Naim Nait 50 – Stereovollverstärker im Retro-Style

Test: Naim Nait 50 – Stereovollverstärker im Retro-Style

Naim gehört seit nunmehr 50 Jahren als feste Größe zum globalen HiFi-Geschäft. Als Geburtstagsgeschenk ehrt man daher einen Amp, der seinerzeit die Grundlage des großen Erfolgs der britischen HiFi-Schmiede bereitete. Nun im Test: der Naim Nait 50 Stereovollverstärker.

How to Amp

Julian Charles Prendergast Vereker wurde 1945 als Sohn einer recht gut situierten Oxforder Familie geboren. Sein Ur-Großvater John Vereker hielt den Adelstitel des 6. Viscount Gort und machte sich als hochrangiger Militär in den beiden großen Kriegen zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts um den Rang des Field Marschal verdient.

AUDIO TEST Nr. 01/24 mit Titel-
thema „Retro-HiFi“ (bestellen)

Entsprechend privilegiert und angesehen war die Familie Vereker in der Nachkriegszeit, was Julian Vereker jedoch nicht davon abhalten sollte, recht rebellische Züge zu entwickeln. Dennoch gereichte es dem jungen Julian zu einer ganz ansehnlichen Ausbildung, welche zunächst in einem Studium am Technical College in Liverpool und am College of Aero and Automobile Engineering in London kulminieren sollte.

Dort erhielt Vereker die Möglichkeit, sich seiner ersten großen Leidenschaft vollends hinzugeben: dem Motorsport. Er gründete die Firma Coburn Improvements und modifizierte einen Mini 850 S, mit welchem er über mehrere Saisons hinweg erfolgreich Rennen bestritt. Im Jahr 1967 nahm er an insgesamt 23 Rennen statt, von welchen er ganze 16 gewann und in den verbleibenden sieben einen Platz auf dem Treppchen erlangte.

Dieser Erfolg erwog ihn, seine Rennfahrerkarriere auf dem Zenit zu beenden und sich mit dem Erlös aus dem Verkauf seines Wagens seiner zweiten großen Leidenschaft zuzuwenden: der Audiotechnik. Zunächst widmete er sich dabei der Reproduktion von Tonaufnahmen auf 8-mm-Film. Unzufrieden mit den aufgrund des geringen Angebots hohen Materialpreisen erfand er bald eine Maschine, welche imstande war, bis zu knapp 2.000 Kilometer Band pro Jahr zu perforieren.

Naim Nait 50 – Stereovollverstärker im Retro-Style
Schlicht, unaufgeregt und vom unverkennbaren Chic der 1980er Jahre, der Naim Nait 50 Verstärker.

Pioniersmentalität

Etwa in dieser Zeit Ende der 1960er nahm er als Gefälligkeit die Live-Performance einer befreundeten Rockband auf und zeigte sich schnell erschüttert von der enttäuschenden Qualität des damals verfügbaren Equipments. Einer seinerzeit vorherrschenden Ansicht nach klangen ohnehin alle verfügbaren elektroakustischen Gerätschaften gleich. Gleich schlecht.

Vereker, der zwar die Einschätzung teilte, man könne mit verschiedener Elektronik kaum eine Gitarre von der anderen unterscheiden, glaubte jedoch fest daran, dass hier und da technische Variationen durchaus einen Unterschied machen könnten. So begann er, selbst auf die Suche zu gehen und experimentierte mit verschiedensten Bauteilkombinationen und Schaltungstopologien.

Sein zunächst größter Feind hieß dabei Verzerrung. Ein akustisches Phänomen, welches es in langen Monaten unermüdlichen Erfindergeists zu eliminieren galt. Der erste Verstärker mit dem Namen Naim Audio ging schließlich bereits 1971 über den Ladentisch.

Ikonisches Marketing

In nur wenigen Jahren hatte sich Vereker eine solch bestechende Expertise angearbeitet, dass er 1973 den großen Auftrag des Rundfunktunternehmens Capital Audio erhielt, 24 quasi Aktivlautsprecher für deren Betrieb zu fertigen. Die offizielle Gründung von Naim Audio war perfekt und man zog aus dem Hobbykeller in einen ansehnlichen Rennaissance-Bau im Stadtzentrum. Von nun an sollte es steil bergauf gehen.

Über ganz Großbritannien wuchs innerhalb kürzester Zeit ein dichtes Netzwerk unabhängiger Händler, denen man etwa die Vorstufe NAC 12 oder die NAP 2000 Endstufe förmlich aus den Händen riss. Dabei zeigt sich Mr. Vereker selbst von seiner wohl äußerst Britischen Seite und weiß in der Öffentlichkeit mit selbstironischem Marketing in Monty Python-Manier aufzufallen.

Schnell avancierte sich das Unternehmen zu einem der namenhaftesten HiFi-Hersteller der Insel und wurde sogar mit dem Queen’s Award, der höchsten Auszeichnung des Landes für Unternehmen, ausgezeichnet. Mittlerweile ist Naim stolzer Träger drei dieser Auszeichnungen und Julian Vereker, der leider im Jahr 2000 mit nur 54 einem Krebsleiden erlag, bekam „The Most Excellent Order of the British Empire” einen Ritterorden verliehen.

