Bild: Auerbach Verlag

Hintergrund: Durch Raum und Zeit – Teil 2

Dieses Mal finden wir gemeinsam kreative Möglichkeiten zur akustischen Raum-Zeit-Manipulation.

Durch Raum und Zeit –  Teil 2

Zugegeben, für den einen oder anderen Leser ist es sicherlich eine Qual gewesen herauszufinden, dass die teure Stereoanlage in einem Raum steht, der von Flatterechos beherrscht wird oder an dessen gewünschter Hörposition unschöne Reflexionen oder Raummoden entstehen, die das Hörerlebnis trüben. Leider viel zu selten machen sich die Menschen Gedanken über die Akustik ihres Raumes. Stattdessen wird in Geräte mit aufwendigen Algorithmen investiert, die laut Produktverpackung den Klang korrigieren, oder man ist der Meinung, je teurer die Anlage, desto weniger spielt Akustik eine Rolle. Doch weit gefehlt. Wer einmal den Unterschied eines akustisch optimierten Raumes zu einem unbehandelten Super-GAU gehört hat, möchte nie wieder zwischen kahlen und parallelen Wänden ohne kontrollierte Diffusion und Absorption Musik genießen müssen.

Und da sind sie auch schon, unsere Zauberworte der Manipulation. Absorption – aus dem Lateinischen ‚absorptio‘ – steht dabei für eine Form von Aufsaugung, ähnlich einem Schwamm, der Flüssigkeit aufnimmt und nicht wieder abgibt. Der Vorteil der Akustik ist dabei, dass sich unsere Schallschwämme nicht vollsaugen und irgendwann gesättigt sind. Bei der akustischen Absorption geht es darum, den Schallwellen des Raumes Energie zu entziehen, so dass man sie nicht mehr so präsent im Verhältnis zum Direktschall der Stereoanlage hört. Die Beschaffenheit und Masse bestimmt dabei den Schallabsorptionsgrad und die Breite des Spektrums über das ein Absorber wirkt. Die Position bestimmt dafür maßgeblich die Effektivität der Schallschluckung. Diffusion hingegen ist im Prinzip eine komplexe und manchmal auch chaotische Form der Reflexion und sorgt dafür, dass Schall nicht wie mit einem Spiegel an glatten Flächen durch den Raum geschickt. Er wird vielmehr aufgesplittet in viele kleine unterschiedliche Reflexionen und es entsteht somit ein feinerer und sanfterer Nachhall, der nicht als mehr einzelne Reflexionen den Raum beherrscht.

Wie wir gelernt haben, ist Nachhall etwas vollkommen natürliches und den gesamten Raum mit Absorbern akustisch zu töten, ist nicht was wir unter Raumoptimierung verstehen. Bevor wir nun aber in Aktionismus verfallen und mit der unkontrollierten Installation von Absorbern und Diffusoren im Raum beginnen, sollten wir uns zuerst noch einmal mit den Hörbedingen als solches beschäftigen. Das beginnt mit der Positionierung der Lautsprecher im Raum und zum Raum, dem Abstand der Lautsprecher zu den begrenzenden Wänden, dem idealen Stereodreieck und dem Finden eines Kompromisses zwischen Klang und Wohnlichkeit unserer Umgebung. Auf die ausführliche Erläuterung der idealen Positionierung einer Stereoanlage wird an dieser Stelle verzichtet. Wer sich mit Akustik beschäftigt, sollte wissen wie echtes Stereo funktioniert. Trotzdem sei noch einmal daran erinnert, dass eine korrekte Aufstellung und Ausrichtung von essentieller Bedeutung für die empfundene Klangqualität ist, von der korrekten Verkabelung und Beschickung einmal ganz abgesehen. Wir gehen also im Moment davon aus, dass sich Lautsprecher und Hörposition in einem idealen Stereodreieck befinden, dass die Hochtöner in etwa auf Ohrhöhe platziert sind, und dass der Abstand der Lautsprecher zur nächsten begrenzenden Wand nicht kleiner ist als 50 Zentimeter, besser noch einen Meter. Im Optimalfall beschallen wir den Raum längs und nicht quer, weil sonst Reflexionen von hinten eher wahrgenommen werden als von der Seite, was eine zusätzliche Herausforderung für die saubere Lokalisation bedeutet.

