Wir leben in neuen Zeiten und haben uns daran gewöhnt, dass uns die Dinge zu Willen sind. Auch hinsichtlich smarter Audiotools wie den Neumann KH 80 DSP Studiomonitoren sind Nutzer kaum noch bereit, irgendwelche Kompromisse einzugehen. Müssen sie auch nicht, denn die kleinen Berliner Biester lassen im Test kaum Wünsche offen.
Berliner Biester
Wenn es um den vielbeschworenen guten Ton geht, verlangt der Raum dem Hörer in der Regel die größte Kompromissbereitschaft ab. Da dieser eben die Komponente mit den meisten Herausforderungen darstellt. Der wohl definierte Klang – das heißt die interferenzfreie Übertragung der Schallwellen vom Sender zum Empfänger – hängt maßgeblich von der Geometrie des physischen Raumes selbst ab.
In der Sache treffen bei der Übertragung Schallwellen auf verschiedene Oberflächen und Objektstrukturen. Der Kontakt verursacht Beugungen, Brechungen und Reflexionen. Kurz: vielerlei Arten von unerwünschten – weil verzerrenden – Interferenzen.
Eine Tatsache gegenüber der sich den Neumann KH 80 Aktivlautsprechern bzw. Nahfeldmonitoren mit DSP bei Weitem nicht unbeteiligt verhält. Ganz im Gegenteil hat es den Anschein, dass Neumann bei diesem Lautsprecher-Modell versucht, sich über die lästigen Grenzen der Physik hinwegzusetzen und einfach immer und überall die vertraute Arbeitsatmosphäre eines professionellen Studio-Abhörraumes zu zaubern. Doch erzählen wir die Geschichte brav von Anfang an.
Physische Grenzen und Oberflächen
Optisch kommen die ultrakompakten Neumann KH 80 DSP Aktivboxen mit einem Kampfgewicht von 3,5 Kilogramm formschön und gänzlich unaufgeregt daher. Das anthrazitfarbene Gehäuse mit gerade einmal rund 23 Zentimetern Höhe, gefertigt aus einem langlebigen Polycarbonat-Verbundwerkstoff ist designtechnisch zeitlos und kommt erfreulicherweise ohne scharfe Kanten aus.
Die homogene Schallwand hat zudem die Eigenschaft, für weniger Diffraktion, nebst einem glatteren Frequenzgang von 53 Hertz – 21 Kilohertz zu sorgen. Darüber hinaus wird der Konstruktion eine besonders hohe Resonanzfreiheit nachgesagt, was die Bildung unerwünschter, weil stehender Wellen optimal beeinflusst. Die obere Front der Präzisions-Schallwandler ziert ein In-house-simulierter-Hochtöner mit metalllegierter Gewebekalotte. Analog dazu verspricht der Neumann KH 80 Nahfeldmonitor die verzerrungsfreie Wiedergabe des Hochtonspektrums, durch die Anwendung modernster Modeling-Techniken, zur Minimierung nichtlinearer (THD- und Intermodulations-) Verzerrungen.
Shape of you
Die schmale vertikale Abstrahlcharakteristik des (MMD) Waveguide ermöglicht eine größere Bewegungsfreiheit entlang des Mischpults sowie eine erhöhte Reflexionsarmut der Mischpultoberfläche. Die breite horizontale Krümmung des Mathematically-Modelled-Dispersion-Schalltrichters erlaubt hingegen eine bessere Anpassung an verschiedene akustische Umgebungen.
Hinter einem solide verarbeitenden Metallschutzgitter, das für unseren Geschmack nicht wirklich schön ist, verbirgt sich indessen ein Langhub-Basstreiber mit resonanzoptimiertem Membran-Design sowie leistungsstarkem ELFF-Antrieb. Der Extremely Linear Force Factor führt indessen laut Herstellerangabe zu geringerem Strömungsrauschen. Unerwünschte Taumelbewegungen der Schwingspule werden durch einen strömungsoptimierten Druckgusskorb reduziert.