Naim verkauft sich mittlerweile weltweit und stellt seit 15 Jahren die Audio-Ausstattung der Luxus-Automarke Bentley her. Dieses Jahr feiert das Unternehmen sein fünfzigjähriges Bestehen und feiert diesen Anlass mit der Neuauflage eines echten Klassikers britischer HiFi-Kunst.

Naim Nait 50 – Neuauflage des Verstärker-Klassikers

1983 präsentierten Naim mit dem Nait 1 ihren ersten ausgewachsenen Stereovollverstärker, der ob seines ikonischen Designs und vor allem dank seines mehr als überzeugenden Sounds schnell zu einem wahren Publikumsliebling avancieren sollte. Zur großen Feier des fünfzigsten Jahrestages präsentiert Naim nun eine Neuauflage des Klassikers.

Der Naim Nait 50 ist eine authentisch gestaltete Retro-Inkarnation des Nait 1 und lässt rein äußerlich zunächst keine Rückschlüsse auf seinen mimetischen Charakter zu. Wie auch das Original kommt der Nait 50 in einem robusten Aluminium-Korpus von halber Rackbreite daher. Der unverkennbare 80er-Jahre-Chic ist überraschend gut gealtert.

Die gebürsteten Oberflächen in Silber und schwarz sind heute wie damals von ansprechender Eleganz. Die von Naim selbst als „Chrome Bumper Design“ bezeichnete Formensprache ist bereits vom Laut her ein würdigender Verweis auf die stilprägenden Stoßdämpfer diverser Prestige-Automobile der 1980er – ihrerzeit ebenfalls in Silber und schwarz gehalten.

Tatsächlich hat man sich beim Remaster des Nait 1 mit aller Strenge an die baulichen Vorgaben gehalten. Einem prominenten Drehregler von angenehmer Schwerfälligkeit für die Lautstärkeneinstellung werden vier haptisch ansprechende Druckknöpfe an die Seite gestellt. Diese lassen zwischen den drei Quellen um- und ein die Verstärkereinheit einschalten. Außerdem finden wir einen 6,35 mm Klinken-Ausgang für ein Paar Kopfhörer. Soweit so gut.

Naim Nait 50 – Stereovollverstärker im Retro-Style

Ganz der Alte

Aus heutiger Sicht etwas unkonventioneller – dafür jedoch auch konsequent – geht es an der Rückseite des Naim Nait 50 zu. Denn wie auch in den Achtzigern hat Naim dem Replika des Nait 1 als Anschlussformat neben dem handelsüblichen Cinch-Format der Phono-Vorstufe zwei fünfpolige Din-Stecker als Eingangsbuchsen spendiert. Diese sind gelabelt als Aux und Stream und ermöglichen die Verbindung einer jedweden Hochpegelquelle. Freilich mit entsprechender Adaptierung. Jedoch macht der Hersteller hier keinen Hehl darum, dass man auch gern in die Vollen gehen und nochmal die alten Kassettendecks und Bandmaschinen vom Dachboden holen darf.

Ausgangsseitig kommen nach wie vor gültige vollisolierte 4-mm-Buchsen für so genannte Bananenstecker zum Einsatz. Während die technische Ausstattung quasi die gleiche ist wie beim Nait 1, ist doch die Verarbeitung von zeitgemäßer Robustheit. Die größte Veränderung des Remasters ist wohl der Auto Standby-Modus, welcher den Nait 50 innerhalb von etwas weniger als 20 Minuten automatisch in einen Stromsparmodus versetzt, was den Verbrauch des Geräts auf weniger als 0,5 Watt reduziert.

Ein Kippschalter mit der Beschriftung „Instant on“ offeriert jedoch die Möglichkeit, eingangsspannungssensible Bauteile auf hab Acht zu belassen, sodass der Amp ohne weiteres Zutun aus dem Standby zurückkehrt, wenn Musik gespielt wird. Dafür wurde der Nait 50 Verstärker übrigens mit zwei diskreten Netzteilen versehen, zwischen je nach Betriebsmodus umgeschaltet wird.

Auch in der Schaltungstopologie hat man ein wenig Modernisierungsarbeit vorgenommen. Denn im Gegensatz zum Nait 1 operiert der Fünfziger als Class-AB-Verstärker mit einer Ausgangsleistung von 25 Watt pro Kanal. Diese ist damit also fast doppelt so hoch wie noch beim Nait 1 vor vierzig Jahren. Auch die Kopfhörerverstärkung wurde mit einer neuen Vorstufe versehen und agiert nun mit einem Gain von 16 dB. Hergestellt wird der Naim 50 übrigens, wie auch der Naim 1 damals, komplett in den Naim-Werkstätten in Salisbury, England.

