Diese Platte sollte entscheidend für ihre Karriere werden. Als „Private Dancer“ vor ziemlich genau 40 Jahren am 29. Mai 1984 veröffentlicht wurde, hatte Tina Turner keinen leichten Stand in den Charts. Doch durch fremde Hilfe und mit viel Durchhaltevermögen wuchs sie mit diesem Album zu einer Pop-Ikone, deren Songs wir bis heute mitsingen können. Wir blicken zurück auf diesen Klassiker der Popkultur – unser Album des Monats.
Tina Turner – oder wie sie mit gebürtigen Namen heißt: Anna Mae Bullock – wurde am 26. November 1939 in Brownsville, Tennessee geboren und verstarb am 24. Mai 2023 in Küsnacht, Schweiz. Zu Beginn der 1980er Jahre – während die MTV-Generation gerade erwachte – galt sie als Relikt einer vergangenen Ära.
Obwohl ihre Musik und ihre legendären Live-Auftritte immer noch in Erinnerung waren – insbesondere ihre Arbeit mit ihrem Ex-Mann Ike Turner fand weiterhin großen Anklang – wurde sie eher als Interpretin von „Oldies“-Musik betrachtet. Die Presse zeigte ein größeres Interesse an den schockierenden Einzelheiten ihres jahrelangen Leidens unter Ike Turner als an ihrer Musik.
Nach der erschütternden Flucht aus ihrer brutalen Ehe im Jahr 1976 versuchte Tina, ihre Karriere wiederzubeleben, jedoch mit nur mäßigem Erfolg. Sie trat in Las Vegas auf, war regelmäßiger Gast in verschiedenen TV-Shows und tourte regelmäßig – jedoch ohne nennenswerten Erfolg in den Charts oder im Radio. Obwohl sie in ihrer Blütezeit in den 1960ern zu einer R&B- und Soul-Legende wurde, schienen diese Jahre längst vorbei zu sein.
Tina Turner: Never give up
Dank ihrer Zusammenarbeit mit Manager Roger Davies wuchs die Aufmerksamkeit um ihre Person. Er half dabei, ihren Live-Auftritt zu verfeinern und ihn von einer aufwendigen, Varieté-artigen Bühnenshow in ein schlankes, reduziertes Rock-Set zu verwandeln. Dies erwies sich als äußerst erfolgreich und Tina Turners Live-Auftritte sorgten für echte Furore. Davies buchte sie in wichtige Clubs wie das Ritz, wo Stars Schlange standen, um sie live zu sehen. Sie bekam sogar einige Auftritte als Voract für die Rolling Stones auf deren Tour zum Album „Tattoo You“ Anfang der Achtziger.
Trotz all dieser neuen Entwicklungen blieb ein Plattenvertrag für Tina Turner in weiter Ferne. Da brachte eine glückliche und zufällige Begegnung mit zwei New Wave-Künstlern aus Großbritannien schließlich den Wendepunkt, der zu Tina Turners spektakulärem Comeback-Album „Private Dancer“ führte. Martyn Ware und Ian Craig Marsh waren frühe Pioniere der elektronischen Musik und Gründungsmitglieder bei Human League.
Nach Differenzen mit dem Sänger Phil Oakey, verließen sie die Band im Jahr 1980. Das Duo bildete später den Kern von Heaven 17 und arbeitete bei verschiedenen anderen Projekten zusammen. Eines dieser Projekte war BEF (British Electronic Foundation), das eine Compilation mit dem Titel „Music of Quality and Distinction Volume One“ veröffentlichte, auf der verschiedene Künstler klassische R&B-Songs neu interpretierten.
Sie luden Tina Turner ein den Song „Ball of Confusion“ von The Temptations aufzunehmen und sie lieferte eine kraftvolle Gesangsleistung ab. Dies sollte sich als der entscheidende Moment für Tina Turners zweiten Karrierefrühling erweisen und zeigte ihr den Weg in die Moderne
Der Plattenvertrag
Der Erfolg von „Ball of Confusion“ weckte das Interesse von John Carter, einem A&R-Mitarbeiter von Capitol Records. Trotz starker Zweifel seitens der Führungsebene von Capitol unterzeichnete er einen Plattenvertrag mit Tina Turner. Während die Sängerin weiterhin auf Tour war, nahm sie gleichzeitig eine Vielzahl an Songs auf, auf der Suche nach der richtigen Single und dem passenden Material für ihr erstes Album bei Capitol Records.
Unter der Leitung von John Carter sang sie eine Reihe von Tracks ein, einschließlich eines mitreißenden Covers von „When I Was Young“ von The Animals, einer kraftvollen Interpretation von „Total Control“ von The Motels und dem Lied „Rock ’n Roll Widow“. Letzteres sollte als B-Seite von „What’s Love Got to Do With It“ veröffentlicht werden, während mehrere andere in dieser Zeit aufgenommene Songs in die später erschienene erweiterte Neuauflage des „Private Dancer“-Albums Ende der 1990er Jahre einfließen sollten.