More to discover
Linksseitig der Front befindet sich ein stylishes Neumann-Logo, das Auskunft über den Betriebsstatus gibt. Unterhalb des In-house-modellierten Langhub-Basstreibers finden wir große, strömungsoptimierte Bassreflex-Öffnungen, mit einer zusätzlichen akustischen Dämpfung. Die eine besonders trockene, das heißt impulsgetreue Basswiedergabe versprechen. Bei hohen Ausgangspegeln wird unerwünschte Kompression des Tieftonsegmentes hingegen gemildert sowie etwaige Verfärbung durch Resonanzen im Bassreflex-System kompensiert. Zudem erleichtert die frontseitige Konstruktion die Aufstellung der Monitore im heimischen Studiokosmos.
Ein Blick hinter den Lautsprecher
Auf der Rückseite vom kompakten Neumann Studiolautsprecher befindet sich ein erfreulicherweise doppelt abgeschirmtes Universal-Schaltnetzteil, das sich mit einer Leistung von 100 bis 240 Volt zum Betrieb in aller Herren Länder eignet. Eine Ethernet-Schnittstelle zur Steuerung der KH 80 Monitore über die Neumann-Control iPad-App finden wir ebenfalls vor. Eine elektronisch symmetrierte, analoge Eingangsbuchse für XLR- oder 6,3 – Millimeter-Klinkenstecker sorgt für metiergerechte Signaleinspeisung, bei durchgängig symmetrischer interner Signalverarbeitung.
Was wir besonders schön finden ist, dass Neumann situativ angepasste Modi über das Acoustic-Control-Schaltpult jederzeit analog zugänglich macht. So können fix Einstellungen über einen 4-stufigen Akustikregler für den Low-Mid-Bereich vorgenommen werden. Individuelle Konfigurationen werden so bei veränderter Hörposition im Handumdrehen reproduzierbar. Je nach Aufstellung des Monitors können ebenfalls grobe Anpassungen über die Modi (Free Standing, Small/Medium/Large Desk) vorgenommen werden.
Miss a thing!
Wir entscheiden uns für den „Free-Standing-Modus“ und positionieren die Schallwandler unter Zuhilfenahme des Quick-Start-Guides im Stereo-Dreieck. Auf die Einrichtung einer Stereokonfiguration plus dem KH 750 DSP Subwoofer verzichten wir an dieser Stelle. Freuen uns aber über die vorhandene Möglichkeit.
Über unser Netzwerkkabel verbinden wir die Neumann KH 80 Studiomonitore mit dem dem USB-C-Hub unseres iPad. Als klares Manko müssen wir an dieser Stelle konstatieren, dass die Neumann-Control-App zwingend mit iOS 10 oder höher betrieben werden muss. Windows oder Linux kommen im Neumann-Kosmos leider nicht vor.
Check me out!
Gewohnt zügig öffnet sich die Neumann Control App. Wir entscheiden uns für die geführte Anpassung der Profi-Abhörinstrumente, also das Guided Alignment. Dabei handelt es sich um ein patentiertes Software-Verfahren, bei dem wir uns einfachen Fragen über den Raum, nebst Lautsprecherpositionen stellen müssen. Die App passt anhand unserer Antworten sowohl den Frequenzgang als auch die Verzögerungszeiten der Monitore individuell an. Doch auch die Bedürfnisse aller Voll-Audio-Nerds wurden berücksichtigt.
Denn über das sogenannte Manual Alignment haben Experten die Freiheit, einen vollparametrischen 8-Band-Equalizer, Pegel und das Time-Of-Flight-Delay frei zu konfigurieren. Wer lieber nichts dem Zufall überlassen will, entscheidet sich zur Einrichtung der Studiomonitore für das Automatic Monitor Alignment. Hier wird eine automatische und präzise Raumanpassung von Stereo-Systemen unter Einsatz des Neumann MA 1 Messmikrofons vorgenommen. Erfreulicherweise ist die dafür benötigte Software für Mac und PC erhältlich.
Down to Business
Bevor wir eine DAW öffnen und den Neumann KH 80 DSP Nahfeldmonitoren in ihrem natürlichen Habitat bei der Arbeit zusehen, füttern wir die kleinen Berliner Biester zunächst mit etwas Gegenwartsmusik. Wir entscheiden uns nach Gutdünken für den Titel „Sacatela“ der französischen Cold-Wave-Gruppe La Femme. Gleich zu Beginn des Tracks entsteht in der Mitte des Stereodreiecks ein imaginärer akustischer Punkt aus dem von sehr weit her perkussives Schlagwerk zum Hörer dringt. Ein Bass-Synthesizer schwebt in Richtung Peripherie und etwas, das wir für eine Klarinette halten, malt stereotype Melodiefiguren in die Klanglandschaft.