Glatte Flächen

Tückisch können Fenster und Türen im Spiel der Akustik sein, da diese üblicherweise große und glatte Flächen darstellen, die bekanntermaßen stark reflektieren. Abhilfe können hier große und schwere oder mehrschichtige Vorhänge schaffen, die einfach nach Bedarf auf oder zugezogen werden. Vor der übereifrigen Verhängung durch Stoff sei jedoch angemerkt, dass dies bei Benutzung handelsüblicher Baumwolle oder Synthetik eine erhöhte Brandgefahr darstellt und daher eher auf spezielle Akustikvorhänge zurückgegriffen werden sollte, die schwer entflammbar sind. Gute haushaltsübliche Absorber sind auch dicke Teppiche. Sie sorgen nicht nur für warme Füße und ein wohnliches Ambiente, sondern rauben glattem Laminat, Holz-, Stein- und Fliesenböden die ungewünschten Spiegelungen. Die wichtigsten Reflexionen sind aber meist nicht die von Fenstern oder Fußböden, sondern die Erstreflexionen von begrenzenden Flächen links, rechts oder hinter der Lautsprecher. Um diese zu finden holt man sich am besten Verstärkung, denn zu zweit macht das folgende Prozedere mehr Sinn und führt schneller zum Erfolg. Man selbst setzt sich einfach an die gewünschte Hörposition, eine zweite Person nimmt sich einen Spiegel und platziert diesen an der Wand links, respektive rechts der Abhörposition zwischen Lautsprecher und Zuhörer. Dann verschiebt diese zweite Person den Spiegel so lange hin beziehungsweise her, bis die Person an der Hörposition die Lautsprecher darin sehen kann. Die Position des Spiegels ist nun der Punkt an dem auch der Schall an dieser Wand zurück zum Hörer reflektiert würde. Ein idealer Platz also für einen Absorber. Dabei muss ein Absorber nicht unbedingt immer ein schwarz und trist daherkommender Pyramidenschaumstoff sein.

Das Optimum rausholen

Prinzipiell ist die Verwendung von offenporig porösen Schaumstoffen die idealste Variante zur Reduktion von Schallenergie über ein breites Frequenzband, aber ob nun Pyramide oder nicht spielt weniger die Rolle. Entscheidend für die Absorption ist einerseits die Dicke des Materials und andererseits dessen spezifischer Schallabsorptionsgrad, der eine wissenschaftliche Größe darstellt und in jedem Tafelwerk zu finden ist. Offenporig poröse Schaumstoffe stellen dabei oft den besten Kompromiss zwischen Praxistauglichkeit und Preis bei erzeugtem Effekt dar. Als Faustregel bei Schaumstoffen gilt, je dicker desto breitbandiger wird auch in bis in den Grundtonbereich absorbiert. Ein ein bis zwei Zentimeter dünner Schaumstoff reicht vielleicht für den Hochtonbereich und gegen Flatterechos. Möchte man aber bis in die unteren Mitten absorbieren, so sollte man fünf bis zehn Zentimeter Dicke in Erwägung ziehen. Wem der pure Schaumstoff nun ein ästhetischer Frevel sein sollte, dem sei ans Herz gelegt, sich über so genannte Print- oder Design-Absorber zu informieren. Diese sind mit einer Leinwand bespannt, auf die man sogar noch das tolle Panoramafoto des letzten Urlaubs drucken lassen könnte. Dank Print-On-Demand und weiterentwickelter Fertigungstechniken ist das mittlerweile auch wirklich erschwinglich und vertuscht den Absorber als einfaches Bild an der Wand.

Worauf man bei dem Versuch Absorption in seinem Raum zu integrieren in jedem Fall verzichten sollte, sind die berühmt berüchtigten Eierpappen. Diese Verstoßen nicht nur gegen jede Brandschutzverordnung, sondern sehen zudem auch noch hässlich aus. Außerdem wirken sie auf Grund ihrer Form und des Materials nur bei einem bestimmten Frequenzbereich und machen somit die Akustik eines Raumes oft nur noch schlimmer. Wer unbedingt Do-It-Yourself Absorber bauen möchte, sollte sich lieber mit dem von BASF hergestellten Schaumstoff Basotect beschäftigen. Diesen gibt es oft günstig in allen erdenklichen Abmaßen bei einschlägigen Onlinehändlern zu bestellen, auf Wunsch auch gleich in der zur Couch passenden Farbe und in der notwendigen Dicke für den betreffenden oder gewünschten Frequenzbereich. Ohne Brandgefahr. Noch günstigere Alternativen dazu können zum Beispiel aus Steinwolle gefertigte Absorber sein, die sich vor allem auf Grund ihrer flexiblen Masse hervorragend für Bassfallen eignen. Apropos Bassfalle. Als Bassfallen werden üblicherweise Absorber bezeichnet, die aufgrund ihrer massigen Proportionen und Form in den Ecken von Räumen aufgestellt werden. Wie wir in der letzten Ausgabe erklärt haben, entstehen gerade in den Ecken von Räumen durch Reflexionsüberlagerungen Bassunebenheiten, die sich unschön auf den Klang des Raumes auswirken. Nebenbei auch der Grund, warum man keine Lautsprecher direkt in die Ecke stellt, es sei denn man möchte diesen Effekt.

