Album des Monats: Tracy Chapman - Tracy Chapman - (1988 - 35 Jahre)
WMG (Warner Music Group) / Janette Beckmann

Album des Monats: Tracy Chapman – Tracy Chapman – (1988)

„Don’t you know, they’re talking about a revolution, it sounds like a whisper…“. So beginnen die ersten Zeilen eines der weltweit berühmtesten Protestsongs und damit startet gleichzeitig auch eines der besten Musikalben der 1980er. Klar, die Rede ist von Tracy Chapmans selbstbetiteltem Debütalbum, das vor ziemlich genau 35 Jahren erschien. Unser heutiges Album des Monats.

Dabei begann alles 1988 mit einem Konzert im Londoner Wembley-Stadion für den damals noch inhaftierten Nelson Mandela. 600 Millionen Menschen schauten am 11. Juni 1988 an den Fernsehgeräten zu und machten die damals 24-jährige Tracy Chapman schlagartig zu einem großen Star.

„Kurz zuvor war ich noch in Cafés und Klubs vor überschaubarem Publikum aufgetreten“, erinnert sich Chapman. „Ich war total nervös, wollte mir aber nichts anmerken lassen.“ Allerdings gehörte Chapman bei dem Anti-Apartheid-Event in London gar nicht zu den Hauptacts. Angeblich waren es technische Probleme rund um den Auftritt von Stevie Wonder, die sie zur besten Sendezeit noch einmal allein mit ihrer Gitarre in den Händen zurück auf die Bühne brachten.

Eine Chance, die nur Ausnahmetalente zu nutzen wissen. Dabei spielte sich Tracy Chapman mit dieser Performance in die Herzen von Musikfans weltweit und so kürte das Rolling Stone Magazin Tracy Chapman zur Sängerin des Jahres 1988.

Ein Sound als Gegenentwurf

Ganz anders, als der in den 1980ern so populäre Synthesizer-Sound der Popmusik überzeugte Tracy Chapman mit ihrem textlich sehr direkten, emotional berührenden und vor allem menschlichen Sound. David Kershenbaum, ihr Produzent (u.a. Duran Duran, Bryan Adams) und Förderer sorgte dafür, dass Chapmans charakteristische Stimme und die akustische Gitarre immer im Mittelpunkt standen, sobald sie im Studio war.

Die 11 Songs auf dem Debütalbum stehen ganz im Zeichen des politischen und sozialen Engagements der Künstlerin. Darauf angesprochen entgegnete Tracy Chapman: „Ich werde von vielen Organisationen und Menschen angesprochen, die wollen, dass ich ihre verschiedenen wohltätigen Bemühungen in irgendeiner Weise unterstütze. Ich schaue mir diese Anfragen an und versuche im Grunde genommen, das zu tun, was ich kann. Und ich habe bestimmte eigene Interessen, in der Regel ein Interesse an den Menschenrechten“.

Musikalische Früherziehung

Aufgewachsen ist Tracy Chapman in Cleveland, Ohio. Von der alleinerziehenden Mutter bekam sie im Alter von 3 eine Ukulele geschenkt und so lernte Chapman bereits als Kind Gitarre und Klavier spielen. Mit 8 Jahren schrieb sie erste eigene Songs. Als Teenager machte sie Straßenmusik und konnte dank eines Stipendium ihr Anthropologiestudium an der privaten Tufts University in Boston, Massachusetts beginnen.

„Als ich anfing, mir das Spielen selbst beizubringen, begannen meine Finger zu bluten. Aber ich liebte es einfach und bin dabeigeblieben.“ erinnert sich Tracy Chapman. Leidenschaft und Hingabe für die Musik gab es also bereits, als sie noch sehr jung war.

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Songs für die Ewigkeit

Für den Opener „Talkin’ Bout a Revolution“ hatte Chapman mit gerade einmal 16 Jahren die Melodie geschrieben. Das Lied brachte ihr 1987 den ersten Plattenvertrag bei Elektra Records ein, als ihr Kommilitone Brian Koppelman seinen einflussreichen Vater – ein bekannter Musikverleger – auf die junge Stimme aufmerksam machte.

