Bild: Auerbach Verlag

Hintergrund: Die Kompaktkassette

Tonbandgeräte mit offenen Spulen erlaubten seit den frühen 1950ern eigene Aufnahmen anzufertigen, waren jedoch schwer zu händeln. Doch dann kam der Siegeszug der Kompaktkassette und die war besonders für Teenager ein absolutes „must have“.

Die Tonqualität der Tonbandgeräte lag zwar auf exzellentem Niveau. Mit ihrer Bedienung waren viele Nutzer jedoch ziemlich überfordert, waren doch die auf verschiedenen Geräten aufgenommenen Bänder nicht uneingeschränkt kompatibel. Weiter waren Tonbandgeräte einfach zu groß und schwer, um auch mobil genutzt werden zu können. Deshalb machten sich mehrere Firmen schon sehr früh daran, den Umgang mit dem Tonband zu vereinfachen, indem sie es in ein kompaktes Gehäuse steckten. Die Kompaktkassette verhalf dem Tonband zu seinem Durchbruch.

Die Kompaktkassette

Die Kompaktkassette, kurz CC, wurde von Philips entwickelt und am 28. August 1963 auf der Berliner Funkausstellung einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert. Das Gehäuse der CC ist rund 10 x 6,3 × 1,4 Zentimeter (cm) groß. In ihm sind zwei Bandwickel nebeneinander angeordnet, weshalb man auch von einer Zweiloch-Kassette spricht. Als Besonderheit sind CCs an der linken Oberkante mit einer Lasche versehen, die sich herausbrechen lässt. Mit vorhandener Lasche kann man auf das Tape aufnehmen. Wurde sie herausge-brochen, kann das Band nicht mehr unabsichtlich gelöscht werden. Was ein weiterer Vorteil zum Spulentonband ist. In der Kassette befindet sich ein 3,81 Millimeter (mm) breites Band, das mit einer Geschwindigkeit von 4,76 cm pro Sekunde bewegt wird.

Die Kassette lässt sich wenden, ist also beidseitig bespielbar. Die Mono-Tonspur hat eine Breite von etwa 1,5 mm. Für den Stereo-Betrieb wird die Monospur aufgeteilt, wobei für den linken und rechten Kanal eine Spurbreite von rund 0,6 mm Breite übrig bleibt. Die Anordnung der Spuren erlaubt es, dass Stereo-Bänder auch auf Mono-Geräten und umgekehrt ohne Einschränkungen abgespielt werden können. Diesen gravierenden Vorteil bot das Spulentonband nie. Außerdem kennt die Kompaktkassette nur eine Geschwindigkeit, womit sie zu 100 Prozent mit anderen Kassettenrekordern kompatibel ist. Gemeinsam mit der CC wurde auch der erste Kassettenrekorder, der Philips EL3300 vorgestellt. Er hatte die Größe eines Buches, war volltransistorisiert und batteriebetrieben.

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Kassettenformate

Dass die Kompaktkassette ein Weltstandard werden würde, war zu ihrer Einführung noch nicht absehbar. Schließlich gab es schon zuvor mehrere Versuche, Kassettenformate zu etablieren. Wie etwa 1958 von der US-Firma RCA. Deren Kassette war etwa dreimal so groß wie jene der CC, war mit einem 6,3 mm breiten Band bestückt und arbeitete mit 9,5 cm/s. Der kommerzielle Erfolg blieb diesem System aber verwehrt.

1959 brachte die deutsche Firma Protona die Minifon-Kassette auf den Markt. Sie war ursprünglich für Diktiergeräte gedacht, konnte 1961 aber schon die HiFi-Kriterien erfüllen. Bereits wenige Jahre später wurde die Produktion schon wieder eingestellt. Etwa zur selben Zeit brachte Philips eine Einlochkassette heraus, die im Wiener Philips-Werk entwickelt wurde. Sie griff bereits die Bandbreite und Laufgeschwindigkeit der Kompaktkassette voraus. Parallel arbeiteten Philips-Techniker in den Niederlanden an der CC.

Die deutsche Firma Grundig war ursprünglich an der Entwicklung der Einloch-Kassette mit beteiligt. Da Grundig von den Holländern erst sehr spät über deren vorzeitigem Aus informiert wurden, entwickelten die Fürther das Konkurrenz-Kassettensystem DC-International. Es sah fast so aus wie die CC und nutzte auch dieselbe Bandbreite von 3,81 mm. Nur die Bandlaufgeschwindigkeit war mit 5,1 cm/s etwas höher. Die DC International wurde 1965 vorgestellt. Ihre Produktion wurde bereits wenige Jahre später zugunsten der CC wieder eingestellt.

