Interview des Monats - Jens Ragenow - Pannes Monitor Audio Roksan

Interview des Monats: Jens Ragenow von Pannes Vertriebs KG (u.a. Monitor Audio)

Die letzten beiden Jahre waren keine einfachen für die HiFi-Branche. Kurzarbeit, Ladenschließungen, Messeabsagen, Rohstoffmangel oder Explosion der Transportkosten waren nur einige der Probleme, denen sich Hersteller, Vertriebe und Händler stellen mussten. Wir haben daher mit zahlreichen Branchenvertretern gesprochen und gefragt, wie es um die Audiobranche nach zwei Jahren Pandemie bestellt ist. Heute im Interview zu Gast: Jens Ragenow, Pannes Vertriebs KG (u.a. Monitor Audio, Roksan).

Jens Ragenow von Monitor Audio: „Wir haben zum Teil echte Preisexplosionen erlebt.“

Noch immer hat unsere HiFi-Branche mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Unsere Leser berichten uns vielfach von nicht-lieferbaren Produkten. Lieblings-Lautsprecher, die erst in einem Jahr geliefert werden und Verstärker sowie AV-Receiver, für die keine ausreichenden Chips zur Verfügung stehen. Zudem werden Zulieferpreise in der Industrie teurer, Energie- und Produktionskosten steigen teilweise um ein Vielfaches. Wir fragten Hersteller, Vertriebe und Händler: Wie steht es um die HiFi-Branche 2022*?

Unsere große Interviewreihe zum Zustand der HiFi-Branche geht nun weiter mit Jens Ragenow, Produktmanager für die Marken Monitor Audio und Roksan (und seit neuestem auch Elipson) bei der Pannes Vertriebs KG.

Herr Ragenow, zunächst einmal: können Sie alles liefern, was Ihre Kunden derzeit nachfragen?

Dank sorgfältiger Planung und einem großen Hochregallager in Deutschland: Ja. Wir können nahezu alles entweder sofort oder mit einer kurzen Verzögerung (1-2 Wochen) liefern.

Wie blicken Sie auf die letzten 2 Jahre Pandemie zurück?

Sie hat uns nochmal die Aufgaben eines guten Vertriebes und die Wichtigkeit von engen Partnerschaften zum Fachhandel und dem Hersteller vor Augen geführt. Es gab große Herausforderungen bezüglich der Warenverfügbarkeit und Lagerhaltung aber auch (bedingt durch Lockdown) zeitweise starke Einschränkungen, unsere Produkte dem interessierten Kunden überhaupt vorführen und näher bringen zu können. Bei einem so individuellen und emotionalen Thema wie HiFi war das ein riesiges Problem, welches unsere Fachhändler aber clever gelöst haben. Beispielsweise mit Terminvereinbarungstools im Internet und Besuchen beim Kunden zu Hause. Vielen Dank dafür!

Hat Corona zu Lieferengpässen von Bauteilen geführt?

Ja, aber dieser Umstand war nur zum Teil ein Problem, da viele Komponenten, welche für die Produktion nötig sind, in ausreichender Menge eingelagert sind und die meisten Zulieferer langjährige Partner sind und so gemeinsam Lösungen gefunden wurden.

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Der weltweite Chip-Mangel (u. a. bedingt durch den Brand bei AKM in Japan) trifft natürlich auch die HiFi-Branche, denn längst sind viele Audio-Komponenten digital ausgelegt und benötigen deshalb die entsprechenden Halbleiter.

Wie lange muss der Endkunde im Moment auf ein Produkt aus Ihrem Hause warten?

In der Regel haben wir all unsere Produkte von Monitor Audio, Roksan oder Elipson direkt am Lager in Hamburg, so dass der Endkunde sein Wunschprodukt drei bis vier Tage nach Bestellung beim Fachhändler seiner Wahl in Empfang nehmen oder ein Aufbautermin vereinbart werden kann. Wenn doch mal etwas nicht lieferbar sein sollte, dauert es für gewöhnlich rund ein bis zwei Wochen und der Spaß kann beginnen.

Können Sie überhaupt die Nachfrage erfüllen?

Eine neu eingeführte Produktserie wie beispielsweise die Monitor Audio Silver 7G-Serie stellt unsere Logistikkette schon auf die Probe und es braucht erst Mal ein paar Tage, bis sich alles eingespielt hat. Glücklicherweise arbeiten wir mit international agierenden Herstellern zusammen, die solche Themen weit im Voraus gut planen und kommunizieren, so das auch wir uns entsprechend vorbereiten und unser Lager füllen können. Also: Ja, wir sind trotz einer gestiegenen Nachfrage fast vollständig lieferfähig.

Wäre es aus Ihrer Sicht sinnvoller wieder mehr selbst und vor Ort zu produzieren?

Dass selbst produzieren sinnvoller ist, als sich auf fremde Fabrikanten zu verlassen, erleben wir mit Monitor Audio und Roksan hautnah. Probleme lassen sich rechtzeitig erkennen und es kann viel effizienter gegengesteuert werden, als das mit einem Auftragsfertiger je möglich wäre. Bei einem global agierenden Unternehmen wie der Monitor Audio Group muss man sich zudem die Frage stellen, was „vor Ort“ eigentlich heißt. Was für uns viel wichtiger ist: Wir haben an unseren Produktionsstandorten in England und China Mitarbeiter, die zum Teil bereits über 40 Jahre im Unternehmen sind und jedes Produkt bis ins letzte Detail kennen. Diese Menschen bringen eine unfassbare Expertise mit, die bei einer Produktionsverlagerung unweigerlich verloren gehen würde. Zudem kommen einzelne Rohstoffe und Bauteile für unsere Produkte ohnehin aus aller Herren Länder, womit es aus meiner Sicht die reibungslose Produktion eher eine Frage der Organisation als des Standortes ist.