Dann, kurz nach dem Einsatz des in seiner Tiefe schon fast greifbaren E-Bass‘, der sich im Mix jedoch angenehm dezent verhält, werden wir Zeuge des sphärisch gleitenden Gesangeinsatzes von Clémence Quélennec. Die im unverwechselbaren Timbre die Worte „Sacatela“ intoniert. Was nebenbei bemerkt so viel heißt wie „to put her out“. Hallfahnen und dezente Delays gestalten einen weitläufigen Raum, in dem der Song im Vers mit Einsetzen der Kick mehr und mehr Fahrt aufnimmt.
Überhaupt wirkt der Song in sich wie ein kompliziertes Arrangement analoger Instrumental-Layer, die scheinbar unbeteiligt einen energetischen Nebel beschwören. Und ja, es ist wahrlich Sommer. Ein Gefühl unbeschwerter Leichtigkeit stellt sich ein. Synthesizer-Pedaltöne öffnen im anschließenden Chorus eine neue Welt und bereiten nebenbei die Bühne für ein raumgreifendes Klarinetten-Solo.
Im zweiten Vers scheint sich die flatternde Komposition vor energetischer Leichtigkeit zusammenziehen, um dann auch schon in einer imaginierten Sommernacht zu verhallen. Ganz so, als wäre nichts gewesen.
Just to let you know I love you
Nicht ohne Staunen nehmen wir zur Kenntnis, dass sich die ultrakompakten, DSP-kontrollierten Nahfeldmonitore KH 80 durchaus für den heimischen HiFi-Genuss empfehlen. Der Klang ist zwar äußerst trocken und neutral – wie es sich für einen Studiomonitor gehört. Zudem ist der Sound der Neumann KH 80 von einer hohen Impulstreue geprägt, dabei jedoch sehr musikalisch. Aber seien wir ehrlich, konzipiert wurden die KH 80 weniger für das heimische Wohnzimmer, als für den beinharten Einsatz im Studio – wo immer sich das auch gerade befinden mag. Dabei ist es für einen Studiomonitor essenziell, das eingespeiste Signal so neutral wie möglich darzustellen, und es so dem Produzenten zu erlauben, Audio-Mixe zu erstellen, die auf allen anderen Schallwandlern gleich gut funktionieren.
DAW Daily
Im Praxistest haben wir in der DAW Ableton Live sowie Logic X verschiedene E-Gitarren- Vocal- und Synthesizer-Spuren aufgenommen und akribisch gegengehört. Sowie hinsichtlich Sprachverständlichkeit und Räumlichkeit einen Hörspiel-Mix auf seine Richtigkeit hin überprüft. Und was sollen wir sagen: Bei aller dynamischen Musikalität und Spitzigkeit im Bassbereich sind die KH 80 von Neumann, wenn es drauf ankommt, gnadenlos. Jedes Zittern der Stimme, jedes Anatmen ist mit den ausgewiesenen Nahfeldmonitoren problemlos hörbar. Doch auch die Dynamik wird kompressionsfrei und optimal separiert dargestellt.
So ist es im Test ein Leichtes, eine zu vordergründige Snare oder einen zu sehr mulmenden Bass zu identifizieren. Was das Thema Räumlichkeit angeht, haben wir ebenfalls nichts zu bemängeln. Panorama-Effekte sind unüberhörbar präsent im Stereobild wahrnehmbar. Auch wenn wir den Sweetspot von 1,5 Meter Abstand verlassen, gibt sich der KH 80 beim weitem keine Blöße. So macht die Studio-Arbeit richtig Spaß.
Preis und Verfügbarkeit
Die Neumann KH 80 DSP aktive Studiomonitore gibt es zum Preis (Paarpreis) von 998 Euro (UVP) im Fachhandel zu kaufen.
Webseite: www.neumann.com
Anmerkung: Dieser Testbericht erschien vorab in AUDIO TEST Ausgabe 06/2022.
▶ Lesen Sie hier: Die besten Aktivlautsprecher 2022
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