Dass Canton gern bewährte Modelle modernisiert, ist bekannt. Mit dem Canton Ergo GS Edition Standlautsprecher haben die Hessen jedoch ihren allerersten Standlautsprecher wiederaufgelegt. Eine Hommage an Gründervater Günther Seitz.
Auftritt einer Ikone
Wir schreiben das Jahr 1972. Das Transitabkommen sowie der Grundlagenvertrag zwischen BRD und DDR sorgen vorläufig für die Normalisierung der Beziehung beider Länder. Auch zwischen den USA und der Volksrepublik China gibt es Annäherungen. Der im November des Jahres wiedergewählte US-Präsident Richard Nixon reist sogar zum Staatsbesuch ins Reich der Mitte. Während UNESCO und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft zahlreiche Beitritte verzeichnen, kommt es im Vietnamkrieg zur sogenannten Oster-Offensive.
Gleichzeitig wachsen die Proteste gegen den Krieg, welcher erstmalig die Schrecken der Front über die noch jungen TV-Geräte direkt in die heimeligen Wohnstuben transportierte. Von dort aus verfolgten auch unzählige gebannt die vorläufig letzte Mondmission der NASA. Eugene Andrew Cernan sollte bis heute als letzter Mensch auf dem Mond in die Geschichtsbücher eingehen. Im selben Jahr fand außerdem, ausgerechnet auf deutschem Boden das schreckliche Terrorattentat auf israelische Athleten und Athletinnen bei den Olympischen Spiele in München statt. Ein Ereignis von bedauerlicher Aktualität.

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Allerdings geschah kulturell auch so manch Erfreuliches im Jahr 1972. So spielten etwa Wings, die Band um Ex-Beatle Paul und seine Frau Linda McCartney ihr Debüt-Konzert. Außerdem geht mit „Morgen ist Gestern“ erstmalig eine deutschsprachige Folge der mittlerweile zu Kultstatus avancierten SciFi-Serie „Star Trek“ auf Sendung.
Dass Pink Floyd bereits an einem Meilenstein der Musikgeschichte schrieben, wusste man damals noch nicht, denn „The Dark Side of the Moon“ sollte erst im Frühjahr des Folgejahres an den Start gehen. Dafür wurden mit Van Halen und City zwei großartige Bands gegründet und auch ABBA, die eigentlich erst zwei Jahre später unter diesem Namen Weltruhm erlangten, produzierten 1972 ihre erste Single „People Need Love“. Außerdem erhält Charlie Chaplin den Ehren-Oscar für seine unschätzbaren Verdienste um die Filmkunst.
Meilenstein der Technikgeschichte
1972 war außerdem das Jahr, in welchem das hereinbrechende Digitalzeitalter am Horizont der Menschheitsgeschichte zu dämmern begann. Hewlett-Packard präsentieren am ersten Februar des Jahres mit dem HP-35 den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner. Hieran war maßgeblich der Entwickler Steve Wozniak beteiligt, der nur wenige Jahre später Apple mit begründete. Währenddessen tüftelten fünf ehemalige Mitarbeiter von IBM an der Gründung des heute wohl bedeutendsten deutschen Unternehmens in puncto Computertechnik: SAP.
Aber auch und vor allem in der HiFi-Branche steppte 1972 der Bär. Schließlich gelten die 1970er heute als das goldene Jahrzehnt des HiFi. Bereits aktive Produzenten bereicherten den noch überschaubaren Markt um Schätze wie etwa einen der ersten Aktivlautsprecher Brigantin 3 VT von Cabasse, den Tuner Citation 14 von Harman Kardon oder den legendären Technics „1210er“, welcher als der meistgekaufte Plattenspieler aller Zeiten gilt.
(Wieder)Geburt einer Legende
Aber auch eine ganze Reihe heute nicht mehr wegzudenkender Akteure der Szene erblickten 1972 das Licht der Welt. Etwa Accuphase, Electrocompaniet, Mark Levinson, NAD und Rega – um nur einige zu nennen. 1972 ist dabei auch das Geburtsjahr eines Unternehmens, das vor allem deutsche HiFi-Geschichte schreiben sollte, wie sonst kaum ein zweites: Canton.
Das Kompositum aus dem lateinischen Wort für Singen „Cantare“ und dem deutschen Wort Ton sollte sich in hiesigen Gefilden zu einem Synonym für herausragenden Sound zu mittelstandskompatiblen Preisen profilieren. Als die vier jungen Unternehmer damals den ersten Regallautsprecher der LE-Serie präsentierten, hatten sie sich wohl kaum träumen lassen, dass sie nur wenige Jahrzehnte später schon aus tausenden Wohnzimmern nicht mehr wegzudenken sein würden. Wahrscheinlich haben wir alle schon mal in den Stuben von Familie oder Freunden ein Paar Karat oder Vento stehen sehen.
Canton – Key-Facts:
Gründungsjahr: 1972
Sitz: Weilrod, Deutschland
Legendäre Produkte: LE-Serie, Ergo, Karat
Webseite: www.canton.de
Canton, übrigens ein Neologismus, der sich aus dem Italienischen Wort Cantare (singen) und dem Wort Ton zusammensetzt, hat die goldene Zeit des HiFi in den 1970er Jahren proaktiv mitgestaltet. Die LE-Serie erfreute sich seinerzeit schnell großer Beliebtheit. Klares unpretentiöses Design im Zusammenspiel mit sauberer und kraftvoller Wiedergabe zu einem unschlagbaren Preis gehören seit jeher zu den Markenzeichen des noch immer von Familienhand geführten Unternehmens.
Made in Taunus
Gefertigt wurden alle Lautsprecher mit dem Namen Canton übrigens damals wie heute im hessischen Weilrod, einem beschaulichen Städtchen im Taunus unweit von Frankfurt am Main. Von der Originalbesatzung des Jahres 1972 ist heute, über fünfzig Jahre später, nur noch Gründervater Günther Seitz regelmäßig anzutreffen. Zwar leitet dieser die Geschäfte nicht mehr persönlich, doch hat er noch einiges mitzureden.
So ist aus seiner persönlichen Leidenschaft für ausgiebige Radtouren durch die Südtiroler Berge mittlerweile eine Firmentradition geworden. Wenn Günther Seitz persönlich zu einer Vorführung erscheint, dann ist der Andrang entsprechend groß. So geschehen auf den Mitteldeutschen HiFi-Tagen im vergangenen Jahr in den Redaktionsräumen von Likehifi.de und der AUDIO TEST in der alten Handelsdruckerei zu Leipzig. Hier präsentierte Seitz Senior persönlich die Neuauflage einer wahren Canton-Legende, der Canton Ergo GS Edition.

