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Hintergrund: Unsere Wahrnehmung von Musik

Unsere Wahrnehmung von Musik: Was macht ein Geräusch zu einem angenehmen Ton? Frequenzen und ihre Geschichte. Was haben sie zu bedeuten?

Musik wird vom Instrument oder vom Lautsprecher durch Schallwellen im Medium Luft zu unserem Ohr hin übertragen. Dieser Satz schließt bereits aus, dass wir Musik auf dem Mond oder im luftleeren Weltraum hören könnten, wohl aber unter Wasser, denn die Übertragung der Schallwellen brauchen, ganz im Gegensatz zu elektromagnetischen Wellen wie z. B. das Licht, Materie, die zum Schwingen angeregt wird. Übrigens pflanzen sich Schallwellen auch in fester Materie fort, jene, die ausgelöst von einem Erdbeben oder einer Sprengung durch die Gesteine der Erde laufen, werden als seismische Wellen bezeichnet.

Das Trommelfell in unserer Ohrmuschel ist eine kleine Membrane, die durch die Wellenbewegungen in der Luft zum Schwingen angeregt wird, und sie überträgt diese Schwingungen dann auf mehrere filigrane Einzelteile des Innenohres, deren Funktionsbeschreibungen diesen Artikel sprengen würden, zumal der nächste Schritt, die Übertragung der mechanischen Schwingungen im Innenohr auf elektrochemische Impulse der Nervenzellen im Gehirn, die Wissenschaft der Neurologie tangiert.

Dennoch ist diese kurze Einleitung wichtig, um zu verstehen, dass unsere Ohren ein schwingungsfähiges System darstellen, ähnlich einem Seismometer zur Registrierung von Erdbebenwellen, und jedes schwingungsfähige System hat seinen begrenzten Frequenzumfang, innerhalb dessen es funktioniert, also Schwingungen „bemerkt“. Die Natur beschert uns diesbezüglich mit einer erstaunlich leistungsfähigen Sensorik. Unser Hören findet in einem breiten Frequenzband von ungefähr 20 bis 20 000 Hertz (Hz) statt. Allerdings gilt dies für junge Menschen. Mit zunehmendem Alter büßen wir u. a. durch Überbeanspruchung gerade am hochfrequenten Ende sehr viel von unserer Sensorik ein. Ein einziger unglücklicher Disco-Besuch oder ein ungeschützter Arbeitstag mit dem Presslufthammer kann die Obergrenze schon um den Faktor 10 zertrümmern.

Der Frequenzbereich eines Klaviers beträgt z. B. 27,5 bis 4 186 Hz. Bereits bei den höchsten Tönen haben viele Menschen Wahrnehmungsschwierigkeiten, und die dazu gehörigen Oberwellen (z. B. 8 372 Hz beim ganz hohen C) sind sogar für die Mehrzahl der Zuhörer nicht mehr hörbar. Beim analogen Telefon wurde lediglich das Frequenzband von 300 bis 3 400 Hz technisch übertragen, das reicht mehr als aus, um die Stimme samt Oberwellen seines Gegenübers eindeutig identifizieren zu können. Die Singstimme einer Sopranistin reicht in etwa bis 900 Hz, und die tiefsten Basstöne einer Männerstimme liegen bei ca. 80 Hz, aber wer spricht schon so tief am Telefon? Der Kampf der Hersteller von Hochtönern um das ultimative Produkt, wo unverzerrte Wiedergabefrequenzen bis zu 30 kHz angestrebt werden, führt also, mit Verlaub, ins Leere. Die Maßeinheit Hertz zu Ehren des deutschen Physikers Heinrich Hertz (1857-1897) bedeutet hier lediglich die Anzahl der Schwingungen in einer Sekunde. Oberhalb dieses für uns hörbaren Frequenzbandes schließt sich der Ultraschallbereich an, mit dessen Hilfe sich beispielsweise die Fledermäuse im Flug orientieren, und darunter liegen die tiefen Frequenzen des Infraschalls, das betrifft die Erdbebenwellen, manche Walgesänge, das Dröhnen von Vulkanausbrüchen oder Signaturen, die Atombomben als Infraschall in die Atmosphäre aussenden.

Was ist Musik?

