Test: Sennheiser IE 600- Audiophile / HiFi In-Ear Kopfhörer

Test: Sennheiser IE 600 – Audiophile / HiFi In-Ear Kopfhörer

Das Schönste am Testen der derzeit neusten Kopfhörersensationen ist, dass wir auf diesem Weg, endlich Hand an diese kleinen Klangwunder legen können. Und wir verlassen die mitunter recht klinische Laborsituation in unserem professionellen Testbereich und überführen die technischen Wunderwerke im Härtetest in typische Alltagssituationen – wie den Sennheiser IE 600.

In-Ear-Charmeur

Gegenstand unseres redaktionellen Eifers ist diesmal ein Vertreter der ambitionierten IE-Serie aus dem Hause Sennheiser, namentlich der Sennheiser IE 600 In-Ear. Dabei handelt es sich um einen detailreichen und gleichermaßen audiophilen In-Ear Kopfhörer, der durch seinen paritätischen Frequenzgang eine besonders unverfälschte, respektive natürliche Klangwiedergabe verspricht.

Bemerkenswert an dem Release des 600er-Modells ist, dass es sich dabei um die Mittelklasse der IE-Produktlinie von Sennheiser handelt. Der Preisunterschied zur Premiumausgabe IE 900 beträgt indes rund 900 Euro. Den Test des IE 900 finden Sie übrigens in AUDIO TEST Ausgabe 05/21 oder hier auf www.likehifi.de.

Test: Sennheiser IE 600- Audiophile / HiFi In-Ear Kopfhörer
Zwei MMCX-Kabel in 4,4 mm (balanced) und 3,5 mm (single ended) komplettieren den Lieferumfang des In-Ear-Kopfhörers.

Mission Zukunft

Der Sennheiser IE 600 In-Ear Ohrhörer wird lobenswerterweise in Deutschland konzipiert und im europäischen Irland im hochmodernen, unternehmenseigenen Werk von Sonova Consumer Hearing gefertigt. Im Zentrum des vielschichtigen Produktionsprozesses, an dessen Ende sich das fertige Gehäuse in Gussoptik materialisiert, steht dabei ein innovatives 3D-Druckverfahren aus ZR01-amorphem Metall. Dieser exklusive Werkstoff, der sich durch seine glasartige Struktur auszeichnet, hat sowohl die dreifache Härte als auch Biegefestigkeit von modernen Hochleistungsstahlerzeugnissen.

Höher, schneller, weiter

Darüber hinaus kommt ZR01 sonst nur in der Luft- und Raumfahrtindustrie zum Einsatz, wie zum Beispiel im Mars-Rover. Ein weiterer Vorteil des zu 100% zukunftsfähigen Materials ist, dass bei der Fertigung eine optisch ansprechende, seidenmatt schimmernde Oberfläche entsteht, die sich im Test als außerordentlich widerstandsfähig gegenüber Korrosion und Kratzern zeigt und sich solide und wertig anfühlt.

So bleibt der Sennheiser IE 600 In-Ear Kopfhörer perspektivisch über viele Jahre in Betrieb, ohne hinsichtlich der optischen Performance etwaige Spuren zu verzeichnen. Auch wenn sich beim näheren Hinsehen das ein oder andere Plastikelement in die Konstruktion mit eingeschlichen hat.

Die Auswahl an Zubehör, die der IE 600 als Mitgift in die Ehe bringt, ist äußerst reichhaltig. Ohrstücke in drei Größen, sowohl aus Silikon als auch Memory Foam, ein Reinigungstool, eine Transporttasche sowie zwei MMCX-Kabel in 4,4 mm (balanced) und 3,5 mm (single ended) komplettieren den Lieferumfang des In-Ear-Kopfhörers. Wobei sich die Frage aufdrängt, wieso sich Sennheiser sich nicht für die handelsüblicheren 2,5 mm (single ended) entschieden hat. Dafür besteht eben die Auswahl zwischen Para-Aramid-verstärkten unsymmetrischen und symmetrischen Kabeln.

Comfy..?

Beim Tragekomfort müssen wir keinerlei Abstriche machen. Die IE 600 von Sennheiser schmiegen sich nach Auswahl des passenden Ohrstücks – wir empfehlen „nachdrücklich“ Memory Schaum – angenehm in die Hörmuschel. Der flexible Ohrbügel hält die Kopfhörer auch bei größerem Bewegungsdrang sicher am Platz.

