Echte Referenz-Regielautsprecher wie sie die Profis im Studio nutzten, bekommen wir auch nicht alle Tage zu Gehör. Und wenn es dann noch Aktiv-Boxen aus der legendären Audioschmiede ME Geithain sind, dann platzen wir förmlich vor Spannung und Vorfreude!
Mehr Klang geht nicht
Dieser Test ist ein persönlicher Wunsch von mir. Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle beim Händler Uni-Hifi aus Leipzig bedanken, die uns die ME Geithain RL 921K für einen ausführlichen Test dagelassen haben. Dagelassen? Ja, ich hatte das Vergnügen diese Lautsprecher kurz bei den Mitteldeutschen HiFi-Tagen 2023 zu hören und wollte sie unbedingt in der Retro-Ausgabe der AUDIO TEST wissen.

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Uni-Hifi ließ sie also bei uns im Verlagsgebäude stehen, holt sie aber bald wieder ab – leider. Doch warum bin ich so scharf auf den Test dieser Lautsprecher? Tatsächlich ist es so, dass ohne Lautsprecher aus Geithain die HiFi-Geschichte der DDR und tatsächlich auch der BRD nicht vorstellbar wäre. Klingt unglaublich? Ist aber wahr!
So entwickelte die VEB Musikelectronic Geithain (MEG), wie sie damals hieß, den HiFi-Lautsprecher BR 25. Das war 1985. Vom BR 25 wurden bis zur Wende im Jahr 1989 ca. 650.000 Stück produziert, aus Gründen von Produktionskapazitäten allerdings vom VEB Statron Fürstenwalde. 50 Prozent der gebauten Lautsprecher gingen in die BRD. Und tatsächlich ist der BR 25 damit einer der meistverkauften HiFi-Lautsprecher Gesamtdeutschlands.
Weiterhin entwickelte die VEB Musikelectronic Geithain 1984 den Rundfunk-Regielautsprecher RL 900. Diesen bauten die Sachsen aber selbst. Er kam in allen Rundfunk- und Fernsehanstalten der DDR zum Einsatz. Der RL 900 war damit die Referenz für jegliche Schallplatten- und Radioproduktionen des Landes, da darüber abgehört und abgemischt wurde. Er bestimmte faktisch den Klang des gesamten Staates.
Und das sogar über die Grenzen hinaus! Denn was viele nicht wissen: in den Studios des Funkhaus Nalepastraße, damals Ost-Berlin, nahmen vor der Maueröffnung viele Bands und Musiker des westlichen Auslandes auf. Damit exportierte die DDR den Geithain-Sound praktisch in die ganze Welt. Doch ich schweife ab. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, dann lesen Sie einfach meinen Artikel „HiFi in der DDR – Teil 2“.
ME Geithain RL 921K im Video-Test: Wer nicht lesen will, kann schauen…
Griffig und ungewöhnlich
Optisch erinnert die ME Geithain RL 921K ganz klar an die legendäre RL 900. Jene hat jedoch einen Schlitz an der Front und ist auch wesentlich schwerer und größer als die RL 921K. Diese wiegt 39,5 kg und misst 38 x 55 x 37 Zentimeter. Da ist es nicht so leicht, die Box allein auf den Ständer zu hieven. Glücklicherweise hat sie in der Seite integrierte Griffe, an der sie sich auch allein gut heben lässt.
Die Front erscheint natürlich aufgrund der Treiber-Anordnung ungewöhnlich. Wir finden zwar das aus der Branche bekannte Drei-Wege-System vor, aber es ist nicht wie üblich untereinander angeordnet. Der 10 Zentimeter messende Mitteltöner sitzt zusammen mit der 2,5 Zentimeter großen Hochtonkalotte auf einer Schallwand. Diese ist über dem Tieftontreiber befestigt. Damit ergibt sich eine koaxiale Anordnung, die ja für ein besonders präzises Abstrahlverhalten bekannt ist. Wie gut das ist, verrate ich gleich. Doch schauen wir erst noch auf die Rückseite.
Hier sehen wir die Kühlrippen des dreikanaligen MOSFET-Leistungsverstärkers mit elektronischer Frequenzweiche. Wir erinnern uns: wir haben es hier mit einem astreinen Studiolautsprecher zu tun und die sind in aller Regel aktiv. Das interne Verstärkermodul kann zu Servicezwecken ausgeschwenkt werden. Servicezwecke bedeutet, dass sich am ausgeschwenkten Modul ein Ortsanpassungsfilter als Modul befindet. Daran können wir den Bass und die Höhen einstellen, um den Lautsprecher ideal an den Standort anzupassen. Jedoch ist der Lautsprecher aufgrund seines Konstruktionsprinzips und Abstrahlverhaltens ohnehin sehr unempfindlich gegenüber der Raumakustik. Dazu gleich mehr.
Übrigens: Wer den RL 921K nutzen möchte, aber zu wenig Platz für den Lautsprecher in der Tiefe hat, kann auch den RL921K1 erwerben. Das ist der gleiche Speaker mit verkürzter Gehäusevariante, bei dem das Verstärkermodul ausgelagert ist.