Jeder weiß, dass Musik sehr viel mit Harmonie zu tun hat, wenngleich sich manche moderne Musiker dem auch gern mal widersetzen. Unser Ohr als schwingungsfähiges System hat mehrere Resonanzstellen, die intern stark aufschaukeln können, obwohl der anregende Ton von außen nicht einmal so energiereich ist. Diese Töne werden dann als sehr unangenehme Geräusche empfunden, die sich bis zum Schmerz steigern können. Musik empfinden wir immer dann, wenn die auftretenden Töne das Vielfache oder bestimmte Teiler definierter Grundfrequenzen sind. Das klingt kompliziert, ist es zum Teil auch. An dieser Stelle sollte auf die biophysikalischen Grundlagen der Musiktheorie verwiesen werden, aber soviel darf man hier schon mal anführen: Die Oktave des Kammertons A (440 Hz) ist das nächsthöhere A‘ mit der doppelten Frequenz von 880 Hz. Die Quinte über A ist E‘ und liegt mit 660 Hz in der Mitte zwischen beiden Tönen. Die Terz von A ist C‘ und drittelt das Frequenzintervall zwischen A und A‘. Die Aussage dieser vielleicht etwas verwirrenden Zeichen ist, dass unser musikalisches Harmonieempfinden sehr viel mit einer Musikmathematik zu tun hat. Johann Sebastian Bach z. B. gilt als ein Meister, der (reine) Mathematik in wunderbare Musik transformiert hat.

Bedeutung der Obertöne

Ein guter Geiger ist in der Lage, beispielsweise den Ton C so kunstvoll anzustreichen, dass nicht nur die darüber und darunter liegende Oktave, also das höhere und tiefere C mitklingen, sondern auch noch die Quinte (G) und die Terz (E) mit angeregt werden, sodass der Einzelton zum Akkord aufgewertet wird. Das Phänomen der Anregung von Ober- oder Unterwellen in schwingungsfähigen Systemen ist in der Physik bekannt. Ein gutes Beispiel ist das sogenannte Netzbrummen aufgrund des ca. 50 Hz Wechselstroms, den wir verwenden. In billigen elektronischen Schaltkreisen werden zugleich auch meistens die Oberwellen 100 Hz und 200 Hz sowie die Unterwelle 25 Hz mit angeregt, was sich bei der Darstellung der Spektren als scharfe (Stör-)Amplituden an diesen Frequenzstellen zeigt. Die Art und Weise, wie ein Instrument aufgrund seiner Bauart Obertöne erzeugt bzw. verstärkt, hat sehr viel mit dem typischen Klang eines Instruments zu tun. Um es etwas anders auszudrücken: Wenn wir einen einzelnen Ton hören, sind viele Menschen in der Lage, sehr schnell zu entscheiden, ob der Ton von einem Klavier, einer Geige, einer Trompete oder einer Gitarre kommt. Diese Informationen entnehmen wir den Obertönen und auch bestimmten Resonanzstellen des Instruments aufgrund seiner geometrischen und materiellen Bauart.

Der Kammerton A

Wenn eine Gruppe von Musikern mit unterschiedlichen Instrumenten gemeinsam musizieren möchte, müssen sie ihre Instrumente aufeinander abstimmen. Dazu einigen sie sich auf einen Ton, in der sogenannten Kammermusik war und ist dies in der Regel das A, das sich zunächst auf allen Instrumenten gleich anhören muss. Darauf aufbauend werden dann die anderen Saiten jedes einzelnen Instruments gemäß der spezifischen Techniken gestimmt. Das Wort „Kammer“ meinte früher die fürstlichen Privatgemächer, dort wurde oft gemeinsam musiziert. Parallel dazu hatten sich auch der „Kirchenton“, der „Chorton“, der „Cornettton“ oder der „Opernton“ entwickelt. Im Jahre 1939 einigten sich viele Länder auf den Standard-Kammerton (Normalstimmton) A mit der Schwingfrequenz 440 Hz. Entsprechend wurden auch die Stimmgabeln so konstruiert, dass sie einmal angeschlagen genau in dieser Frequenz eine Zeit lang schwingen. Indem man sie an den Resonanzkörper des Instruments andrückt, wird der Kammerton gut hörbar verstärkt.

