenuss?

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Wish und weg – Wie Plagiate aus Fernost den europäischen Markt unterwandern

In Kooperation mit dem Mitteldeutschen Rundfunk haben wir China-Plagiate getestet. Das Ergebnis war mehr als ernüchternd. 

Dass China für seine günstigen Fälschungen bekannt ist, wissen viele. Dass die Fälschungen mittlerweile aber optisch kaum mehr von den Originalprodukten zu unterscheiden sind, nur wenige. Selbst für das geschulte Auge wird erst bei genauerem Hinsehen klar, dass es sich bei den vorliegenden Produkten um Plagiate aus Fernost handelt. Für den Laien bleiben sie kaum zu erkennen. Das wird zunehmend auch für die HiFi und Audio-Welt zu einem großen Problem. Denn während in den 90ern und frühen 2000er Jahren die Kopien noch auf Schwarzmärkten primär über Osteuropa ins Land kamen, was einigermaßen kontrollierbar war, gibt es mittlerweile Plattformen wie Wish.com, auf denen sich die Raubkopierer in Scharen tummeln. Die digitale Disruption, die den Zwischenhandel über Distributoren überspringt und den direkten Online-Kontakt von Endverbraucher zu Hersteller ermöglicht, ist für die einen Fluch und für die anderen Segen.

Dubiose Fakeprodukte überschwemmen den Onlinemarkt
Dubiose Fakeprodukte überschwemmen den Onlinemarkt

Zusammen mit der Redaktion des Magazins „Umschau“ des MDR waren wir online shoppen und haben uns angehört und angeschaut, was da ohne weitere Probleme durch den Zoll gekommen ist. Warum kann sowas überhaupt passieren, haben wir uns auch gefragt. Gibt es da keine Möglichkeiten politisch einzugreifen? Nun, es gäbe die Möglichkeit eines Rechtshilfeabkommens zwischen Deutschland, der EU und China. Dies würde eine einfachere Strafverfolgung ermöglichen, sodass geschädigte Unternehmen in Europa einfacher Anzeige in China erstatten können und die dortigen Polizei die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Deutschland unterstützt. Woran scheitert es? Oft ist sich die EU uneins im Umgang mit der Volksrepublik. Während die westlichen Mitgliedsstaaten einen härteren Umgang mit Peking größtenteils befürworten, sehen sich die östlichen Mitglieder in ihren Wirtschaftsgebahren mit China bedroht, denn die VR investiert im Rahmen ihrer Belt and Road Initiative, der neuen Seidenstraße, enorme Summen in den Ausbau von Infrastruktur und Wirtschaftsförderungen, auch in Osteuropa.

Würde die EU gebündelt einen härteren Kurs gegen China wählen, stünden diese Investitionen auf der Kippe. Davor haben viele Profiteure der Seidenstraße natürlich Angst und stellen sich quer. Eine einheitlichere Position der EU gegenüber China würde der hiesigen Wirtschaft dabei vermutlich viel besser stehen und die Abhängigkeit von ausländischen Investoren reduzieren. Doch dazu kommt es nicht. Zu groß sind die Konflikte und unterschiedlichen Interessen innerhalb unseres europäischen Marktes und der Wirtschaftsunion. Und so kommen sie einfach immer weiter und ohne große Konsequenzen nach Deutschland. Die Fakeproduke. Denn selbst wenn ein Unternehmen die Initiative ergreift und Anzeige erstattet oder dubiose Händler auf den Onlineplattformen meldet, löschen diese einfach ihr Profil und erstellen innerhalb kürzester Zeit mithilfe von gekauften Bewertungen ein neues. Das Spiel beginnt von vorn.

Oftmals gekaufte Bewertungen treffen auf Produktpiraterie: Links zum Beispiel Devialet, rechts Audio-Technica
Oftmals gekaufte Bewertungen treffen auf Produktpiraterie: Links zum Beispiel Devialet, rechts Audio-Technica

Ein beliebtes Beispiel: Gefälschte Apple AirPods, 2. Generation mit Wireless Charging Case. So sahen die Probanden jedenfalls aus. Was drin steckte, war jedoch etwas ganz anderes. Rein äußerlich war schon mal verwunderlich, dass die aufgedruckte Modellnummer nicht zur 2. sondern zur 1. Generation gehörte. Ein Fehler, den Apple vermutlich nicht machen würde. Klanglich war dann schnell klar: Das sind keine AirPods. Der Sound war hohl und sehr unausgewogen. Das Gewicht der Testkandidaten hat uns verraten: Hier wurde gespart. Andere Technik, vermutlich anderer Chip, kleinerer Akku. Die Kopfhörer ließen sich zwar genauso schnell und einfach verbinden, auf die Zusatzfeatures des Originals, wie Siri und Co musste man dann aber verzichten. Die Akkuleistung lag bei etwa 2/3 des Originals.

Die gefälschten AirPods sehen nahezu identisch aus, technisch sind sie es aber oft nicht
Die gefälschten AirPods sehen nahezu identisch aus, technisch sind sie es aber oft nicht

Kurzum: Außen hui, innen pfui. Mehr Schein als sein. Okay, der Preis von etwa 30 Dollar für die Fälschung im Vergleich zu 200 Euro für das Original ist natürlich eine Ansage, aber was ist mit Garantie, eingeschränktem Funktionsumfang, miserablem Sound, deutlich kürzerer Akkuleistung und evtl. fragwürdigen Herstellungsbedingungen? Von der fehlenden Steuer, Diebstahl geistigen Eigentums, Markenrecht und einem schlechten Gewissen mal ganz abgesehen. Darüber hinaus würden wir jederzeit Abstand nehmen von einem Produkt, das bei einem Defekt zwangsläufig irreparabel weggeschmissen werden muss. Ganz klar: Finger weg! Den MDR-Beitrag gibt es in der Mediathek unter https://bit.ly/38IKtwa

Weiter zu Folge 1: Nah am Kunden sein – Erfahrungen und Insights des Fachhändlers Uni-HiFi zum Thema Nachhaltigkeit und Kundenbedürfnisse

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Dieser Artikel erschien erstmalig in AUDIO TEST Ausgabe 2/2020.

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