Anschluss via XLR
Für den Anschluss stellt der RL 921K einen XLR-Eingang zur Verfügung. Das ist die übliche Studio-Schnittstelle und damit absolut ausreichend. Wollen Sie den Lautsprecher zu Hause nutzen und haben Sie keinen Zuspieler mit XLR-Ausgang, können Sie einfach ein Adapterkabel verwenden. Ich denke da an Cinch oder Klinke auf XLR. Dann ist die Übertragung zwar nicht mehr symmetrisch, doch das spielt im Wohnzimmereinsatz meistens eher eine untergeordnete Rolle.
Weiterhin gibt es auf der Rückseite den üblichen Kipp-Schalter für die Stromzufuhr. Zudem hat der Lautsprecher einen Regler für die Eingangsempfindlichkeit. Den verdrehe ich mit einem Schraubendreher auf 100 Prozent. Außerdem ist eine Schaumstofffläche zu sehen. Dahinter verbirgt sich der Ausgang des Bassnierengehäuses, welches der RL 921K nutzt.

Bassnierengehäuse?
Wie die Erfahrung immer wieder zeigt, hat der Raum, in dem ein Lautsprecher steht, einen immensen Einfluss auf dessen Klang. So ist etwa der Bassbereich ein großes Problem bei der Aufstellung von Lautsprechern. Normalerweise breiten sich die tiefen Frequenzen nämlich kugelförmig aus und werden dann von den Wänden reflektiert.
Das kann dazu führen, dass sich an der Hörposition, die direkt vom Lautsprecher abgestrahlten und von den Wänden reflektierenden Wellen gegenseitig auslöschen oder verstärken. Beides macht den Klangeindruck kaputt. Der RL 921K begegnet diesem Problem durch sein Bassnierengehäuse. Bass…, was?
Wer schon einmal etwas mit Mikrofonen und deren Richtcharakteristik zu tun hatte, kann sich jetzt sicher vorstellen, was damit gemeint ist. Hat ein Mikrofon die Richtcharakteristik mit der Bezeichnung Niere, wird der Schall direkt vor dem Mikro sehr gut aufgezeichnet. Schallquellen, die sehr weit seitlich stehen oder gar von hinten kommen, werden wesentlich leiser aufgenommen. Die Bassniere ist vergleichbar damit. Da die ME Geithain den Bass eben in Form der Niere ausstrahlen, und zwar im Bereich von 30 bis 250 Hz, werden Wandreflexionen minimiert. Die unschönen Auslöschungen können praktisch nicht stattfinden.
Allerdings sollten die Lautsprecher schon einen Mindestabstand von 20 Zentimetern zur Wand haben und nicht in der Ecke stehen. Ist das gegeben, macht der Bass an der Hörposition keine Probleme. Somit sind die Lautsprecher wirklich sehr unempfindlich gegenüber ihrem Aufstellungsort. Natürlich sollte das Stereodreieck beachtet werden. Der ideale Hörabstand liegt bei den RL 921K bei zwei bis drei Metern. Wobei ich sagen muss, dass ideal hier wirklich ideal ist. Selbst beim Herumlaufen in unserem Hörraum und dem Verweilen an Wänden und in Ecken, hören sich die ME Geithain RL 921K genial an. Sie sind also auch im „Hausgebrauch“ die perfekten Beschaller für ein im Raum verteiltes Auditorium.

Klangtest: Musik
Die Musik-Testsession starte ich mit einem Lieblingstitel unseres Testleiters Benjamin Mächler: „A New Error“ von Moderat. Die ersten fein gestrickten Synthi-Töne werden astrein dargestellt und ich denke mir: „Holla, das klingt ja jetzt schon verdammt gut.“ Dann setzt der Bass ein, der hier melodiebestimmend ist und sich deshalb sehr frontal aufbaut. Es folgt das reinste Wow-Erlebnis. Diese Kraft, die Klarheit und diese Präzision, die die Geithainer im Hörraum aufbauen, wie kann das angehen? Ich höre den wummernden, beeindruckenden Bass eindeutig frontal vor mir, aber dort steht kein Lautsprecher.
Allerdings spüre ich es doch, dort muss ein Lautsprecher stehen. Nein, es ist der Klangraum, den die RL 921K in den Hörraum meißeln. Ein Erlebnis, was ich in meinen gut 10 Jahren als HiFi-Tester und meinen über 40 Lebensjahren als Audiofreund, so tatsächlich noch nie hatte. Aber vielleicht ist es einfach der elektronische Titel, der den Lautsprechern aus Sachsen so zuspricht. Andere Songs sind eventuell weniger plastisch.
Also spiele ich den Jazzklassiker von Dave Brubeck „Take Five“. Den Song, den wohl jeder in- und auswendig kennt, der weiß, was Jazz ist. Hier drehe ich die Lautstärke am Zuspieler, einen CXN Streamer von Cambridge Audio per XLR angeschlossen, noch ein wenig höher. Sehr gut denke ich und merke, wie sich in meinem Kopf eine Band aufbaut: links das Schlagzeug, rechts das Piano und der Bass und in der Mitte noch das Saxophon. Ich meine sogar heraus zu hören, wie weit entfernt jeder Musiker von mir steht.
Dabei haben die ME Geithain RL 921K nicht nur plastischen, sondern total sauberen Klang. Wirklich die absoluten Feinheiten werden durch sie klanglich belebt. Das ist etwa bei „Der Feuervogel“ vom guten, alten Strawinsky der Fall. Ich höre meine Lieblingsaufnahme vom Detroit Symphony Orchestra, dirigiert von Antal Doráti. Tatsächlich sind zum bedrohlich klingenden Anfang des Stücks die Bewegungen der Bögen auf den Saiten zu hören. Und da: Es atmet jemand tief ein! Das leise Knacken der Stühle, das An- und Absetzen der Instrumente durch die Musiker – all das ist hörbar.
Und das Beste ist: Alles klingt nach echter Musik. Das ist keine individuelle Interpretation der Aufnahmen, wie es manch andere Lautsprecher machen würden. Das ist auch keine Analyse der Musik, wie es andere bekannte Lautsprecher-Hersteller angehen. Nein, das ist die pure Musik. Das ist die Musik, wie sie vor Ort in der Kirche St. Martin-in-the-Fields zum Zeitpunkt der Aufnahme klang.
Dieses Musikerlebnis geht so weit, dass ich an der ein oder anderen Stelle, wo eine Unfeinheit in der Aufnahme zu sein scheint, glaube, die Tür hinter mir geht auf. Sie macht nämlich das gleiche rumpelnde Geräusch, wenn sie geöffnet wird. Einfach unglaublich realitätsnah, ich kann mich nur immer wiederholen…