Wer kennt das nicht? Das Zurückspulen des Bands in der Kassette mit einem Bleistift

1965 war auch das Geburtsjahr der 8-Spur-Kassette. Sie war eine Einloch-Kassette mit einem 6,3 mm breiten Endlosband, das mit 9,5 cm/s abgespielt wurde. Die 8-Spur-Bänder erlangten besonders in Nordamerika große Verbreitung, wo dieses Kassettenformat bevorzugt in Autos eingebaut wurde. Auch der Wagen von Homer Simpson ist mit so einem Gerät ausgestattet – nur der Vollständigkeit halber. In den Staaten hielt sich das 8-Spur-Tape parallel zur CC bis in die 1980er.

1976, zu einer Zeit, als sich die Kompaktkassette längst durchgesetzt hatte, kam mit der Elcaset ein neues Format auf dem Markt. Sie wollte die leichte Handhabung der CC mit den hervorragenden Klangeigenschaften des Spulentonbands vereinen. Wozu sie in einem rund dreimal so großen Gehäuse auf ein 6,3 mm breites Band und die Geschwindigkeit wie die Kassette von RCA auf 9,5 cm/s setzte. Bereits in den frühen 1980ern wurde die Produktion der Elcaset wieder eingestellt.

Spielzeit vs. Zuverlässigkeit

Kompaktkassetten zur Selbstaufnahme wurden hauptsächlich mit Spielzeiten von 2 × 30 und 2 × 45 Minuten angeboten. In der C60 kam ein rund 15 bis 17 µm dickes Band zum Einsatz, das sich als überaus robust erwies. Auch das etwa 10 bis 12 µm dicke Band der C90 gab keinen Anlass zur Sorge. Das nur 9 µm dünne Bandmaterial der weitaus seltener anzutreffenden C120 mit 2 × 60 Minuten Spielzeit war für viele Rekorder jedoch eindeutig zu dünn und sorgte regelmäßig für Bandsalat. Kaum bekannt ist, dass vereinzelt sogar C150- und C180-Kassetten angeboten wurden, die jedoch wegen ihrer noch dünneren Bänder noch empfindlicher waren.

Achtung Aufnahme!

Teenager der 1970er und 80er-Jahre und die Kompaktkassette… das war irgendwie eine untrennbare Einheit. Die CC war schließlich klein und sehr preiswert. Wer hatte damals schon das Geld, sich die aktuellen Singles (17-cm-Schallplatten mit je einem Titel pro Seite) der Hitparadenstürmer zuzulegen? Für ihren Gegenwert gab es rund zwei Tapes. Und auf ihnen ließen sich gleich mehrere komplette Hitparaden aufzeichnen. Die Top 20 wurden zu jedem Wochenende auf den Popwellen im Radio ausgestrahlt und es gab kaum jemand, der sie nicht live verfolgte. Der Klassiker im Jugendzimmer war übrigens nicht das Kassettendeck, sondern der Radiorekorder, einem Kofferradio mit eingebautem Kassettenteil. Netz- und batteriebetrieben und so auch ideal fürs Strandbad. Ab Ende der 1970er gab es die Geräte sogar in Stereo und besonders gut ausgestattete Geräte hatten sogar einen kleinen Fernseher eingebaut. Von ihm konnte man sogar Konzerte aus dem TV aufnehmen. Freilich nur den Ton.

Klangeigenschaften der Kassette

Im Vergleich zum Spulentonband klingt die Kassette nicht wirklich gut. Kein Wunder, kommt in ihr doch ein deutlich schmaleres Band zum Einsatz, das zudem auch noch im Kriechgang bewegt wird. Mit neuen Bandsorten ließ sich der Frequenzgang der Kassette allmählich hörbar verbessern. Neben den billigen, schlechten Eisenoxid-Bändern gab es auch FerroCrom- und Crom-Bänder, die sich ohne wesentliche Einschränkungen in allen Rekordern nutzen ließen. Lediglich die Krönung, die Metall-Kassette, erforderte extra dafür ausgelegte Abspieler.Weiter hatte die Kassette stets mit starkem Grundrauschen zu kämpfen, das hörbar über dem des Spulenbands und der Schallplatte lag. Es wurde mit Rauschunterdrückungssystemen wie Dolby-B und –C oder DNR mehr oder weniger erfolgreich bekämpft. Das Rauschen ließ sich damit zwar verringern, gleichzeitig klang die Musik aber, als wären ihre Kanten mit einer Feile abgehobelt worden. Dem einen gefiel es, andere zogen die natürlichere, aber auch rauschfreudigere Wiedergabe vor.