Schon Mitte der Achtzigerjahre sang Tracy Chapman in Coffeehouses und Studentenklubs, Musik war nicht mehr als ein Hobby – „eigentlich wollte ich mein Studium zu Ende bringen und mir einen Job suchen“. Überhaupt ist Tracy Chapman eine Künstlerin, die das Rampenlicht scheut. In der Tat ist sie so etwas wie eine Figur der Gegenkultur, die nie wirklich versuchte in den Mainstream zu gelangen. Doch sie macht natürlich auch Ausnahmen.

So trat Tracy Chapman am 2. November 2020, einen Tag vor den Präsidentschaftswahlen in den USA, mit „Talkin‘ Bout a Revolution“ bei Late Night with Seth Meyers auf, um die Zuschauer an die Wahlurnen zu bewegen. Dieser erste Auftritt nach fünfjähriger TV-Abstinenz soll tatsächlich auch das Wahlergebnis beeinflusst haben. Auch Bernie Sanders nutzte die leise Friedenshymne für seinen Wahlkampf im Jahr 2016.

Als dritte Single wurde der Song „Fast Car“ veröffentlicht und komplett von Tracy Chapman geschrieben. Bis zum besagten Konzert für Nelson Mandela war es relativ ruhig um den Song. Rückblickend ist „Fast Car“ allerdings ein herausragendes Beispiel aus Chapmans früher Karriere. Wie bei fast allen Songs auf dem Debütalbum geht es um die Trostlosigkeit des Alltags, soziale Probleme und Kehrseite des American Dream.

35 Jahre nach dem Release des Albums haben diese Themen nichts an Aktualität eingebüßt, eher im Gegenteil. An Zeitlosigkeit ist „Tracy Chapman“ daher nicht zu überbieten. Sicher auch ein Grund für die Popularität der Folksängerin – bis heute.

Bei den 31. Annual Grammy Awards 1989 wurde „Fast Car“ mit 3 Nominierungen in den folgenden Kategorien beste weibliche Pop-Gesangsdarbietung, Song des Jahres und Platte des Jahres geehrt. Schließlich gewann Chapman je einen Grammy Award für die beste weibliche Pop-Gesangsdarbietung, bester neuer Artist und bestes zeitgenössisches Folk-Album.

Oft kopiert, nie erreicht

Album des Monats: Tracy Chapman - Tracy Chapman - (1988 - 35 Jahre)
Bild: WMG (Warner Music Group) / Herb Ritts Foundation

Zu den populärsten Titeln Chapmans erster Platte zählt zweifelsohne die Ballade „Baby Can I Hold You“. Selbst Neil Diamond hatte den Song für sein 1988er Album „The Best Years of Our Lives“ gecovert. Erfolgreiche Versionen erschienen auch von Ronan Keating und Boyzone, wobei seinerzeit deren Interpretationen chartmäßig besser abschnitten als das Original.

Die „Urversion“ Chapmans schaffte es lediglich in Portugal auf Platz 1. In den US Billboard Hot 100, sowie in einigen anderen Ländern reichte es für Chartplatzierungen. Nur in die britischen Single-Charts schaffte es der Song nicht.

In die internationalen Schlagzeilen schaffte es der Titel 2020, als die US-amerikanische Rapperin Nicki Minaj endlich einen Fall beilegte, der 2018 von Tracy Chapman gegen sie angestrengt wurde. Im Grunde wurde Minaj beschuldigt den Song „Baby Can I Hold You“ gesampelt zu haben, auch nachdem es ihr vorab untersagt wurde. Allerdings wurde der daraus resultierende Song, auf dem Nicki Minaj dieses Sample verwendete („Sorry“ feat. Nas) aufgrund von Chapmans fehlender Zustimmung nie offiziell veröffentlicht.