Canton Ergo GS Edition
Ihren allerersten Standlautsprecher Ergo brachten Canton im Jahr 1979 auf den Markt. Damals begeisterten die Weilroder ihr Publikum ob eines phänomenalen, beinahe avantgardistischen Designs und einer kraftvollen, jedoch gleichsam ausgewogenen Performance. Dieses Urgestein der Herstellergeschichte hat man, anlässlich des fünfzigsten Jahrestages im vergangenen Jahr noch einmal mit einigen Modernisierungen und dem Kürzel des einstigen Entwicklers Günter Seitz versehen, erneut in Verkauf gebracht.
Der Standlautsprecher Ergo GS Edition gleicht dabei seinem Original augenscheinlich fast bis aufs Haar. Erst ein Blick ins Innere des Schallwandlers offenbart die mannigfachen Updates, welche man dem Leistungsträger spendiert hat. So kommen in Mittel- und Tieftonbereich Cantons bereits mehrfach bewährte und gelobte Chassis mit Keramik-Wolfram-Membran zum Einsatz. Diese Treiber-Technologien konnte in vergangenen Tests wiederholt durch eine große Dynamik, ordentlich Schub und gleichzeitig viel Fingerspitzengefühl überzeugen.
Die mittlerweile Canton-typische Materialkomposition wird aus einem Aluminiumkonus gewonnen, dessen Molekularstruktur zu zwanzig Prozent in die von Keramik umgewandelt und letztlich mit Wolfram-Partikeln veredelt wird. Die extra für die GS-Edition entwickelten Varianten dieses Treibers wurden dabei obendrein in schwarzer Ausführung hinter dem robusten Grill montiert, welcher selbst das Übrige zum ikonischen Vintage-Look des Ergo GS beiträgt.
Der ist in übrigens in puristischer Eichenholzoptik und in Schwarz verfügbar, wobei hier auf einen sonst üblichen aufwendigen Pianolack verzichtet wird. So behält der Vollholzkorpus seine schöne Maserung. Der in seinem Design nur minimal vom Original abweichende Schallwandler vertraut wie sein Vorbild auf eine Konstruktion im offenen 3-Wege-Prinzip. Dabei kommt ein 25 mm großer Hochtöner mit Aluminiumoxid-Keramik-Kalotte zum Einsatz nebst zwei Tieftönern von 22 cm und einem Mitteltöner von 16 cm Durchmesser. Insgesamt deckt das Treiber-Ensemble damit ein Spektrum von 20 Hz bis 40 kHz ab.
Auftritt einer Ikone
Die zweite umfangreiche Modernisierung des Ergo GS Edition fand bei der Entwicklung des Anschlussterminals statt. Wir finden deshalb ein kontaktfreudiges Terminal des deutschen Herstellers WBT. Dieses kann gecrimpte Kabelenden mit einem Querschnitt von bis zu 6 mm² aufnehmen sowie Kabelschuhe und Bananenstecker. Die massearmen Anschlüsse garantieren hier eine originalgetreue Signalübertragung für verlustfreien Sound.
Freilich lässt sich der Ergo GS auch mit entsprechender Verstärkung im Bi-Wiring- beziehungsweise Bi-Amping-Betrieb einsetzen. Insgesamt verträgt der Ergo GS eine Musikbelastung von bis zu 340 Watt und eignet sich somit auch für größere Räume und pegelintensive Hörsessions, wie wir sie nun auch gern durchführen möchten.

