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Auerbach Verlag

Faszination Röhre: So funktionieren Röhrenverstärker

Studenten der TU Berlin wollten es genau wissen. Dafür entwickelten sie mit dem Black Cat 2 ihren eigenen Röhrenverstärker. Sein Signalweg basiert ausschließlich auf Röhrentechnik, der Großteil der Versorgungs- und Heizspannungen wird mit Halbleiterschaltungen stabilisiert, wie es bei modernen Röhrenverstärkern üblich ist. Nach zweijähriger Forschungsarbeit kamen die Studenten zu dem Ergebnis, dass die klanglichen Vorzüge ihres Gerätes in den für Hi-Fi-Verstärker üblichen Messwerten unberücksichtigt bleiben. Die Wirtschaft optimiert Verstärker meist nur hinsichtlich eines linearen Frequenzgangs und geringen Klirrfaktors, die beide nur auf der Basis eines einzigen Sinustons bemessen werden. Die Stärke des Black Cat 2 liegt aber im Differenztonfaktor, der das Verhalten des Verstärkers bei zwei Sinustönen verschiedener Frequenzen beschreibt. Schließlich besteht Musik aus vielen gleichzeitig erklingenden Signalen unterschiedlicher Tonhöhe, die sich zu nichtlinearen Mehrfachen des jeweiligen Grundtons summieren können. Das macht sich im Klang negativ bemerkbar, die Musik klingt unscharf, dumpf und verliert an Glanz, die Boxen scheinen enger zusammen und weiter vom Hörer entfernt zu stehen. Der Black Cat 2 hat einen Differenztonfaktor von 0,002 Prozent, wohingegen der Wert eines zum Vergleich herangezogenen Hi-Fi-Transistorverstärkers 183-mal höher liegt. Der Vorteil des Black Cat 2 sei möglich, weil ein Röhrenverstärker von Haus aus mit einer relativ geringen Gegenkopplung auskommt. Seinem Gegenkopplungsfaktor von 1 zu 10 stehen übliche 1 zu 1 000 bei Transistorverstärkern gegenüber. Zwar könnten auch Halbleiterverstärker mit geringer Gegenkopplung realisiert werden, dies sei aber schaltungstechnisch um einiges aufwendiger. Die Ergebnisse des Black Cat 2 sind selbstverständlich nicht auf sämtliche Röhrenverstärker übertragbar, doch bieten sie zumindest einen Anhaltspunkt.

Vorteile des Röhrenverstärkers

  • Retrocharme
  • Geringer Schaltungsaufwand
  • Subjektiv wahrgenommene Verschönerung des Signals
  • Bei Überlastung lineare Verzerrungen
  • Evtl. geringer Differenztonfaktor

Nachteile des Röhrenverstärkers

  • Hoher Stromverbrauch
  • Muss sich aufheizen
  • Hohe Wärmeentwicklung
  • Hoher Verschleiß
  • Nicht linearer Frequenzgang
  • Hoher Klirrfaktor
  • Wenig impulstreu
  • Niedriger Wirkungsgrad
  • Sound verändert sich bei zunehmender Spieldauer
  • Brummanfällig

Die Röhren-Anhänger schätzen die „Wärme“ ihrer Verstärker. Was mit diesem esoterisch anmutenden Wort gemeint ist, verdeutlicht ein Blick auf die spezifischen Eigenschaften der Röhre: Sie fügt dem Signal geradzahlige harmonische Obertöne hinzu. Dabei verzerrt sie linear, das heißt, die ursprüngliche Kurvenform wird nicht verändert, es findet nur eine Veränderung der Amplitude statt. Einfach ausgedrückt wird der hohe Klirrfaktor von Röhrenverstärkern deshalb nicht als störend empfunden, weil er zur Tonart passt. Kommt ein Transistor in die Verzerrung, schneidet er das Signal ab, was ein extrem unangenehmes Kratzen zur Folge hat. Dabei entstehende Stromspitzen können sogar Lautsprecher zerstören. Deshalb vermeidet man bei Transistoren eine Übersteuerung, während die angenehme Verzerrung der Röhre zur Soundformung genutzt werden kann.

Röhrenverstärker haben gegenüber ihren halbleiterbasierten Brüdern einen weiteren klanglichen Vorteil. Sie heben tiefe und hohe Frequenzen an, was folgendermaßen zu erklären ist: Der sehr hohe Ausgangswiderstand eines Röhrenverstärkers bildet mit der Impedanz des Lautsprechers einen Spannungsteiler. Die Lautsprecherimpedanz ist jedoch nicht konstant, sondern weist sowohl bei tiefen als auch bei hohen Frequenzen ein Maximum auf. Bei hohen Lautsprecherimpedanzen verliert der Spannungsteiler seine Wirksamkeit, weshalb bei tiefen und hohen Frequenzen die Spannung im Lautsprecher und damit auch der Lautstärkepegel steigt. Mit einem üblichen Messgerät, das mit konstanten ohmschen Widerständen arbeitet, lassen sich solche Anhebungen nicht messen, deshalb tauchen sie in Frequenzverlaufsdiagrammen nicht auf. Bei Transistorverstärkung gibt es die Anhebungen nicht.

Den besonderen Klang der Röhren machen demnach Veränderungen des Audiosignals aus, die so vom Musikproduzenten nicht gewollt waren und mit der wörtlichen Bedeutung des Begriffes „HiFi“ nicht konform gehen. Dieser Kritikpunkt lässt sich nicht von der Hand weisen. Ebenso wenig kann man einem Röhrenfan die subjektiv wahrgenommene Verschönerung der Musik durch ein High-End-Röhrengerät absprechen. Vergleicht man den Klang eines Transistor-Amps mit dem gleißenden Licht eines Halogenstrahlers, produziert der Röhrenverstärker das warme flackernde Licht einer Kerze – nicht so hell, nicht so konstant, aber wer stellt sich bei einem romantischen Dinner schon einen Baustrahler auf den Tisch?

Anmerkung: Dieser Artikel erschien zuerst im HiFi-Magazin AUDIO TEST. Hier können Sie das Heft nachbestellen.

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