Klang: Film und Hörspiel
Da die Geithain-Lautsprecher jetzt schon eine derart fantastische Performance an den Tag gelegt haben: sprach ich schon vom wunderbaren, fulminanten, präzise ortbaren Bass? Ja, oder? Jedenfalls freu ich mich ein Kind zu Weihnachten auf einen Testlauf mit Filmton und Hörspielen. Ich wähle als Film eine deutsche Produktion. Diese sind ja – leider – bekannt für ihre schlecht verständlichen Schauspieler.
Ich verwende „Schlaf“ – eine Produktion des ZDF im Rahmen des „Kleinen Fernsehspiels“. Die Filme dieser Reihe sind praktisch immer Perlen. „Schlaf“ ist ein extrem kluger und sehr gelungener Horror-Thriller. Hier wir das Phänomen der epigenetischen Vererbung schwerer Traumata genial dargestellt. Der Ton trägt, wie es bei Thrillern ja häufig ist, viel zur Atmosphäre des Films bei. Und dieser Sound ist schlichtweg genial in Szene gesetzt. Sogar am Anfang, als Mutter und Tochter mehr nuscheln als reden, sind sie trotzdem sehr gut zu verstehen und die Geräuschkulisse ist plastisch, offen und klar bis in das letzte Detail.
Gut, dann ein Hörspiel. Meine Wahl fällt auf „Ich hörte vom Ende der Welt“ von Joseph Beutz. Das ist ein kluges Mystery-Hörspiel, was viel Platz für eigene Interpretationen lässt. Die NDR-Produktion ist akustisch perfekt in Szene gesetzt. Musik, Soundeffekte und Sprecher sind in einen dreidimensionalen Klangraum eingeflochten, den die RL 921K Aktivlautsprecher in bestmöglicher Art und Weise abbilden. Sitzen die beiden Mädels, die da sprechen, gerade vor mir? Sensationell! Möchten Sie sich tatsächlich einmal wie ein Regisseur im Tonstudio fühlen? Dann kommen Sie an den RL 921K nicht vorbei!
Preis und Verfügbarkeit
Die ME Geithain RL 921K Aktivlautsprecher sind für einen Paarpreis von 13.500 Euro (UVP) im Fachhandel erhältlich.
Datenblatt ME Geithain RL 921K
Allgemein | |||
Geräteklasse | Kompaktlautsprecher, Aktiv | ||
Hersteller | ME Geithain | ||
Modell | RL 921K | ||
Preis (UVP) | 13.500 Euro (Paar) | ||
Preiskategorie | Luxusklasse | ||
Maße (B/H/T) | 38 × 55 × 37 cm | ||
Gewicht | 39,5 kg | ||
Informationen | www.me-geithain.de | ||
Technische Daten* | |||
Arbeitsweise | aktiv | ||
Bauform | 3-Wege-Koaxiallautsprecher mit Bassnieregehäuse | ||
Frequenzverlauf | 30 Hz bis 20 kHz ± 3 dB | ||
Leistung | 180 W (Bass), 100 W (Mitten), 100 W (Hochton) | ||
Raumempfehlung | von 20 m² bis 35 m² | ||
individuelle Klangeinst. | ja | ||
Eingänge | 1 x XLR |
*Herstellerangaben
Webseite: www.me-geithain.de
Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 01/2024
▶ Lesen Sie hier: Test Klassiker: ME Geithain ME 25 – 2-Wege-Koaxial-Kompaktlautsprecher

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