Besondere Geräusche

Die bisherigen Erläuterungen machen es uns jetzt etwas einfacher, zu begreifen, was ein Geräusch eigentlich ist. Das Zerschellen eines Tellers auf dem Steinboden kümmert sich nicht um Harmonien, um stufenweise Beziehungen von Tönen oder Akkorden zueinander, die der speziellen Konstruktion unseres Innenohres wohlgefällig sind. Da die Splitter rein statistisch und chaotisch alle möglichen Größen und Formen annehmen können, ergeben sich auch Schwingungen in beliebigen Resonanzfrequenzen, der Physiker würde hier vielleicht von einem gleich verteilten Rauschspektrum sprechen. Die Frequenzunterschiede zwischen den einzelnen erzeugten Klängen entsprechen nicht Ganztonschritten und auch nicht Halbtonschritten, sondern beliebig kleinen Intervallen, die unser Ohr nicht als Musik, sondern eher als warnenden Schrei, Gebrüll oder Sirene wahrnimmt, was in unserer archaischen Entwicklung auch von Bedeutung war. Während sich also ein Ton, trotz seiner Obertöne und überlagerten Wellen, durch eine ständige Wiederholung der gleichen grundlegenden Wellenform auszeichnet, fehlt dem Geräusch weitgehend diese Periodizität, auf dem Oszilloskop würde sich eher ein stochastisches Amplitudengezappel abbilden. Betrachten wir dazu ein paar bekannte Geräusche im Einzelnen:

Die Autohupe

Es war auch mal modern, der Autohupe eine kleine, sich ständig wiederholende Melodiesequenz zu unterlegen. Aber im Normalfall handelt es sich um ein wenig breitbandiges Geräusch von beispielsweise 30 bis wenige hundert Hertz, in dem auch viele Zwischenfrequenzen mit ungefähr gleicher Amplitude vertreten sind. Beim Truck wird darauf geachtet, das Frequenzband mehr zu den langwelligen Schwingungen hin zu verlagern.

Die Sirene

In der Regel verwendet eine Sirene etwas höhere Frequenzen als eine Hupe, weil unser Ohr im Bereich um 1 000 bis 2 000 Hz empfindlicher ist. Da eine Sirene auf eine Gefahr, z. B. Feuergefahr, aufmerksam macht, soll der Klang möglichst auch noch in großer Entfernung wahrgenommen werden. Dieses Anliegen wird dadurch unterstützt, dass man den Ton nicht nur an- und abschwellen lässt, sondern die dominierende Frequenz regelmäßig zeitlich verändert. Auf diese Weise erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass beispielsweise auch ältere Menschen, die im hochfrequenten Bereich bereits taub sind, die Sirene dennoch erkennen können.

Das Flugzeug

In diesem Fall ist man eher bemüht, die starken Geräusche zu unterdrücken, weil auch die Geräuscherzeugung sehr viel Energie erfordert. Ein Flugzeug in elf  Kilometer Höhe hören wir wegen der Dämpfung der Geräusche auf ihrem langen Weg durch die Atmosphäre kaum noch. Aber für die Anwohner im Start- oder Landeanflugbereich eines Flughafens bedeutet der ständige Krach eine ernsthafte gesundheitliche Gefährdung, zumal das Dröhnen der Düsen einen recht breitbandigen Krach erzeugt. Die Geräusche reichen hier vom nicht hörbaren, aber fühlbaren, Infraschall bis fast in die Höhen des Ultraschalls. Da der menschliche Körper mehrere Resonanzstellen für Schallwellen aufweist, darf man hier getrost ein bedenkliches „Durchschütteln“ der Menschen beklagen.

Glassprung

Dies entspricht in etwa eines fallenden Tellers. Die Maximalamplituden des Klangs sind dann etwas zu den höheren Frequenzen hin verschoben, wenn es sich um ein kleines Objekt oder z. B. um einen Kristallaschenbecher mit sehr starken Krümmungen (fast rechtwinklig) handelt. Eine sehr große, wenig gekrümmte Obstschale dagegen erzeugt beim ersten Aufprall eher einen tiefen Klang, allerdings gefolgt von dem hochfrequenten Aufprasseln der vielen kleinen Scherben.

