Test: Arcam FMJ G A39 Stereo-Vollverstärker
Auerbach Verlag

Test: Arcam FMJ G A39 Stereo-Vollverstärker

Bereits im Jahre 1976 begann Arcam unter dem Namen A&R Cambridge die ersten Verstärker zu bauen. Der erste seiner Art hieß damals A60. Wir haben uns das aktuelle Modell, den Arcam FMJ G A39 im Test für Sie angeschaut.

British Understatement

Hinsichtlich Namensgebung hat sich also auf der Insel lange nichts getan. Wenn man sich die verbaute Technik anschaut, dafür umso mehr. Mittlerweile ist man bei mehrfach preisgekrönten Geräten angekommen und hat einen Ruf zu verteidigen. Die letzten Jahre konnte vor allem der kleine A19 demonstrieren, dass die schlichten Geräte Arcams mehr leisten, als man auf den ersten Blick vermutet.

Auch der neue A39, der korrekterweise FMJ G A39 heißt, soll nun in diese Fußstapfen treten. Dabei steht das G in der Bezeichnung für eine von Arcam neu entwickelte Verstärkerschaltung, der so genannten G-Klasse. Dieses Verstärkerprinzip haben die Briten bereits mit Erfolg in den hauseigenen Heimkinoverstärkern der 600er und 750er Serie getestet. Nun ist es also an der Zeit, das höchst anspruchsvolle High-End Publikum zu begeistern. G-Klasse, oder auch Class-G, steht dabei für eine Weiterentwicklung der bereits etablierten AB-Schaltung, die sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Arcam hat dieses Konzept erweitert und die Leistungsverstärkung dynamisch und anforderungsabhängig gestaltet. Das bedeutet, der Verstärker arbeitet mithilfe eines Hochgeschwindigkeitsnetzeils in zwei Arbeitsbereichen, einem für niedrige Leistungen, quasi dem Economy-Modus und einem für hohe Leistungen, also dem Party- oder sagen wir mal lieber Premiumbereich.

Je nach Situation wird extrem schnell zwischen zwei Stromschienen hin- und hergeschaltet und das Potential freigegeben oder zurückgehalten. Das hat eine sehr vorbildliche Ökobilanz zur Folge, da dadurch wesentlich weniger nicht benötigte Leistung in Abwärme umgewandelt wird. Da freut sich nicht nur die Umwelt, auch der Analogliebhaber wird sich freuen, denn ohne dabei digital zu werden, kommt man damit fast schon an die Effizienz von Class-D-Verstärkern heran. Die zur Verfügung stehende Leistung ist trotz der imaginären, grünen Plakette am Gerät beachtlich und muss sich keineswegs verstecken. Mit 120 Watt pro Kanal an 8 Ohm und 240 Watt an 4 Ohm bedient der A39 leichten Fußes auch leistungshungrige Mitspieler.

Eingangsseitig bietet der sonst eher unscheinbare Brite eine Flut an Chinch-Buchsen für mehr als genug Zuspieler. Wem die sechs Line-Eingänge nicht reichen und wer auf Vinyl verzichten kann, dem sei verraten, dass man den Phono-Eingang auch auf Line umschalten kann. Symmetrische Eingänge gibt es allerdings erst beim großen Bruder dem A49, was aber zu verschmerzen ist. Auf digitale Eingänge wird gänzlich verzichtet, was den A39 zumindest in den Audiowegen zu einem echten Analog-Puristen macht, aber auch hier keine Panik, es ist nämlich möglich, nachträglich – falls man doch nicht ganz ohne Dualität der Nullen und Einsen überleben kann – ein zusätzliches, internes Netzteil nachzurüsten, mit dessen Hilfe man die Arcam Series direkt am Vertärker betreiben kann. Mit dieser Option hätte man dann sogar noch die Qual der Wahl, welcher DAC es denn sein soll. Es ist also an alles gedacht. Nur nicht unbedingt alles bewußt gezeigt. Ganz Understatement eben.

Einen gewissen Retro-Charme strahlt auch das Punktmatrixdisplay aus, was darüber hinaus für eine hervorragende Lesbarkeit auch auf große Distanzen sorgt. Die Kontrolle des Verstärkers ist demnach über Mikroprozessoren gestaltet, was auch den USB-Anschluss für Softwareupdates auf der Rückseite des Gerätes erklärt. Eine positive Überraschung war die beiliegende Fernbedienung, die alle anderen Arcam-Geräte gleich mit steuern kann, so dass man sich bei der üblichen Suche nur auf eine Fernbedienung konzentrieren muss. Sie bediente ebenfalls wohl eher unabsichtlich unseren temporär zum Test aufgebauten Netzwerkplayer eines anderen Herstellers gleich mit. Was zuerst für Verwirrung sorgte, zeichnete uns bei genauerer Betrachtung ein kleines Schmunzeln ins Gesicht. So konnten wir ganz bequem Tracks am Netzwerkplayer auswählen und in den Ordnern unseres Redaktionsnetzwerk stöbern und gleichzeitig mit nur einer Fernbedienung einen Verstärker testen. Ob das bei allen anderen Geräten auch so gut funktioniert, können wir natürlich nicht garantieren.