Minaj gab ihn einzig dem bekannten New Yorker DJ Funkmaster Flex, wodurch der Song indirekt an die Öffentlichkeit gelangte. Am Ende entschied ein Gericht, dass Nicki Minaj 450.000 Dollar zu zahlen hätte und die Sache wurde endgültig zu den Akten gelegt.

Die Tatsache, dass eine Künstlerin so häufig kopiert und thematisiert wird, sagt viel über ihren Stellenwert in der Musikbranche aus. Tracy Chapman gehört sicher zu den ganz großen Vertreterinnen des Genres. Neben der Strahlkraft ihrer einzigartigen Stimme ist es besonders das Engagement für eine gerechtere Welt, was Tracy Chapman zu einer Ausnahmekünstlerin macht. Wo zahlreiche Künstler nur ansatzweise versuchen, ihren Einfluss auf die Tagespolitik zu nutzen, ging sie in die Vollen und konnte tatsächlich etwas bewirken.

Chapman erhielt 1997 die Ehrendoktorwürde der Saint Xavier University in Chicago. 2004 wurde sie in Anerkennung ihres Engagements für sozialen Aktivismus von ihrer Alma Mater, der Tufts University, die Ehrendoktorwürde in bildender Kunst verliehen.

Tracy Chapman heute

Abgesehen von dem besagten Urheberrechtsstreit war es die letzten Jahre doch recht ruhig geworden um Tracy Chapman. Sie ist immer noch im Musikgeschäft unterwegs, aber in letzter Zeit nicht wirklich aktiv. Ihr letztes und mittlerweile achtes Studioalbum „Our Bright Future“ erschien im Jahr 2008.

Sieben Jahre später veröffentlichte sie eine Greatest-Hits-Compilation und erzählte kürzlich in einem Fan-Interview, dass sie noch nicht im Ruhestand sei: „Ich liebe es, Musik zu machen, und der Plan ist, weiterzumachen. Es gab viele Fragen zu einem neuen Studioalbum und einer neuen Tour. Derzeit gibt es für beides keine Pläne, aber wenn sich das ändert, werden ich es euch mitteilen.“

An den großen Erfolg ihres Debütalbum sollte keines der Folgealben anschließen können. Dieses hat sich bis heute weltweit über 28 Millionen Mal verkauft, wurde gut 500 Millionen Mal gestreamt und bescherte Tracy Chapman insgesamt drei Grammy Awards. Wir sind gespannt wie es weiter geht und spielen bis dahin ihr zeitloses Klassiker-Debütalbum weiter auf Repeat. ■ Text: Christian Kautz, Benjamin Mächler

Album des Monats: Tracy Chapman - Tracy Chapman - (1988 - 35 Jahre) Vinyl Schallplatte
Die hier abgebildete EU-Pressung von 1988 gibt es für durchschnittlich 26 Euro auf Discogs zu kaufen. (Bild: Auerbach Verlag)

Tracy Chapman – Tracy Chapman – Tracklist

  1. Talkin’ Bout a Revolution – 2:38
  2. Fast Car – 4:58
  3. Across the Lines – 3:22
  4. Behind the Wall – 1:46
  5. Baby Can I Hold You – 3:16
  6. Mountains o’ Things – 4:37
  7. She’s Got Her Ticket – 3:56
  8. Why? – 2:01
  9. For My Lover – 3:15
  10. If Not Now… – 2:55
  11. For You – 3:09

Erscheinungsdatum: 5. April 1988

Label: Elektra Records

Spielzeit: 36:11 Minuten

Formate: CD, LP, MC, Digital (Download, Streaming)

Webseite: www.warnermusic.de/tracy-chapman

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Bildquellen:

  • Tracy-Chapman-Portrait: WMG (Warner Music Group) / Herb Ritts Foundation
  • Tracy Chapman Portrait 1988: WMG (Warner Music Group) / Janette Beckmann