Luftballonknall

Hierbei handelt es sich um einen einmaligen Impuls. Der spontane Verlust des Überdrucks lässt die Ballonhülle im Bruchteil einer Sekunde zusammenstürzen, die Bewegung ist vergleichbar mit der zuckenden Bewegung einer Lautsprechermembrane. Der große Ballon knallt daher mit einem tieferen Ton als ein kleiner Ballon.

Weinglas

Ein beliebtes und wirkungsvolles Musikinstrument, da wir durch die Größe des Glases und auch mit der Befüllung des Glases dessen Schwingungseigenschaften exakt vorbestimmen können. Der Finger, der oben auf dem Rand entlang reibt, vollführt bei genauer Betrachtung eine Art Stotterbewegung zwischen Spannungsaufbau und Release, das geht alles sehr schnell, aber jedes einzelne kleine Vorrücken des Fingers ist immer wieder neu wie der Anschlag einer Glocke zu bewerten. Je nach Volumen des Glases entsteht eine tiefere oder höhere Eigenschwingung, die mit dem Grad der Befüllung sehr exakt nachjustiert werden kann. Allein mit acht Gläsern lässt sich so die Tonleiter einer ganzen Oktave herstellen.

Knarren eines Holzbrettes

Es hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Weinglas. Auch das Knarren wird durch eine Reibung ausgelöst. Das Holzbrett könnte z. B. auf einem schaukelnden Schiff als Planke aufliegen. Die ständigen Verlagerungen der mechanischen Spannungen entlang der Unterlagerung des Brettes „klopfen“ sehr schnell an dem Brett und regen es zu Eigenschwingungen einschließlich Oberschwingungen an. Auch hier bestimmt wieder die Geometrie die dominierenden Resonanzfrequenzen.

Das Rauschen des Windes

Das beste Beispiel ist diesbezüglich vielleicht die Eiche im Winter, die zu ihrem eigenen Schutz die völlig vertrockneten braunen Eichenblätter nicht abwirft. Im Wind wird jedes Einzelne dieser alten Blätter zum Zittern und Schwingen angeregt. Je nach dem, in welcher Richtung ein Blatt im Wind steht, erfolgt diese Anregung mehr oder weniger effektiv, und die Form und Größe des Blattes, der Grad, wie stark es eingerollt ist, bestimmen dessen vorherrschende Schwingfrequenz. Wenn der Wind dann noch (in Böen) seine Richtung und Stärke ändert, hat er jede Möglichkeit, mit den vielen verschiedenen Blättern geisterhafte, elegische Melodien zu singen.

Das tiefste Instrument

Das Alphorn ist sicher eines der tiefsten Musikinstrumente und zugleich ein Nationalsymbol der Schweiz, es gehört zur Gruppe der Blechblasinstrumente. Seine Länge und Bauart bestimmen seine Eigenfrequenz und damit auch alle erzeugbaren Ober- und Untertöne. Letztere können sogar schon in den Infraschallbereich hinein reichen.

Die unhörbare Hundepfeife

Hundeohren sind bei den hohen Frequenzen empfindlicher als das menschliche Gehör. Diese Tatsache wird bei Hundepfeifen dahin gehend ausgenutzt, dass Töne zwischen 16 und 22 kHz erzeugt werden mit dem Vorteil, dass der Hund sie noch gut wahrnehmen kann, aber andere Menschen im Umfeld nicht genervt werden. In Deutschland haben sich aber auch Pfeifen mit Frequenzen von 5 400 bis 12 800 Hz durchgesetzt.

Kann man Erdbeben hören?

Im sogenannten Erdbebenherd zerbrechen große Gesteinseinheiten, die auch verfaltet und verschoben werden. In gebührender Entfernung vom Vorgang des Geschehens wird ein Teil der Energie des Erdbebens zur Erzeugung seismischer Wellen verwendet. Das Spektrum der erzeugten Frequenzen ist breit, es reicht von weniger als 0,01 Hz (Wellenlängen größer als 100 Sekunden) bis weit über 100 Hz (was ja hörbar ist). Allerdings dämpfen die relativ weichen oberflächennahen Sedimentschichten gerade die hohen Frequenzen sehr effektiv, sodass bereits in ca. 20 km Entfernung die Signale am hochfrequenten Ende höchstens noch 20 Hz Schwingungen enthalten. Dennoch gibt es immer wieder glaubhafte Berichte über ein dumpfes Grollen, das mit einem Erdbeben einherging.

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