Zusätzlich arbeitete sie mit Martyn Ware und Ian Craig Marsh an mehreren Cover-Versionen. Sie interpretierten Sam Cookes „A Change is Gonna Come“ und „Having a Party“, sowie zwei Songs von Al Green: „Take Me to the River“ und „Let’s Stay Together“. Tina Turners Aufnahme von „Let’s Stay Together“ mit Ware und Marsh war die Comeback-Single, auf die sie gewartet hatte. Der Song war eine langsam-groovende Melange aus New Wave, Disco und sinnlichem R&B, und Tina lieferte bereits beim ersten Take im Studio eine umwerfende Gesangsperformance ab.
„Let’s Stay Together“ wurde Ende 1983 in Großbritannien und im Januar 1984 in den USA als Single veröffentlicht. Der Track begann langsam in den Charts zu steigen und landete schließlich auf Platz 26 der Billboard Hot 100, Platz 3 der R&B-Charts und erreichte die Spitze der American Dance Charts. Es war ihr erster Hit in den USA seit „Nutbush City Limits“ seit über einem Jahrzehnt. Auch in Großbritannien schnitt der Song gut ab und erreichte Platz 6. Tina Turner war zurück!
Private Dancer
Als sie mit „Let’s Stay Together“ den Durchbruch schaffte und mit „What’s Love Got To Do With It“ am 1. Mai 1984 eine absolute Hitsingle veröffentlichte, waren Medien, Kritiker und Fans gleichermaßen auf ihrer Seite. Die Vielzahl an Hitmaterial auf „Private Dancer“ markierten den Beginn einer zweiten, weitaus erfolgreichen und nachhaltigeren Karriere für Tina Turner. Im Laufe der Jahre landete sie weitere große Hits und wurde zu einer unbestrittenen Musiklegende.
„Private Dancer“ besteht dabei aus verschiedenen Elementen: Coverversionen (u.a. von den Beatles oder David Bowie), Songs anderer Künstler und auch neues Material von verschiedenen Songwritern und Produzenten. Musikalisch ist das Album von einem Mix von Rock, R&B-, Pop- und New-Wave-Elementen gekennzeichnet.
Es hatte großartige Songs und eine talentierte Gruppe von Produzenten und Musikern vereint. Vor allem aber war es Tina selbst, die alles zusammenhielt und ein zusammenhängendes Album schuf. Ihre pure Präsenz, die Kraft ihrer Gesangsinterpretation und ihre überragende Ausdauer und Stärke prägen das Album bis heute.
Tina Turner: Mehr als die Erfolge
Tina Turner ist eine großartige Interpretin, aber keine Songwriterin. Sie ist immer auf die Hilfe anderer, die Arrangements, ihre Band und eine gute Songauswahl angewiesen. Auf „Private Dancer“ hatte sie das Glück, Unterstützung von Künstlern wie Jeff Beck, Mark Knopfler, Martyn Ware (Human League, Heaven 17) und Terry Britten zu erhalten. So lässt sich dieses Album als echter Glücksfall für ihre Solo-Karriere werten.
Obwohl ihre Stimme mit 44 Jahren nicht mehr so kraftvoll war wie in ihren jüngeren Jahren, wusste Tina Turner ihre kleinen Makel geschickt einzusetzen. Bei einigen Coversongs auf dem Album, wie Ann Peebles‘ „I Can’t Stand The Rain“ und Al Greens „Let’s Stay Together“, gelang es ihr, eine zeitgemäße und kraftvolle Neuinterpretation zu liefern. Auch „Steel Claw“ mit einem kraftvollen Gitarrensolo von Jeff Beck ist ein Höhepunkt des Albums.
„Better Be Good To Me“, das 1985 den Grammy für die beste weibliche Rock-Vokal-Performance gewann, wurde ebenfalls schnell zu einem Hit und war sogar in der Kultserie „Miami Vice“ zu hören.
Insgesamt wurde Tina Turner für dieses Album mit gleich vier Grammy Awards prämiert – es ist ihr erfolgreichstes Album und verschaffte ihr weltweit den Durchbruch als Solokünstlerin. Doch abgesehen all der Erfolge erzählt „Private Dancer“ auch die Geschichte einer selbstbewussten Frau auf der Suche nach Freiheit und Selbstbestimmung. So war Tina Turner schon vor 40 Jahren eine Inspiration und sie bleibt es auch bis heute. Danke dafür!

„Private Dancer“ Tracklist
- I Might Have Been Queen – 4:10
- What’s Love Got to Do with It – 3:49
- Show Some Respect – 3:18
- I Can’t Stand the Rain
- Private Dancer – 7:11
- Let’s Stay Together – 5:16
- Better Be Good to Me – 5:10
- Steel Claw – 3:48
- Help! – 4:30
- 1984 – 3:09
Erscheinungsdatum: 29. Mai 1984
Label: Capitol Records
Spielzeit: 44:02 Minuten
Formate: CD, LP, MC, Digital (Download / Stream)
Webseite: www.thetinaturner.com
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Bildquellen:
- Tina_Turner_Album_Monats: Peter Lindbergh / Warner Music Group