Was die Dauer des Tragekomforts angeht konstatieren wir: stundenlange Hörsessions sind mit den In-Ear-Charmeuren von Sennheiser problemlos möglich. Und wahrscheinlich wird der Tragekomfort der IE-Serie sogar kaum von einem anderen In-Ear-Modell übertroffen. Aber seien wir ehrlich: Wir müssen schon ein bisschen Fan davon sein, ein Objekt, so anschmiegsam es auch sein mag, unmittelbar über viele Stunden im Ohr zu tragen.

Test: Sennheiser IE 600- Audiophile / HiFi In-Ear Kopfhörer
Im innovativem 3D-Druckverfahren hergestellt. Der ansprechende Body der IE-600 aus amorphen ZR01. Ein Werkstoff der Zukunft, der sonst in der Raumfahrt eingesetzt wird.

Harte Fakten

In Sachen Specs gilt es unsere Aufmerksamkeit auf die präzisionsgefertigten Resonanzkammern im Inneren des Ohrhörers zu lenken. Ihr akustisches Rückvolumen wurde tonal auf einen besonders neutralen Klang abgestimmt. Trotzdem wird den Sennheiser IE 600 nachgesagt, eine bemerkenswert räumliche Präsenz zu kreieren, die von einer kraftvollen und dennoch fein texturierten Tieftonwiedergabe flankiert wird.

Das Herzstück des akustischen Systems ist ein 7-mm-Treiber. Der sogenannte TrueResponse-Schallwandler, deckt laut Herstellerangabe einen besonders großen Frequenzbereich verzerrungsfrei ab. In der Schallführung zwischen Wandler und Ohrkanal arbeiten ergänzend D2CA-Zweikammer-Absorber.

Die Kammern sind dabei so präzise geformt, dass selbst die filigransten Tonelemente hörbar gemacht werden. Maskierende Frequenzen, welche die Qualität des Hörerlebnisses beeinflussen, werden hingegen sämtlich absorbiert. Hinsichtlich der V-Shape-Signatur kann der IE 600 durchaus mit den Klangeigenschaften seines großen Bruders, dem IE 900 mithalten.

Die Weite der Soundstage und das holographische Imaging sind durchaus im High-End-Bereich zu verorten. Allerdings müssen wir bei den hochauflösenden, jedoch vergleichsweise etwas harsch abgestimmten Höhen, im Vergleich zum Spitzenmodell IE 900 ein paar Abstriche machen.

Etwas Epicness gefällig?

Für das nachfolgende Hörerlebnis entscheiden wir uns für den amerikanischen Klassiker „My Rifle My Pony & Me“ aus dem Monumental-Western „Rio Bravo“ aus dem Jahr 1959 mit John Wayne in der Hauptrolle. Komponiert von Dimitri Tiomkin und unsterblich interpretiert vom unvergessenen Dean Martin. Dieses feingeistig instrumentierte Stück Filmmusik erscheint uns ebenso wie der sonore Facettenreichtum von Dean Martins Stimme besonders geeignet, die viel gerühmte Natürlich- und Feinfühligkeit der IE 600 In-Ears von Sennheiser auf die Probe zu stellen.

Das Stück startet mit der ikonischen Phrasierung des Präludiums durch eine folkloristische Fidel. Nur für Sekunden schwebt sie allein, um sogleich vom Martins bassigen Backroundvocals melodiös in die Weite des Raums getragen zu werden. Das Ende, des nur Momente währenden Intros wird durch ein filigranes Gitarrenarpeggio markiert, das im Aushall ebenfalls zu schweben scheint.

Im nachfolgenden Auftakt nimmt die Dynamik des Songs für einen kurzen – mehr gefühlten – Moment ab, um Martins sanfter und vollmundig sonorer Stimme einen Teppich für das nachfolgend hymnische Präludium auszurollen: „The sun is sinking in the west.“

Dabei gibt sich der Sennheiser In-Ear IE 600 nicht einen Moment lang die geringste Blöße. Jedes Instrument ist an seinem Platz, in der Tiefe und Weite der Prärie, getaucht in den blutroten Sonnenuntergang über dem Rio Bravo. Dezent möchten wir den Charakter das Sounds nennen, dezent und doch hochauflösend und gleichzeitig natürlich.