Die Fernbedienung wirkte sonst aber sehr aufgeräumt und übersichtlich. Die komplette Verarbeitung ist schlicht, aber nicht sparsam. Im Detail liegt die Qualität. Das wird vor allem bei dem überdimensionalen Ringkerntrafo deutlich, aber auch bei der Kombination aus passivem Kühlkörper und nach Bedarf aktiver Lüfterkühlung, was durchaus Sinn macht. Erst wenn wirklich Leistung gefordert wird, schalten sich die kleinen und ultraleisen Lüfter dazu. Das geschieht voraussichtlich nur dann, wenn die vom Verstärker geforderte Lautstärke die Lüftergeräusche relativiert. Doch nicht nur die Schaltung und der Aufbau des Arcam A39 machen Sinn, auch der Sound bringt ein beeindruckendes Gefühl für Größenverhältnisse mit sich.

Das Stereobild ist breit gefächert und differenziert, die Relationen sind authentisch und sprechen für eine saubere Kanaltrennung. Der Klang in den unteren Mitten und im Bass bringt ein solides und potentes Fundament mit sich, klingt aber nicht aufdringlich. Eher schon autoritär. Man spürt, wie der A39 mit jedem Pegelsprung selbstbestimmt ausdrückt, was andere Verstärker an ihre Grenzen bringt. Impulsivität ist definitiv seine Stärke. Dabei wirkt er im direkten Vergleich sogar noch empathischer und musikalischer als so mancher Schönzeichner seiner Klasse. Das drückt sich vor allem in der Tiefe und Feinzeichnung von Räumen und Effekten aus. Dazu tragen auch seine natürlichen Höhen bei. Diese sind nicht überbetont, sondern angenehm weich und warm, jedoch nicht verfälscht, oder abgeschwächt. Das war am deutlichsten bei Grammy-Preisträger Beck und seinem Hi-Res Album „Mutations“ zu hören. Der A39 unterstreicht den ohnehin schon grandios eingefangenen, natürlichen Charakter des Albums noch einmal deutlich.

Insgesamt wirkt der Verstärker sehr kräftig, natürlich, transparent aber auch räumlich. Das macht ihn gerade bei Aufnahmen in etwas schlechterer Qualität ein bisschen uncharmant, weil er so schamlos die Fehler und Artefakte der Originalaufnahme verdeutlicht. Für MP3-Sammler also eher ungeeignet, für Hi-Res und HD-Audio-Fans aber eine Offenbarung der besonderen Art, da der Verstärker weder schönzeichnet, noch anderweitig grob verfälscht. Einzig die Fragilität ist nicht ganz seine Stärke. Bei all dem Stolz und der ganzen Kraft, die der Verstärker abruft, kommen die leisen und subtilen Details manchmal zu kurz oder klingen leicht verwaschen. Aufgefallen ist uns das zum Beispiel bei den sehr Hi-Hat betonten Stücken der Gruppe „The Cinematic Orchestra“. Da verschwamm das ein oder andere Hi-Hat- oder Ride-Becken hin und wieder. Diese befinden sich zwar auf Grund der Musik schon im grenzwertig leisen Bereich, wir haben sie aber dennoch schon deutlicher herausgearbeitet gehört. Dabei geht es jedoch um der Preisklasse entsprechende Feinheiten, die nicht gravierend sind, aber von audiophilen Ästheten durchaus wahrgenommen werden können.

Ein schönes Wechselspiel zwischen Detail und Kraft und die Breite des Repertoires verdeutlichte uns David Grays „Please forgive me“, da dort erst sanft und auf natürliche Art mit vielen Effekten gespielt wird, bevor der Song im elektronischen Klimax den Sub-Bass eines jeden Verstärkers herausfordert. Für den A39 keine Herausforderung. Daher haben wir uns auch entschlossen, den A39 als Verstärker mit Überraschungspotential zu bezeichnen. Was visuell etwas altbacken daher kommt, hat es elektrotechnisch und musikalisch faustdick hinter den Ohren und ist somit nach unserer Meinung falsche Bescheidenheit. Oder eben British Understatement.

Fazit
Wiedergabequalität
88
Ausstattung und Verarbeitung
90
Benutzerfreundlichkeit
90
Preis / Leistung
89
Leserwertung63 Bewertungen
41
89
Arcam FMJ G A39

Bildquellen:

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