Einstiegsbild: Revox B791

Test: Revox B791 / B795 – Tangential Schallplattenspieler (generalüberholt)

Der legendäre Revox B791 / B795 Schallplattenspieler mit Tangential-Tonarm erscheint aus der Vergangenheit und das ohne jegliche Alterserscheinungen. Revox hat die Zeitmaschine angeworfen – und wir sind eingestiegen…

Der HiFi-DeLorean

Lange bevor die ersten binärcodierten Informationen über feine Siliziumbahnen rasten, um teils bis zu 384.000 mal pro Sekunde 32 Informationen an die digitale Audio-Schnittstelle eines Tonstudios zu transportieren, waren schmale Magnetbänder der Werkstoff, welcher mittlerweile legendäre Werke der Musikgeschichte für die Ewigkeit festhielt. Tonband – ein Material, welches seinerzeit den Workflow einer jeden Studioproduktion diktierte. Denn vor der Ära „strg+Z“ war jeder Take Geld wert, da dieser nicht nur Zeit sondern auch wertvolles Tonband verbrauchte.

AUDIO TEST Nr. 01/24 mit Titel-
thema „Retro-HiFi“ (bestellen)

Das ließ sich nämlich nicht endlos oft überspielen, ohne hörbare Qualitätsverluste aufzuweisen. Gleichzeitig zwang die Reduktion auf lediglich vier parallellaufende Tracks in den 1960er Jahren zum regelmäßigen Fällen unumkehrbarer Entscheidungen etwa bei der Verwendung eines bestimmten Submixes.

Kaum vorstellbar, dass etwa „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ – wohl eines der Kultalben des Planeten überhaupt – in all seiner instrumentalen, beinahe symphonischen Fülle auf gerade mal vier (!) Spuren gepasst haben soll. Kein Wunder, dass diese Scheibe damals alles zuvor Dagewesene in den Schatten stellte.

Nicht nur inhaltlich, sondern auch formal war „Sgt. Pepper“ von den Beatles ein bahnbrechendes Release, welches in einer herausragenden Qualität den Beat-Ursprung und die späteren psychedelischen Einflüsse auf die Pilzköpfe miteinander zu verbinden wusste.

The Star behind the Stars

Miteinander verbunden auf Tonband, welches wiederum auf einer Studer J37 von Spule zu Spule fuhr. Die Studer J37 war damals der Industriestandard und gilt heute als wahre Techniklegende. Wenn man überhaupt noch irgendwo ein Original des mit 42 Röhren bestückten, 150 kg schweren und satte 500 Watt verbrauchenden Monolithen auftreiben kann, sollte man schon einen Preis von etwa 35.000 Euro einplanen.

Das wären 1965 beinahe 135.000 Mark gewesen. Kein Wunder also, dass gerade an jeder Ecke digitale Software-Emulationen der J37 ans Netz gehen. Über die Jahrzehnte hinweg sollte der Name Studer seinen Sitz im Sattel der Musikgeschichte zunehmend festigen. So lange auf Tape aufgenommen wurde, war Studer „State of the Art“.

Es gibt auf YouTube unzählige Belege dafür. Etwa ein Video von Prince, wie er den Bass für den Titel „Batman“ einspielt. Im Hintergrund: eine Studer A820 – bereits unter anderem mit digitaler Spulkontrolle. Der Name stammt übrigens vom Gründervater Willi Studer. Der Schweizer Unternehmer und Elektronik-Fachmann gründete bereits 1948 die Firma „Willi Studer, Fabrik für elektronische Apparate“ und legte damit den Grundstein gleich zweier Erfolgsgeschichten.

Revox B791 Detail
Der Tangential-Tonarm des Revox B791 ist ein echter Hingucker und zugleich technisch raffiniert. Ein kleines Bürstchen reinigt die Nadel nach jedem Durchlauf.

