Bild: Auerbach Verlag

Hintergrund: Durch Raum und Zeit 1

Wie klingt ein Raum und vor allem warum klingt jeder Raum anders? Wie viel Zeit es braucht, um einen Raum wirklich einschätzen zu können und welche Rolle die Zeit dabei sonst noch spielt, lesen Sie hier.

Durch Raum und Zeit

Die Räume dieser Welt sind so individuell, wie die Menschen, die darin leben. Im Zusammenspiel von Lautsprechern und Räumen hört man die Lautsprecher durch den Raum gefiltert. Dadurch wird bei unbehandelten oder suboptimalen Räumen die Linearität eines Lautsprechers oft hinfällig. Räume können mit Leichtigkeit den Frequenzverlauf eines Lautsprechers um zehn Dezibel oder mehr verfärben. Mit diesem Wissen ausgestattet, ergibt sich oft eine ganz neue Perspektive auf das heimische HiFi-System. Wenn es um das Thema Musikgenuss geht, gibt es daher bestimmte Anforderungen, die man an einen Raum stellen sollte, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen. Um überhaupt erst einmal herauszufinden, woran man ist und worauf es ankommt, gibt es verschiedene Möglichkeiten, Räume besser kennen zu lernen und die Schwächen und Stärken aufzudecken. Einige Tipps und Tricks möchten wir hier vorstellen.

gravierende Unterschiede

Den akustischen Unterschied zwischen einer Kirche und einem Kino hat sicherlich jeder von uns schon gehört. Doch auch im Bereich Wohnzimmer gibt es gravierende Unterschiede abhängig von der Größe, dem Schnitt, den verbauten Materialien und der Einrichtung des Raumes. So kann ein eher puristisches und minimalistisches Refugium komplett anders klingen, als eine gemütlich gepolsterte Wohnbibliothek. Dabei unterscheidet und betrachtet man üblicherweise die drei verschiedenen Kriterien: Reflexion, Nachhallzeit und Resonanzen. Aus diesen Parametern setzt sich der Raumklang zusammen und je mehr wir darüber wissen, desto besser verstehen wir die Akustik unserer Räume. Daher beginnen wir unseren Workshop mit einem Crashkurs in Raumakustik. Trifft Schall auf eine hinreichend große, ebene Fläche, so wird er in demselben Winkel reflektiert, in dem er auf diese Fläche trifft. Es handelt sich nämlich genau wie bei Licht, auch bei Schall um eine Wellenform, daher gelten auch hier dieselben physikalischen Gesetze. Je nach Geometrie und Beschaffenheit des Materials, auf das diese Wellen treffen, kommt es bei einer Reflexion zu einer Anhebung des Pegels durch Druckstaueffekte und Überlagerung von Wellen. An glatten Flächen um drei Dezibel, an Kanten um plus sechs Dezibel und in Ecken sogar um bis zu neun Dezibel. Der Schall der von den umgebenden Wänden reflektiert wird, verfälscht also zu einem gewissen Grad den hoffentlich großartigen Sound unserer heimischen Anlage. Das beste Beispiel für ungewünschte Reflexionen – und bei jeder praktischen Demonstration auch immer wieder ein sehr beeindruckender Effekt – ist das so genannte Flatterecho, welches manchmal auch als Ping-Pong-Echo bezeichnet wird. Dieses Echo entsteht vor allem in kahlen und eher kleinen Räumen, in denen sich zwei oder mehrere Wände mit stark reflektierender Oberfläche parallel gegenüber stehen, Decken und Fußböden mit eingeschlossen. Also in so gut wie allen klassischen Wohnräumen. Vor allem die Interieur-Minimalisten haben damit zu kämpfen. Wenn sie herausfinden wollen, ob ihr Raum vom Flatterfieber befallen ist, stellen sie sich doch einfach mal in die Mitte des Raumes und klatschen sie einmal kurz laut in die Hände. Dadurch entsteht ein Impuls, der von der einen Wand immer wieder zur anderen reflektiert wird, bis er schließlich seine Energie verloren hat und ausklingt. Probieren sie ruhig auch andere Räume der Wohnung oder des Hauses. Vor allem Bäder sind ein prädestinierter Ort für dieses Spektakel. Wenn sie einmal ein Flatterecho gehört haben, werden sie diesen Klang nie wieder vergessen, versprochen. Geflattert wird in den hohen und mittleren Frequenzen des Schalls. Das Flatterecho ist dabei aber bitte nicht mit dem Nachhall eines Raumes zu verwechseln. Dieser entsteht in jedem normalen Raum und erstreckt sich über das gesamte Frequenzspektrum. Nur nicht in schalltoten Räumen, die hauptsächlich zu Messzwecken gebaut werden. Da wir aber alle nicht in schalltoten Messräumen leben (müssen), werden wir uns mit einer spezifischen Nachhallzeit eines jeden Raumes anfreunden.