Test: Sennheiser IE 600- Audiophile / HiFi In-Ear Kopfhörer
Für alle Eventualitäten gewappnet, der IE-600 geizt nicht mit einer reichhaltigen Auswahl an Zubehör.

Himmlisch helle Rockmomente

Trauen wir uns musikalisch mal etwas Wilderes, um die Sennheiser IE 600 etwas zu fordern und hören zum Abschluss ein bisschen Metalmusik von Earth. Deren Frontmann Dylan Carlson und Kurt Cobain verbindet neben einer Jugendfreundschaft, der verhängnisvollen Leidenschaft für harte Drogen und der noch verhängnisvolleren Übergabe einer Pump-Action-Gun, vor allem die Musik.

Ein Relikt ihrer bei Seelenverwandtschaft ist der Track „Divine and Bright“ dessen Vinylpressung 2003 in einer Auflage von nur 1000 Stück von Carlson autorisiert wurde. Nachdem wir den kleinen Sammler-Schatz auf den Technics SL-1210MK2 mit Ortofon Blue-System geschleudert haben, vernehmen wir nach dem altbekannten Knistern der Nadel, schon das satte Stoner-Riff von Dylan Carlson höchstselbst.

Die Weite der Live-Atmosphäre der Liebhaberaufnahme präsentiert sich über den In-Ears von Sennheiser dezent. Der Gitarrensound hingegen ist angenehm satt. In der Tiefenstafflung gestaltet sich der IE 600 voluminös und klar texturiert. Im Höhenspektrum müssen wir ab Einsatz des Schlagzeuges stellenweise die ein oder andere zischelnde Snare hinnehmen.

Cobains Stimme wird von den IE 600 geltungsreich in all ihrem habituellen Schmerz und in ihrer Emotionalität in Szene gesetzt. Viel Text braucht es dafür jedenfalls nicht. Allerdings hätten wir uns gerade im repetitive Unisono-Part der Rockgötter einen Kopfhörerverstärker gewünscht, um die leicht überbetonten Höhen etwas nachzuregeln. ■ Text: Patrice Lipeb, Thomas Kirsche

Preis und Verfügbarkeit

Der Sennheiser IE 600 Ohrhörer ist zu einem Preis von 699.- Euro (UVP) im Fachhandel oder direkt im Sennheiser-Shop erhältlich.

Website: www.sennheiser-hearing.com/de

Anmerkung: Dieser Testbericht erschien zuerst in AUDIO TEST Ausgabe 05/2022

▶ Lesen Sie hier: Test: Sennheiser IE 900 – Audiophiler In-Ear-Kopfhörer / Ohrhörer

AUDIO TEST Ausgabe 03/2024 HiFi Review kaufen Magazin

+++ Die neue AUDIO TEST Ausgabe ab 23. März 2024 im Handel oder ganz einfach und bequem nach Hause bestellen:www.heftkaufen.de/audio-test

Oder gleich ein Abo abschließen und das Heft pünktlich und direkt frei Haus liefern lassen:
www.heftkaufen.de/abo-audio-test +++

Fazit
Im Ganzen präsentiert sich uns der Sennheiser IE 600 als herausragendes Produkt der gehobenen Mittelklasse, das durch ein fein abgestimmtes Tuning den ambitionierten Ansprüchen der IE-Produktlinie mehr als gerecht wird. Holographisches Sound-Imaging und hochauflösende Sounds inbegriffen. Der Tragekomfort ist phänomenal und der Lieferumfang lässt, bis auf das nicht vorhandene handelsübliche 2,5 mm-Anschlusskabel, keine Wünschen offen.
Wiedergabequalität
94
Ausstattung/Verarbeitung
99
Benutzerfreundlichkeit
91
Preis/Leistung
82
Leserwertung8 Bewertungen
79
Vorteile
Markante, jedoch niemals plottende Tiefenstaffelung
weites und offenes Soundbild
hoher Tragekomfort
Nachteile
Leicht überbetonte Höhen im Vergleich zum IE 900
93
Sennheiser IE 600

Bildquellen:

  • Sennheiser IE 600 Test Review: Sennheiser