Road to Glory

Denn während sein eigener Name für die Produktlinien der professionellen Studio-Anwendung stehen sollte, taufte er auf den Namen Revox alle Geräte für den avancierten Privatanwender. Und tatsächlich sollte der Name Revox dem seines Gründers in nichts nachstehen.

Denn während etwa die J37 in den Tonregie-Räumen dieser Welt quasi im Verborgenen Weltruhm erlangte, gelang dies der Bandmaschine A77 von Revox direkt in den Wohnzimmern der HiFi-Liebhaber. Wobei sie sich nicht ausschließlich dort großer Beliebtheit freuen durfte.

Auch die in ihrem Funktionsumfang deutlich simpler aufgebaute A77 durfte hier und da bei den Profis mitspielen. Der wohl berühmteste Beleg dafür ist wohl das 1975 erschienene Album „The Basement Tapes“ von Bob Dylan & The Band. Zum einen steht der Werkstoff hier schon Albumtitel, zum anderen thront auf dem Plattencover zentral vor den Musikern eine A77 Bandmaschine von Revox. Ein Bild der höchsten Wertschätzung.

Die Musiker auf dem Bild tragen mit leisem Stolz Akkordeon, Gitarre und Horn vor sich, Bob Dylan hält seine Mandoline wie eine Geige. Und so steht die A77 auf einer Höhe mit den Instrumenten, welche auf dieser Scheibe zu hören sind. Ehrenhaft prominent ausgestellt im Vordergrund der Fotografie.

Revox – Key-Facts:

Gründungsjahr: 1948
Sitz: Regensdorf, Schweiz
Legendäre Produkte: Revox A77, B77, B795
Webseite: www.revox.com/de

Revox ging als Ableger für Privatanwender aus der „Willi Studer, Fabrik für elektronische Apparate“ hervor. Während der Name Studer in der Musikproduktion Geschichte schrieb, schrieben sich etwa die Bandmaschinen A77 und B77 in die Herzen der HiFi-Fans. Geräte von Revox und Studer wurden seither oft kopiert – physisch wie auch virtuell. Der Tangential-Plattenspieler B795 war seinerzeit von bahnbrechender technologischer Rafinesse und weiß noch heute Begeisterung hervorzurufen.

Wiederauferstehung

Dem 1977 erstmals präsentierten Nachfolgemodell B77 hat Revox nun im Zuge einer ganz besonderen Aktion zu neuem Leben verholfen. Unter der Produktlinie „Classic“ hat Revox nämlich Originale aus der goldenen Ära des HiFi ins Sortiment zurückgeholt. Dabei hat das Unternehmen freilich nicht einfach eingestaubte Restposten vom Dachboden ins Verkaufsregal transferiert, sondern eine Handvoll Modelle vollumfänglich generalüberholt und aufbereitet. Mit dabei eben unter anderem die beiden Tonbandgeräte Revox B77 MKI und B77 MKII, sowie das Kassettendeck B215 und der Stereovollverstärker Revox B250.

Außerdem ein ganz besonderes Schmuckstück für alle Vinylpassonisten: Der Tangential-Plattenspieler Revox B791. Dieser wurde ursprünglich von 1979 bis 1986 gefertigt und ist trotzdem noch heute ein technologisch bahnbrechendes Exemplar feinster HiFi-Elektronik.

Der kultig pragmatisch gestaltete Dreher im robusten Metallgehäuse arbeitet mit einem quarzgesteuerten Direktantrieb, dessen Drehzahl sich dank digitaler Kontrolleinheit feinstufig nachjustieren lässt. Ein gutes altes rotes LC-Display gibt hier über die exakte Rotationsgeschwindigkeit Auskunft und veredelt die Optik des B791 nebenbei zum perfekten Vintage-Chic. Dabei brilliert der Antrieb mit einer wirklich vorbildlichen Laufruhe und steht hier modernsten Vertretern seiner Zunft in nichts nach.

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Auf unserem YouTube Kanal finden Sie ein ausführliches Testvideo zum Revox B791 / B795 Tangential-Plattenspieler.