Hall dosieren

Und glauben sie uns, in einem schalltoten Raum möchte man auch nicht wohnen, selbst wenn die Stereoanlage darin noch so perfekt klänge. Es fehlt dem Menschen dann nämlich jede akustische Orientierung und man hört die ganze Zeit absolut nichts von der Umwelt, außer dem eigenen Herzschlag. Nachhall ist also etwas Natürliches und bis zu einem gewissen Grad auch angenehm. Wohldosiert sollte er sein, so wie alles im Leben. Die Ermittlung der RT60, so nennt man die Nachhallzeit üblicherweise, erfolgt ähnlich wie die eines Flatterechos, durch Impulse. RT60 heißt diese Zeit deshalb, weil man den Raum mit einem Sinus-Sweep in Schwingung versetzt, diesen schlagartig abschaltet und dann misst, wie lange der Raum nachschwingt, bis die Raumantwort 60 Dezibel unter dem Ausgangssignal angekommen ist. Das ergibt die Reverb Time 60, wie die Abkürzung ausgeschrieben heißt. In der Praxis funktionieren die meisten Messalgorithmen so, dass man die Zeit zwischen -5 Dezibel nach Ende des Sweeps bis -35 Dezibel misst. Mit einer anschließenden Polierung auf -65 dB erhält man die notwendigen 60 dB Unterschied für die Ermittlung der RT60. Das Ergebnis einer solchen Messung ist meist ein Frequenzdiagramm, welches den Raum in seinem Diffusfeld beschreibt. Mit Diffusfeld ist dabei der Bereich gemeint, bei dem die Raumantwort lauter ist, als das direkte Signal der Lautsprecher. Eine durchschnittliche Nachhallzeit von 0,3 Sekunden und kürzer findet man vor allem in Tonstudios und Aufnahmeräumen. Im Wohnzimmer bewegt sich das ganze erfahrungsgemäß, je nach Größe und Beschaffenheit des Raumes, um die 0,4 bis 1 Sekunde. Ein weiterer Fakt der den Klang eines Ortes bestimmt, neben besagten Reflexionen und der Nachhallzeit, ist die Eigenresonanz. Raumresonanzen sind in der Akustik immer ein Trend-Thema, aber nicht der Grund weshalb man die stehenden Wellen auch als Raummoden bezeichnet. Die Moden haben natürlich nichts mit Lifestyle, Prêt-à-Porter oder Haute Couture zu tun, sondern sind ein akustisches Phänomen, das völlig unabhängig von Parallelität von Wänden auftritt und sich ausschließlich auf den Bass- oder Tieftonbereich von Räumen auswirkt. Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen drei verschiedenen Typen von Raummoden beziehungsweise stehenden Wellen und zwar den axialen Moden, den tangentialen Moden und den obliquen Moden. Dabei wollen wir gar nicht zu tief in die Theorie einsteigen, sondern belassen es dabei, dass diese drei Typen beschreiben, ob eine Welle nur eindimensional, zweidimensional oder sogar dreidimensional durch den Raum resoniert. Es handelt sich also um ein durchaus komplexes Thema und ohne ein kleines bisschen Mathematik und Physik wird das Phänomen nicht wirklich greifbar. Moden entstehen nämlich, wenn sich eine zwischen mindestens zwei Begrenzungsflächen senkrecht auftreffende Welle immer wieder mit ihrer eigenen Reflexion überlagert. Dadurch entstehen an gewissen Punkten ganze, oder teilweise Auslöschungen und Anhebungen. Hierbei spielt der Abstand der beiden Wände eine wortwörtlich maßgebliche Rolle. Eine stehende Welle entsteht bei einer spezifischen Frequenz nämlich nur dann, wenn die Hälfte ihrer Wellenlänge – oder ein ganzzahliges Vielfaches davon – zwischen die Wände passt. Wen das interessiert, für den haben wir eine kleine Beispielrechnung mit Formelerläuterung im Infokasten. Diese rudimentäre Mathematik kann natürlich nur einen oberflächlichen Einblick vermitteln, hilft aber beim Verständnis. Moden kann man aber nicht nur berechnen, man kann sie vor allem auch deutlich hören. Zum einen, wenn es in der Musik immer wieder bei bestimmten Tönen auf einmal lauter oder leiser wird, oder der Sound im Bassbereich an verschiedenen Stellen des Raumes gravierend anders klingt. Probieren sie es ruhig einmal aus und schicken sie bei moderater Lautstärke verschiedene Sinus-Basstöne zwischen zirka 40 und 400 Hertz über ihre Lautsprecher und laufen sie im Raum umher. Achten sie ganz genau auf die Veränderungen des Basstons. Teilweise gibt es in akustisch unbearbeiteten Räumen Stellen, da verschwindet der Ton fast komplett und nur wenige Zentimeter weiter wird er sehr präsent und laut. Herzlichen Glückwunsch, sie haben eine stehende Welle im Raum. Aber kein Grund zur Panik. Auf dem Akustikmarkt gibt es mittlerweile ein ganzes Bataillon an Systemen und auch Apps, die sich mit dem Thema Raumakustik und Raummessungen beschäftigen. Diese Analyzer nehmen einem nicht nur das Rechnen ab, sie