Wie ist aus Ihrer Sicht die Preisentwicklung im HiFi-Segment? Haben die Kunden höhere Preise in Kauf nehmen müssen, um ggf. höhere Produktionskosten auszugleichen?

Wir haben zum Teil echte Preisexplosionen erlebt – und erleben sie immer noch. Die Frachtkosten haben sich vervielfacht, die Preise für Holz und nahezu jedes weitere Bauteil gehen geradezu durch die Decke, Energiekosten steigen immer weiter… Wir warten mit jeder Preisanpassung ab, um festzustellen, ob es sich lediglich um eine temporäre Erscheinung handelt, welche wir nur überbrücken müssen oder ob sich eine neue, nachhaltige dauerhafte Situation einstellt. So haben wir in der Vergangenheit beispielsweise bei der Monitor Audio Gold- und Studio-Serie auch schon Preise gesenkt. Die jetzige Situation zwingt uns derzeit dazu, unsere Preise bei Monitor Audio und Roksan zum April 2022 um rund fünf Prozent anheben, um diese Entwicklungen zumindest ein Stück weit auszugleichen. Dies beobachten wir auch bei vielen unserer Mitbewerber. Also klares Ja, die Preise werden steigen oder sind sogar schon gestiegen.

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Nicht nur der Mangel an Bauteilen und Rohstoffen trifft die HiFi-Branche, auch die globalen Lieferketten sind aufgrund der Coronakrise gestört. Die Transportpreise stiegen teilweise derart, dass sich die Produktion im Inland und der EU wieder lohnt.

Könnte damit HiFi für den Kunden neben der Erfüllung persönlicher Bedürfnisse und Wünsche auch eine kluge Geldanlage sein?

HiFi ist IMMER eine kluge Wertanlage! Eine klug zusammengestellte HiFi- oder Heimkinoanlage bringt einen auf Knopfdruck in andere Welten, vermittelt große Gefühle und sorgt für Begeisterung – und das ganz bequem und jeden Tag in den eigenen vier Wänden. Und das alles mit einer einzigen Investition. Wo geht das sonst?

Vermissen Sie den Kontakt zum Kunden auf Messen?

Messen sind die perfekte Gelegenheit, sich mit Fans und Kritikern, mit Musikliebhabern und Technikbegeistern zu treffen, auszutauschen und zu vernetzen. Eben mit den Menschen, die uns unsere Leidenschaft – HiFi und Heimkino – überhaupt erst ermöglichen. Die wahrscheinlich besten Erinnerungen an Messen sind endlose Diskussionen und Gesprächsrunden in Hörräumen und auf den Fluren von HiFi-Messen mit Endkunden, die „nur noch eine Frage haben“ oder „noch mal schnell etwas hören wollen“. Allerdings leisten unsere Fachhändler vor Ort hier eine tolle Arbeit und das „Messe-Feeling“, die spannenden Gespräche und das Probe hören lässt sich hier ebenfalls erleben. Nicht umsonst gibt es in der AUDIO TEST unter anderem ja auch die Kategorie „Fachhändler des Monats“, die dies noch einmal wirkungsvoll unterstreicht.

Die MDHT, NDHT, DHT und die HIGH END wollen mit Einschränkungen wieder in diesem Jahr für die Kunden die Möglichkeit schaffen, HiFi vor Ort zu erleben ( siehe Interview). Kann das 2022 angesichts hoher Infektionszahlen „schon wieder“ gelingen?

Regionale Messen sind stets ein Ort der Zusammenkunft und des Beisammenseins. Sollten die Infektionszahlen weiterhin so hoch bleiben und wir nur mit starken Einschränkungen (bspw. starker Begrenzung der Personenzahl) zusammenkommen dürfen, wird es wohl mehr Sinn ergeben, die Messen noch ein weiteres Jahr zu schieben. Auf das Erlebnis HiFi muss dank unserer über 60 qualifizierten und motivierten Fachhändler in Deutschland aber niemand verzichten. Eher im Gegenteil, kann sich hier der Besucher doch seine ganz eigene Auswahl zusammenstellen, die Produkte seiner Wahl 1:1 vergleichen und sich kompetent beraten zu lassen. Quasi „Messe for One“.

Herr Ragenow, vielen Dank für das Gespräch.

Webseite: www.derbesteklang.de

*Anmerkung: Zum Zeitpunkt des Interviews war eine friedliche Lösung des Ukraine-Konflikts noch in Reichweite. Der fürchterliche Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Folgen sind daher hier nicht thematisiert worden. Dieses Interview erschien vorab in gedruckter Form in einem großen Leitartikel zum Thema „Corona, Inflation und die HiFi-Branche“ in AUDIO TEST Ausgabe 03/22.

▶ Lesen Sie hier: Test der Monitor Audio Bronze 500 (6G) Standlautsprecher

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Bildquellen:

  • Chipmangel: Tryfonov/stock.adobe.com
  • Bau-und-Rohstoffmangel-Seite-14: ake1150/stock-adobe.com
  • Interview Jens Ragenow – Monitor Audio & Roksan: Auerbach Verlag / Deemerwha studio/stock.adobe.com / Tryfonov/stock.adobe.com / ake1150/stock-adobe.com / Grecaud Paul/stock.adobe.com / Pannes Vertriebs KG