Tangentialtonarm

Der große Hingucker des Revox B791 ist freilich der Tangentialtonarm, der sich unter einer retrofuturistischen Aluminiumschale versteckt. Der gerade mal vier Zentimeter kurze „Linetrack“-Tonarm wiegt inklusive Tonabnehmer 40 Gramm und birgt allerhand technologischer Schmankerl. So ist er etwa mit einer optoelektronischen Steuerung ausgestattet.

Außerdem wird der Tonarm mittels Servoantrieb genauso nachgeführt, wie eine Schallplatte geschnitten wurde. Dieses tangentiale Abtastverfahren hat den immensen Vorteil, dass so keinerlei Fliehkräfte auf den Tonarm wirken und deswegen auch keine Kompensation via Anti-Skating vonnöten ist. Etwaige Klirrverzerrungen sind damit genauso ausgeschlossen wie klangverfälschendes Übersprechen.

Wer in der offenbar uneindringlich verschalten Konstruktion des Tonarms den Nachteil der fehlenden Möglichkeit individueller Feinjustage befürchtet, sei beruhigt. Denn die Abdeckung des Schwenkarms kann selbstverständlich abgenommen werden, sodass der Tonabnehmer ausgetauscht und in seiner Auflagekraft konfiguriert werden kann. Wobei der generalüberholte B791 mit dem hauseigenen Revox P20 MDR ausgestattet ist, dessen optimale Auflagekraft von 12 Micronewton von Werk aus eingestellt ist.

Revox B791: Detail
Wo der DeLorean den Flux-Kompensator hat, verfügt der B791 über eine digitale Steuereinheit

Im Klangtest oder: so geht Vinyl!

Für diesen Test haben wir uns für eine äußerst fotogene und gleichzeitig klangvolle Kette entschieden mit dem Revox B791 als zentralem Impulsgeber, dem Naim Nait 50 Stereovollverstärker als Leistungsträger und dem Standlautsprecher Ergo GS Edition von Canton.

Sowie wir die Kette eingerichtet haben, schweift instinktiv der Blick aus dem Fenster, auf der Suche nach dem DeLorean DMC-12 mit dem im Heck verbauten Atomreaktor. Etwas betrübt werden wir uns jedoch der Wirklichkeit gewahr und widmen uns wieder unserem doch wahrlich anachronistisch anmutenden Test-Ensemble.

Wir gehen keine großen Umwege und legen direkt erstmal das eingangs erwähnte Kultalbum „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ auf. Und direkt wird klar: So geht Vinyl. So geht HiFi. Das ist der Sound. Der echte Sound des Golden Age of HiFi. Von der Studer auf Vinyl, von Vinyl an Revox – man kann sagen, es bleibt in der Familie.

Wir sind hellauf begeistert von der Spritzigkeit, der unfassbar stimmungsvollen Dynamik, mit welcher der Revox B791 mit seinen kongenialen Gefährten aufzuspielen vermag. Das Ensemble klingt unbekümmert, fast frech, scheut sich nicht vor kraftvoller Definition in Mitten und Höhen und weiß doch gleichzeitig, die eigenen Kräfte gut in Zaum zu halten.

Unserer Zeit voraus

Wir schalten einen Gang hoch und ein Millennium weiter und heizen mit Daft Punks „Random Access Memories“ mal ordentlich ein. Wir hören die knapp fünfzig Jahre, welche zwischen den beiden Alben liegen direkt in deren Produktionstechnik. Doch der Sound des Revox und Co. bleibt unverändert energetisch und gleichsam liebevoll.

Freilich haben die Bässe nun noch deutlich mehr Punch, einzelne Timbres sind besser distinguiert und insgesamt kommt der Sound etwas gesättigter rüber. Jedoch lässt sich der B791 sein Alter absolut nicht anmerken. Ganz im Gegenteil. Irgendwie wirkt der Dreher auf eine Weise futuristisch. Was wohl nicht nur an seinem Look liegt, sondern auch an seiner wirklich schwer beeindruckenden Bedienbarkeit.