bereiten außerdem akustisch komplexe Vorgänge graphisch sehr ansprechend und nachvollziehbar auf. Unter diesen unzähligen Möglichkeiten haben wir für sie exemplarisch ein Set herausgefiltert, das es zwar nicht als Kostenlos-App gibt, aber das definitiv zuverlässigere Ergebnisse als jede Handy-Freeware bietet und was daher zurecht das Attribut ‚Pro‘ im Namen trägt. Die Rede ist vom ‚XTZ Room Analyzer II Pro‘. Das Set besteht aus einem Messmikrofon, einem kleinen Interface und einer umfangreichen Analysesoftware für Windows PCs. Das Interface wird über USB an den Computer angeschlossen, das Mikrofon mit einem XLR-Kabel an den Interface-Eingang und der Ausgang für die Messsignale wird ebenfalls per XLR und wahlweise über einen mitgelieferten Chinch-Adapter auf den Eingang des heimischen Verstärkers gesteckt. Insgesamt zwölf Meter Kabelweg bieten einen Bewegungsradius des Mikrofons, der den meisten Wohnungen gerecht werden sollte. Es ist jedoch bei größeren Wohnungen oder Häusern ratsam einen Laptop parat zu haben. Geboten werden verschiedenste Messungen von stehenden Wellen über die Nachhallzeit eines Raumes, bis hin zur klassischen Schalldruckmessung, sowie komplexe Messalgorithmen zur Berechnung der perfekten Positionierung eines Subwoofers durch Auflösung von Phasenverschiebungen. Auch ein Real Time Analyzer in gedrittelter Oktavenform befindet sich an Bord. Ausgewertet werden die Messungen alle in klassisch zweidimensionaler Tabellenform, als Kurve oder aber auch als Wasserfalldiagramm in 3D. Durch die Messung der Raummoden führt ein kleiner Guide, der grafisch aufbereitet einem erklärt wohin man das Mikrofon stellen soll. Es werden insgesamt drei Messungen an drei verschiedenen Orten gemacht, inklusive dem eigentlichen Hörplatz. Daraus gemittelt ergibt sich die berechnete Raumantwort. Die dadurch entstandenen Grafiken sollen dem interessierten Hörer nun Erkenntnisse über seinen Hörraum verschaffen. Das klappt auch ausgesprochen gut. In unserem Fall haben wir das Set durch die Redaktion geschickt und jeder Redakteur hat ein für seinen Raum individuelles Ergebnis bekommen. Die Resultate waren sehr aufschlussreich und haben selbst uns noch den ein oder anderen Aha-Effekt beschert. Die Software erkennt die Raummoden schnell und zuverlässig und gibt sogar an, bei welchen Frequenzen mit welchen Equalizer-Einstellungen man dagegen vorgehen könnte. Die Ausstattung des Pakets ist für den vom Hersteller angegebenen Verkaufspreis sehr umfangreich. Das Set wirkt durchdacht und ist ohne große Mühen und Vorkenntnisse schnell einsatzbereit und liefert brauchbare Ergebnisse. Vor allem die Software hat für den Preis des Sets eine gute Auswahl an Funktionalität. Leider ist dieses Einmessen und die vorgeschlagene Korrektur über einen Entzerrer nur eine symptombezogene Verbesserung. Eine Ursachenforschung und -bekämpfung fehlt und kann durch ein reines Softwareprodukt auch nur schwer realisiert werden. Da die akustische Bewusstseinserweiterung dadurch aber so groß ist, haben wir uns entschlossen, sie mit den bevorstehenden Beobachtungen nicht alleine zu lassen, sondern ihnen in einer Fortsetzung dieses Workshops in der nächsten Ausgabe der AUDIO TEST das nötige Rüstzeug mit auf den Weg zu geben, die etwaigen Problemzonen ihres Raumes zu korrigieren. Worüber wir nämlich noch gar nicht gesprochen haben, ist Absorption. Aber wir sind uns sicher, dass wir auch dann wieder für jedes Budget die richtige Option finden werden. Bis dahin wünschen wir eine frohe Reise durch Raum und Zeit

Berechnung von axialen Raummoden

Die Formel zur Berechnung der Grundfrequenz einer eindimensionalen, axialen Raummode setzt sich aus der Schallgeschwindigkeit c geteilt durch deren Wellenlänge lambda zusammen.

f = c / lambda

Da wir wissen, dass die Schallgeschwindigkeit bei 20°C Raumtemperatur 343 Meter pro Sekunde beträgt und eine Raummode entsteht, wenn ihre halbe Wellenlänge oder ein Vielfaches davon zwischen zwei Wände passt, kann man die Formel umschreiben.

f = 343 Meter pro Sekunde / 2 mal Wandabstand in Metern

Wer aufgepasst hat, wird feststellen es bleibt bei den Formelzeichen ein Rest von 1 / Sekunde übrig. Die Maßeinheit Meter verschwindet. Die Einheit 1 / Sekunde ist den meisten Lesern besser bekannt als Hertz (Hz) und beschreibt die Schwingung pro Sekunde. Rechenbeispiel für einen Wandabstand von 4 Metern:

f = 343 Meter pro Sekunde / 2 mal 4 Meter f = 42,875 Hertz

Jedes ganzzahlige Vielfache dieser Grundfrequenz ist eine Raummode.