Absorber

Bassabsorber gibt es in dreieckiger Form, aber auch rund. Oft sind sie um die einen Meter hoch und idealerweise stapelbar. Ähnlich den bereits angesprochenen Wandabsorbern saugen sie den tieffrequenten Schall der Ecken auf und rauben ihm seine Energie. Wenn das Budget die Entscheidung verlangt zwischen Schaumstoff an den Wänden und Bassfallen zu wählen, so sollte man definitiv den Bass als erstes bekämpfen. Sehr oft ist auch dieser Frequenzbereich der problematischste aller akustischen Herausforderungen. Da Bassfallen normalerweise auch aus offenporig porösem Material bestehen, fungieren sie zudem ebenfalls als klassische Breitbandabsorber und machen manchmal die Installation von schallschluckendem Schaumstoff an den Wänden oder Decken sogar überflüssig. Als Faustregel der Absorption gilt also die Prioritäten im Frequenzbereich von tieffrequent nach hochfrequent zu staffeln. Erst den Bass der Ecken bekämpfen und dann eher punktuell und nach Bedarf die Wände bedämpfen, nicht andersherum. Vor allem in Amateurstudios und Aufnahmeräumen sieht man oft das Gegenteil. Die Wände sind zugekleistert mit billigstem Pyramidenschaumstoff frei nach dem Motto viel hilft viel und der Bass ist komplett unbearbeitet. Das Ergebnis sind akustisch tote Räume mit einer Überbedämpfung der hohen Frequenzen und einem oft präsenten und unausgewogenen Dröhnen und Mulmen der Grundtöne und Bässe. Und das hört man der Musik dann oft leider auch an.

Das Skalpell unter den Absorbern ist übrigens der Helmholtz-Resonator. Resonatoren sind spezielle Kisten, die sehr eng auf bestimmte Frequenzen gestimmt sind mit denen sie – wie ihr Name auch schon verrät – resonieren und mitschwingen. Durch das Mitschwingen entstehen akustische Gegenkräfte und Auslöschungen, die auch hier wieder die Schallenergie der jeweiligen Frequenz reduzieren. Der Einsatz von Resonatoren verlangt jedoch definitiv eine fundierte Kenntnis der Problemzonen seines Raumes. Ein Messsystem wie wir es in der letzten Ausgabe vorgestellt haben, kann darüber Aufschluss geben und verraten, wo man ansetzten sollte. Stehenden Wellen oder Bassresonanzen kann man aber nicht nur durch Bassfallen oder Helmholtz-Resonatoren Herr werden. Eine ebenfalls bewährte Methode ist es, den Raumwänden die Parallelität zu nehmen. Dafür kann man zum Beispiel kleine Stellwände benutzen. Haushaltsüblicher sind aber bestimmt Bücherregale, die sich zusätzlich auch noch super als Diffusoren eignen. Wir erinnern uns, Diffusion ist die Aufsplittung der Reflexion in verschiedene Richtungen. Es kann also auch helfen, anstelle von Schaumstoff und Stellwänden, einfach Bücherregale links und rechts seiner Hörposition zu stellen. Das sieht nicht nur wohnlicher aus, sondern macht auch akustisch Sinn.

Als hervorragende Diffusoren eignen sich aber auch große Zimmerpflanzen, die aufgrund ihrer unregelmäßigen Struktur den Schall wunderschön im Raum streuen. Wer hat, sollte auch den großen Kronleuchter aus dem Keller entstauben und im Raum aufhängen, oder sich beim Neukauf für eine prunkvolle Hängelampe entscheiden, die den Raum in neuem Glanz erklingen und erstrahlen lässt. Stuck an den Decken ist auch ein gern gesehener Gast in einem guten Hörraum und sorgt nicht nur für weniger Bassverwirbelungen in den Ecken, sondern ist ein kostenloser Diffusor. Kunstsammler dürfen natürlich auch gerne Skulpturen oder eine große 3D-Konstruktion von James Rizzi im Hörraum ausstellen. Je unregelmäßiger die Fläche des Raumes, desto besser. Ein sehr interessantes Konzept zur Verteilung von Absorbern und Diffusoren im Raum ist übrigens das so genannte LE-DE-Konzept. Dabei steht die Abkürzung für Live End und Dead End. Das „tote Ende“ ist dabei alles, was von unserer Hörposition aus gesehen vor uns liegt, also hinter den Lautsprechern und links und rechts davon. Diese Fläche ist prädestiniert für Absorber und hier sind Reflexionen meist unerwünscht. Das „lebendige Ende“ ist dabei alles, was von unserer Hörposition aus gesehen hinter uns ist. Von dort darf es ruhig ein bisschen Rauminformation geben. Möglichst gestreut und homogen natürlich. Und bevor nun alle Schaumstoff kaufen, Bücherregale rutschen oder Teppiche verlegen, hören sie bitte erst genau hin: weniger ist mehr.