Denn wie oft bekommt man schon einen Plattendreher mit Tangential-Tonarm und – Achtung – Fast Forward, bzw. Rewind-Funktion in die Hände? Eben! Der Revox B791 kann per Knopfdruck die Rotationsgeschwindigkeit erhöhen und ermöglicht somit eine Art Spulen, wie man es vom Tonband kennt. Und das in beide Richtungen.

Freilich hebt sich zuvor der Tonabnehmer und wird schick illuminiert. Auch so lässt sich der Abnehmer per Knopfdruck heben und senken, sodass sich die Wiedergabe pausieren lässt, als wäre es ein Kassettendeck. Phänomenal. Wenn eine Plattenseite durchgelaufen ist, kehrt die Nadel mit einem sympathischen Surren an ihre Ausgangsposition zurück und fährt kurz vor der Ruheposition nochmal über ein kleines Bürstchen, sodass eventuell angesammelter Staub direkt entfernt wird. Wir sind hin und weg. Dieser Plattenspieler war nicht nur seiner Zeit voraus, sondern ist es auch der unseren.

Der HiFi-Delorean

Sowie wir eine alte Aufnahme von Wagners „Der fliegende Holländer“ auflegen, stellt der Revox Tangentialplattenspieler nochmals sein großes musikalisches Talent unter Beweis. Hier wird kein Frequenzband überbetont und auch die leisen Stellen zeichnet der Dreher mit einem ungeheuren Fingerspitzengefühl.

Mit dem Revox B791 auf dem Sideboard weht ein haarsprayschwangerer Wind aus vergangenen Jahrzehnten durch den Raum. Aber auch ein Hauch Zukunft. Der Revox ist wie ein audiophiles Wurmloch, eine technologische Anomalie. Ein DeLorean fürs Wohnzimmer. Und das für gerade mal 2.000 Euro, inklusive zweijähriger Garantie (Anm. d. Redaktion: zum Zeitpunkt unseres Tests lag der Preis bei 2.000 Euro, aktuell wird der Revox B795 für 2.680 Euro angeboten). Für ein Gerät aus den Achtzigern! Wir sind mal gespannt, wie schnell Revox hier die Geräte ausgehen. Lang wird es wohl nicht dauern.

Datenblatt Revox B791 / B795

Allgemein
GeräteklassePlattenspieler
HerstellerRevox
ModellB791 (generalüberholt)
Preis (UVP)2.680 Euro
PreiskategorieMittelklasse
Maße (B/H/T)44,8 x 14,2 x 39,5 cm
Gewicht9,1 kg
Informationenwww.revox.com
Technische Daten*
TonabnehmerRevox P20 MDR
Motorquarzgesteuert
Steuerunghalbautomoatisch
AntriebDirektantrieb
AusgangCinch
Vorstufe integriertnein
DAC integriertnein

*Herstellerangaben

Webseite: www.revox.com

Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 01/2024

▶ Lesen Sie hier: Revox B77 MK III: Die legendäre Tonbandmaschine kehrt z​urück

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Fazit
Es scheint paradox, doch der Plattenspieler B791 von Revox erweckt als generalüberholte „Neuerscheinung“ nicht nur die Vergangenheit zum Leben, sondern ist auch zukunftsweisend. Tangential-Tonarm, digital abstimmbarer Direktantrieb mit FF- und Rewind-Funktion und das alles im sportlichen Look eines DeLorean Sportwagens. Dieser Dreher ist eine audiophile Zeitmaschine.
Wiedergabequalität
95
Ausstattung/Verarbeitung
100
Benutzerfreundlichkeit
87
Preis/Leistung
100
Leserwertung0 Bewertungen
0
Vorteile
grandiose Technik
toller Sound
Nachhaltigkeit
Nachteile
keine
96
Gesamtergebnis