Vor vierzig Jahren veröffentlichte Prince sein Opus Magnum: „Purple Rain“. Das Jahrhundertalbum zum gleichnamigen Kinofilm ist aus keiner gut sortierten Plattensammlung wegzudenken. Eine Hommage an eines der schillerndsten Kapitel der Musikgeschichte. Wir blicken zurück auf diesen Klassiker der Popkultur – unser Album des Monats.
Als der Musiker und Musikproduzent Pepe Willie 1973 im verschneiten Minneapolis am Haus der alleinerziehenden sechsfachen Mutter Bernadette „Queen Bernie“ Anderson vorbei spazierte, traute er seinen Ohren kaum. Durch das Kellerfenster klang ein treibender Beat. Jemand groovte da ganz allein an den Drums vor sich hin.
Dieser Jemand war keines der leiblichen Kinder von Queen Bernie und zog erst kürzlich im Alter von 15 Jahren aus dem Haushalt seiner Tante in die Russel Avenue, nachdem sogar sein eigener Vater ihn verbannte, weil sich der Teenager verbotenerweise mit einem Mädchen traf. Dieser Jemand, der nun Tag und Nacht in Andersons Keller mit seinen Instrumenten zubrachte, war Prince Rogers Nelson.
Umgehend lud Pepe Willie den schüchternen Jungen zu sich ins Studio ein, wo der junge Prince ganze fünf Tracks in nur vier Stunden einspielte. Willie, der in dem talentierten Multiinstrumentalisten eine Jahrhundertentdeckung wähnte, engagierte den freundlichen Nachbarsjungen immer wieder für diverse Studio Sessions.
So erlernte Prince, der bereits eine große Zahl verschiedener Instrumente virtuos zu spielen beherrschte, auch die gängigen Aufnahmepraxen und machte sich mit der komplizierten Studiotechnik vertraut.
Das Wunderkind
Im Alter von 18 Jahren flog Prince, der Zeit seines kurzen Lebens in Minneapolis verwurzelt blieb, nach Los Angeles. Sein Manager, der eigentlich Besitzer einer kleinen Werbeagentur war, hatte hier ein Treffen mit Agenten von Warner Bros. Records organisiert. Diese waren schnell vom herausragenden Talent des gerade mal Volljährigen überzeugt und offerierten einen Sagenhaften Deal über 180.000 Dollar für drei Studioalben.
Prince, der darauf bestand, die Studioproduktion der Platten selbst zu übernehmen, musste sogar sein Können als Studiotechniker unter Beweis stellen, was ihm eindrucksvoll gelang. Als Prince mit „For You“ 1978 sein Album-Debüt präsentierte, hielt sich die Begeisterung der Plattenbosse in Grenzen. Zum einen blieben die Verkaufszahlen weit unter den Erwartungen des Labels zurück, zum anderen waren die für drei Alben anberaumten 180 Mille bereits nach der Produktion des ersten Albums aufgebraucht.
Zwar war das zweite Album „Prince“ deutlich erfolgreicher. Jedoch hielt Prince es selbst für einen ästhetischen Kompromiss. Seine Experimentierfreude deckelte er zu Gunsten der allgemeinen Gefälligkeit. Mit dem dritten Album „Dirty Mind“, kehrte er zu seinen intrinsischen Bedürfnissen zurück und festigte sein Image als Exzentriker, der es liebt, mit Geschlechterklischees zu spielen.
Auftritte in Tangas, High Heels und auffälligen Make Ups – was für weiße Musiker wie etwa David Bowie bereits seit längerem an der Tagesordnung war, galt in der Black Music als ausgeschlossen. Prince wurde zur Identifikationsfigur der schwarzen Jugend in den USA, in der sich zur gleichen Zeit auch mit der House Music erste musikalische Safe Spaces für Schwarze queere Communitys bildeten.
Video killed the Radio star
Dass Prince ein Musiker mit revolutionärem Potenzial war, zeigte sich letztlich mit dem waghalsigen Vorhaben, einen Kinofilm zu drehen. Zur Einordnung: Prince war seit dem Release seines vierten Albums „1999“ auch international ein Star. Zudem brachte MTV mit der Popmusik in Bewegtbildformat die gesamte Branche durcheinander. Wer bei dem jungen Sender in die Rotation aufgenommen wurde, hatte es geschafft.
Im Zuge dessen entstanden etliche Musikvideos, die auch heute noch Kultstatus innehaben. Man denke etwa an Michael Jackson, der übrigens im selben Jahr wie Prince geboren wurde. Dabei hatten jedoch alle Musikvideos die Gemeinsamkeit, story-basierte Clips zu sein.
Prince, der mit der Single-Auskopplung „Little Red Corvette“ auf MTV zu sehen war, machte es anders. Statt durch ein verlassenes Ladengeschäft zu tanzen, nutzt Prince das Format, um einen Live-Eindruck von sich und seiner Band zu vermitteln, die er passenderweise auf den verheißungsvollen Namen The Revolution taufte.
Angesteckt vom pandemischen Bewegtbildfieber kam Prince auf die kühne Idee, einen Kinofilm zu produzieren. Seine Vertrauten, wie etwa Tourmanager Alan Leed griffen sich zunächst an den Kopf. Jedoch konnte Prince letztlich auch das Label von seinem Vorhaben überzeugen. Gespickt mit beinahe kritisch reflexiven autofiktionalen Reminiszenzen an seine eigene Jugend spielt Prince einen jungen Musiker aus Minneapolis.
Frontmann der antagonistisch inszenierten Band The Time, die Prince im echten Leben auf Tourneen supporteten, war übrigens Morris Day, der bereits als Teenager in Princes erster Band Grand Central Coporation Schlagzeug spielte.