Dafür ziehen wir den Naim Nait 50 als Verstärker sowie den generalüberholten Revox Plattenspieler B795 zurate. Beide Geräte sind im Zuge dieses Retro-HiFi-Spezials freilich auch mit eigenen Besprechungen auf den Seiten 70 und 86 in diesem Heft am Start.
Wir heizen mit „Random Access Memories“ von Daft Punk direkt mal das gesamte Verlagsgebäude ein. Der Ergo GS gefällt uns sofort wegen seines wirklich impulsstarken und kraftvollen Druckpunkts. Dabei geht der muskulöse Tiefgang keineswegs auf Kosten eines wirklich fein aufgelösten Hochtons. Vocoder, Gitarren und Synthesizer werden vom Ergo GS mit viel Strahlkraft interpretiert.
Noch eindrücklicher kommt sein Talent für detailreiche Mitten und Höhen bei „Spirit of Eden“ von Talk Talk. Dieses Album gehört für uns zu jedem Test einer vielversprechenden Analog-Kette wie dieser hier. Und das Ensemble um den Ergo GS vermag die extrem nuancenreichen Timbres von Gitarren, Klavier, Schlagwerk et cetera wahrlich meisterhaft wiederzugeben. Der Sound der neuaufgelegten HiFi-Ikone ist extrem plastisch, beinahe holografisch. Nicht nur die spektrale Abstimmung, sondern auch die räumliche Abbildung dieses zu späten Erfolg gekommenen Kult-Albums ist von wirklich ausgezeichneter Natürlichkeit.
Was zu erwarten war…
Ehrlich gesagt überrascht uns diese geniale Performance dieses wiederbelebten Urgesteins nicht im Geringsten. Jedoch kommt der Ergo GS Edition vor allem in dieser Konfiguration mit Naim und Revox mit einem beeindruckend warmen Sound daher, der 200 Prozent Vintage Feel des Analog-Zeitalters in unseren Hörraum zaubert. Wieder mal erweist sich der Spruch „Never change a winning horse!“ nicht als hole Floskel, sondern als Leitspruch für eine nachhaltige Produktphilosophie. Denn warum das Rad neu erfinden wollen, wenn bereits so tolle Geräte vorhanden sind, die lediglich hier und da kleinere Aktualisierung bedürfen?
Canton macht das mit der Neuauflage seines allerersten Standlautsprechers genau richtig. Wir kennen das Prinzip ja auch bereits von anderen Lautsprechermodellen des Herstellers, welche in der Vergangenheit mit Updates versehen wurden, z. B. der Canton Karat GS Edition, die wir auch bereits im Test hatten. Davon dürfen sich andere Akteure gern eine Scheibe abschneiden. Unbedingt mehr davon!

Preis und Verfügbarkeit
Die Canton Ergo GS Edition Standlautsprecher sind im Fachhandel zum Preis von 7.000 Euro (Paarpreis, UVP) erhältlich. Farbausführungen: Eiche Natur Seidenmatt, Eiche Schwarz Seidenmatt.
Datenblatt Canton Ergo GS Edition
Allgemein | |||
Geräteklasse | Standlautsprecher | ||
Hersteller | Canton | ||
Modell | Ergo GS Edition | ||
Preis (UVP) | 7.000 Euro (Paar) | ||
Preiskategorie | Oberklasse | ||
Maße (B/H/T) | 40 x 103 x 40 cm | ||
Gewicht | 39 kg | ||
Informationen | www.canton.de | ||
Technische Daten* | |||
Arbeitsweise | passiv | ||
Bauform | 3-Wege, Bassreflex | ||
Frequenzverlauf | 20 Hz – 40 kHz | ||
Raumempfehlung | von 20 m² bis 50 m² | ||
individuelle Klangeinst. | nein | ||
Eingänge | Bi-Wiring |
*Herstellerangaben
Webseite: www.canton.de
Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 01/2024
▶ Lesen Sie hier: Canton Reference 7 Standlautsprecher

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