Grenzenlose Mobilität

Am 1. Juli 1979 wurde von Sony der erste Walkman vorgestellt. Er war ein kompaktes Kassettengerät, das bequem in jeder Hosen- oder Jackentasche unterzubringen war. Das nur batteriebetriebene Gerät war simpel aufgebaut und nur für die Wiedergabe bespielter Kassetten gedacht. Ein Aufnahmeknopf fehlte ebenso wie ein eingebauter Lautsprecher. Zum Hören brauchte es einen Kopfhörer. Darüber hinaus gab es immerhin Stereo-Sound. Je nachdem, wie viel Geld man auszugeben bereit war, bekam man recht einfache, ziemlich grottig klingende Player bis zu solchen, die bereits sehr hohe Ansprüche erfüllten. Zum Teil hatten sie auch ein Radio eingebaut und erlaubten sogar das Aufnehmen. Die kleinsten je gebauten Mini-Player waren übrigens kaum größer als die CC selbst.

Eines der Haupteinsatzgebiete der Kassette war im Autoradio

Der Walkman legte vor rund 35 Jahren den Grundstein dafür, was heute allgemein üblich und akzeptiert ist: das Herumlaufen mit Kopfhörern und das Hören von Musik beim Sport, in der Straßenbahn, im Wartezimmer oder wo man will. Genau genommen war der Walkman nicht das erste wirklich kleine Kassettengerät. So gab es beispielsweise Diktiergeräte schon in den frühen 1970ern. Diese waren nur geringfügig größer, hatten aber ein eingebautes Mikrofon und einen Lautsprecher. Sie konnten zwar nur in Mono wiedergeben, hatten aber eine recht ansprechende Tonqualität.

Die Kassette im HiFi-Bereich

Seit etwa 1967 tönt die CC auch in Stereo. Damit gab es schon sehr früh Kassettendecks für die heimische Stereoanlage. In den 1970ern waren sie auch gerne in Kompaktanlagen eingebaut. Das waren bis rund 80 cm breite Kästen mit eingebautem Plattenspieler, Radio, Verstärker und Kassettenrekorder. Etwa zur selben Zeit gelang es der CC, das Spulentonbandgerät fast vollständig von den heimischen HiFi-Anlagen zu verdrängen. Nur wenige echte HiFi-Freaks blieben ihm bis heute treu. Ansonsten erledigte die Kassette über Jahrzehnte einen sehr guten Job. Sie ließ sich nicht nur in bester Qualität über die hochwertigen HiFi-Komponenten im Wohnzimmer wiedergeben, sondern auch mal schnell in die Küche oder ins Auto mitnehmen. Ohne zu übertreiben lässt sich die Behauptung aufstellen, dass das Handling mit der CC einfacher war als es heute mit unseren MP3s ist. Zumindest klingen viele digitale aktuelle Musikfiles kaum besser, wenn überhaupt, als die CC. Und das Smartphone als allgegenwärtiges Wiedergabemedium ist gelinde gesagt nicht einmal ein schwacher Ersatz für die hochwertigen CC-Abspieler früherer Jahrzehnte.

Digitales Intermezzo

Mit der Einführung der CD wurde die Musik ab 1982 digital und erlebte in Sachen Wiedergabetreue einen Quantensprung. Ziel war es, auch die Kassette ins digitale Zeitalter zu begleiten. Auf Basis der CC entwickelte Philips mit der DCC eine digitale Kompaktkassette, die 1992 auf den Markt kam. DCC-Rekorder waren auch in der Lage, die alten CCs abzuspielen. Das System kam jedoch zu spät auf den Markt. Außerdem gab es seit 1987 mit der DAT-Kassette bereits ein höherwertigeres System, das es sogar bis in den Studiobereich schaffte. Weiter buhlte mit der 1991 an den Start gebrachten Mini-Disc ein weiteres Aufnahmesystem um die Gunst der Käufer. Diese wurden mit der Einführung des CD-Rekorders 1995 weiter verunsichert. Zu der Zeit gab es dann auch schon MP3s, die das Rennen gewannen. Die DCC-Produktion wurde 1996 eingestellt.

Am Siegeszug der Kassette hatte auch der Radiorekorder seinen Anteil. Er erlaubte besonders Jugendlichen das Aufnehmen der Hitparaden

Kompaktkassette heute

Bei uns fristet die CC nur noch ein Schattendasein. Meist ist sie noch in Kinderzimmern anzutreffen. Schließlich gilt die CC als unverwüstlich und erlaubt so Kindern, ihre Hörspielbänder wiederzugeben. Die letzten wurden übrigens im April 2015 auf den Markt gebracht.

Anders als bei uns genießt die Kassette in Entwicklungsländern, wie in Schwarzafrika, noch ungleich höheres Ansehen. Hier haben sie ihr günstiger Preis und ihre Robustheit am Leben erhalten.

Zu allem Trotz: Liebhaber der CC gibt es bis heute auch bei uns. Und so darf es auch nicht wundern, dass das Glanzstück mancher HiFi-Anlage nach wie vor ein Kassettendeck ist.

Bildquellen:

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