Der Film war letztlich wohl vor allem für eingefleischte Fans von großem künstlerischem Wert, jedoch ist er unbestreitbar ein besonderes musikhistorisches Dokument. Mit dem Oscar für die beste Filmmusik ausgezeichnet, brachte „Purple Rain“ eines der erfolgreichsten und einflussreichsten Alben aller Zeiten zur Welt.
Mehr als ein halbes Jahr blieb die gleichnamige Jahrhundertplatte auf Platz 1 der Billboard Charts. Als cleverer Zug der Marketing-Abteilung wurde das Album übrigens einen Monat vor der Filmpremiere veröffentlicht. Am 25. Juni 1984 – auf den Tag sieben Jahre, nachdem Prince seinen ersten Plattendeal unterschrieb.
Kompromisslos und folgenreich
Die Aufnahmen für „Purple Rain“ fanden unter anderem in Zusammenarbeit mit Peggy McCreary im Studio Sunset Sound Los Angeles statt. In der Zeit spielte James Brown eine fulminante Show im Beverly Theater, zu der er zahlreiche Gäste auf die Bühne lud. Michael Jackson etwa.
Unmittelbar nach dessen Auftritt kam Prince auf die Bühne, spielte fünf Minuten Gitarre und machte sich anschließend direkt wieder auf den Weg ins Studio. Hierin zeigt sich die Vielzahl von Ambivalenzen im Leben des Prince. Auf der einen Seite greller Exzentriker, auf der anderen Seite schüchtern und zurückhaltend.
Auf der einen Seite androgyne Identifikationsfigur der queeren Szene, auf der anderen Seite Macho. Auf der einen Seite exzessiver Rockstar, auf der anderen Seite disziplinierter Workaholic. So beschreibt etwa Jellybean Johnson, Drummer von The Time, dass Prince auf Tourneen zuerst die Proben seiner Vorband anleitete und danach mit The Revolution probierte, um sich nachts noch in Studios einzuschließen.
Und tatsächlich berichten alle, die ihn kannten, dass Prince Zeit seines kurzen Lebens ein zurückhaltender, gar schüchterner Mann gewesen sei. Jedoch sorgte nicht zuletzt der auf „Purple Rain“ veröffentlichte Song „Darling Nikki“, in dem eine junge Frau in einer Hotellobby mit einer Zeitschrift masturbiert, für eine gewaltige Kontroverse, die schließlich in der Einführung des bekannten „Parental Advisory“ Siegels in den USA führte – ebenfalls symbolisch für den zwiegespaltenen Zeitgeist der Ära Reagan, welche „Purple Rain“ jedoch allen Streits zum Trotz wohl bis in alle Ewigkeiten überdauern wird.
Grammy, Oscar, BRIT Award – „Purple Rain“ hat alles eingestrichen, was man als Musikprodukt einstreichen kann. Der Rolling Stone setzte die Platte im Jahr 2020 auf Platz 8 der 500 besten Alben aller Zeiten. Anlässlich des bereits vierzigsten Geburtstags dieser unfassbaren Platte gratulieren wir von Likehifi.de zu diesem besonderen Jubiläum, verneigen uns vor ihrer violetten Majestät und senden Gebete der Dankbarkeit gen Himmel, wo Prince hoffentlich gerade die Korken knallen lässt.

„Purple Rain“ – Tracklist
- Let’s Go Crazy
- Take Me With U
- The Beautiful Ones
- Computer Blue
- Darling Nikki
- When Doves Cry
- I Would Die 4 U
- Baby I’m A Star
- Purple Rain
Erscheinungsdatum: 25. Juni 1984
Label: Warner Bros. Records
Spielzeit: 43:52 Minuten
Formate: CD, LP, MC, Digital (Download, Streaming), DVD, 8-Track
Webseite: www.prince.com
► Lesen Sie hier: Album des Monats: Michael Jackson – Thriller (1982)

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Bildquellen:
- Prince_and_the_Revolution_Purple_Rain_AdM: © Ed Thrasher / Warner Music Group