Klangliche Stilikone

Um dem etwas nostalgischen Anspruch des Naim 50 vollends gerecht zu werden, haben wir uns für zwei ganz besondere Spielpartner entschieden. Zum einen den retrofuturistischen Tangential-Plattenspieler Revox B795 und die neuaufgelegte Standlautsprecher-Ikone Ergo GS Edition aus dem Hause Canton. Beide bekommen hier selbstverständlich auch ihre eigene Besprechung zugestanden. Wenn Sie einen der beiden anderen Texte bereits gelesen haben, werden Sie wissen, dass wir von dieser Aufstellung schlichtweg begeistert sind. Dennoch wollen wir freilich nochmal ins Detail gehen, wenn auch nur kurz.

Der große Partykracher dieser Session war Daft Punks „Random Access Memories“ zwar nicht historisch akkurat, aber es geht ja auch um die Brücke zwischen den Generationen. Und ein leicht nostalgisches Antlitz hat dieses Album schließlich auch. Als große Hommage an Disco und Funk. Nicht zuletzt der kunstvoll vertonte Monolog des italienischen Musikproduzenten Giorgio Moroder mit dem Titel „Giorgio by Moroder“ sei hier als Beleg angeführt.

Analogvergnügen

Jedenfalls haben wir alle drei 180 Gramm-Vinylschallplatten in einem rauschartigen Vergnügen weggeatmet, als wäre es ein einziges Stück. Jedes Mal wie aus einer Trance gerissen wendeten wir hastig die LP – denn das konnte der B795 leider noch nicht von allein. Dessen haarfeine Abtastung sowie die kompromisslose Performance der beiden Ergo GS finden sich in Naims Nait 50 kongenial, beinahe symbiotisch verbunden.

Der Amp von Naim spielt wunderbar lebendig auf und das mit einem schönen analogen Schliff, der jedoch keineswegs übergriffig ins Master eingreift. Vielmehr spricht der Verstärker eine klare physikalische Sprache: Wärme. Denn im HiFi ist Musik Signal. Und Signal ist elektrische Spannung. Und elektrische Spannung ist Wärme.

Besonders begeistern können wir uns für die dynamische Kompetenz des Naim Nait 50. Denn auch bei minimaler Schubkraft bleibt das Klangbild des Briten überaus nuanciert und lebendig.

Naim Nait 50 – Stereovollverstärker im Retro-Style
Von deutlich soliderer Verarbeitungsqualität, aber mit dennoch originalgetreuen Anschlussformaten kommt der Nait 50 im Vergleich zu seinem Vorbild daher. Gänzlich neu ist einzig das Auto-Standby.

Gelungene Wiederauferstehung

Details lassen sich auch bei geringem Pegel gut heraushören. Aber auch bei hoher Ausgangsleistung – und da reichen die 25 Watt pro Kanal übrigens locker – bleibt die Abbildung differenziert und feinteilig. Dieser Eindruck bleibt dabei auch über die Lektüre des Daft Punk-Albums bestehen.

Ob Talk Talk, Son Lux, die Berliner Philharmoniker oder Chet Baker: Der Naim Nait 50 klingt individuell, aber nicht übergriffig. Gerade beim letztgenannten transportiert der warme Sound des Amps nichts als den puren Sexappeal. Ein Sound zum Dahinschmelzen, der fast ein wenig den Eindruck zu vermitteln beginnt, dass sich so einige Gerätschaften des 21. Jahrhunderts vom Eigentlichen der Musik wegzubewegen scheinen: der Sinnlichkeit.

Denn was soll Nüchternheit und Originalität um jeden Preis, wenn ein wenig analoge Sättigung dem elektrischen Strom doch überhaupt erst Leben einhaucht?

Datenblatt Naim Nait 50 Verstärker

Allgemein
GeräteklasseStereovollverstärker
HerstellerNaim
ModellNait 50
Preis (UVP)2.999 Euro
PreiskategorieMittelklasse
Maße (B/H/T)
10,7 x 8,7 x 32,1 cm
Gewicht4,5 kg
Informationenwww.naimaudio.com
Technische Daten*
ArbeitsweiseTransistor
Bauform2 x 50 W
StromversorgungBetrieb: ca. 22 W
Stand-by: <0,5 W
AusgängeBananenstecker
Eingänge2 x 5-Pol, 1 x MM Phono

*Herstellerangaben

Webseite: www.naimaudio.com

Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 01/2024

▶ Lesen Sie hier: Naim SuperUniti (Verstärker/Streamer) – Der All-In-One Super-Player

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Fazit
Mit dem Naim Nait 50 hat das britische Traditionshaus einem echten Kult-Amp zu neuer Blüte verholfen. Der Verstärker versucht gar nicht, modernste Technik im Retrogewand zu verkaufen, sondern prahlt regelrecht mit der zeitlosen Kompetenz eines mittlerweile vierzig Jahre alten Stereovollverstärkers. Freilich hat Naim hier und da etwas an der Uhr gedreht, doch ist der Naim 50 mit seinem warmen, präzisen Sound insgesamt ein Lobgesang auf die Qualitäten des HiFi alter Schule.
Wiedergabequalität
95
Ausstattung/Verarbeitung
80
Benutzerfreundlichkeit
80
Preis/Leistung
90
Leserwertung0 Bewertungen
0
Vorteile
kompromisslose Originaltreue
warme, analoge Sättigung
Nachteile
keine
90
Gesamtergebnis