Test: Cyrus One Stereovollverstärker – Raumwunder

Viel HiFi auf kleinstem Raum

Ende 2016 kam der Cyrus One auf den Markt, ein Stereovollverstärker und Hommage an die eigene Firmengeschichte. Außerdem soll er das erste Glied einer vollkommen neuen Produktserie sein. Da waren wir natürlich auf Klang und Features gespannt.

In den 1980er Jahren begann die Geschichte der englischen HiFi-Bauer aus Huntingdon, Cambridgeshire. Und ihr erstes Produkt, das sie 1984 auf den Markt brachten, war der Verstärker Cyrus One. Damals hießen sie übrigens noch Mission Electronics. Aber nicht nur den Namen haben die Engländer für ihr neues Produkt wiederbelebt, auch das Design wurde aufgegriffen und neu interpretiert. So präsentiert sich uns 32 Jahre später, im Cyrus-typischen halbbreitem Chassis, der neue Cyrus One.

Retro trifft 2016

Schon das ursprüngliche Gerät aus dem Jahr 1984 fiel durch sein ungewöhnliches Design auf. Dafür sorgten die drei riesigen Drehschalter, mit denen sich die Lautstärke und die Quellen für Hören und Aufnahme auswählen ließen. Daneben gab es noch einen Power-Schalter, mehr nicht. Eine wirklich gelungene Reduktion auf das Wesentliche.

Für die Neuauflage hat Cyrus nochmals reduziert. Jetzt begrüßen uns lediglich zwei Drehregler an der Front, die uns wie übergroße Augen anstarren. Der linke dient der Quellenwahl und der rechte regelt die Lautstärke.Bei seiner Nutzung fällt sofort auf, wie feingliedrig er arbeitet. Die Lautstärke lässt sich so in feinsten Nuancen einstellen.

Kein heimlicher Stromfresser

Links unter der eigentlichen Front finden wir den Netzschalter. Er ist etwas nach hinten versetzt und ist deshalb mit dickeren Fingern nicht ganz so leicht zu erreichen. Erfreulich ist: Er trennt das Gerät wirklich vom Netz. Ein heimlicher Stromfresser ist der Cyrus One also nicht.

Rechts unten haben die Engländer einen 6,3-Millimeter-Kopfhöreranschluss integriert. Designtechnisch wäre zwar ein 3,5er passender gewesen, aber in Bezug auf Zuverlässigkeit und Robustheit geht nichts über die große Variante des Klinkensteckers. Zumal Cyrus hier einen Class A/B Verstärker verbaut, um selbst mit hochwertigen Kopfhörern den bestmöglichen Musikgenuss gewährleisten zu können.

Die Front glänzt außerdem in schwarzer Pianolackoptik und besteht aus Kunststoff. Das restliche Gehäuse besteht natürlich aus Aluminiumdruckguss. Cyrus setzte von Anfang an auf dieses Material, um die bestmögliche elektrische Abschirmung und mechanischen Schutz der Elektronik zu gewährleisten. Außerdem sorgt das Metall für eine perfekte Wärmeabgabe an die Umgebung. Wobei unser Testgerät kaum merklich warm wurde.

Kleine Lichtshow

Eine Sache müssen wir bezüglich des Designs noch erwähnen. Das sind die weißen LEDs. Schon beim Einschalten des Gerätes bieten sie uns eine kleine Lichtshow, indem sie einmal die Bedienknöpfe umrunden. Am linken Regler zeigen sie den aktiven Eingang an und am rechten die Lautstärke. Interessant wird es, wenn wir auf der Fernbedienung die Balanceregelung aktivieren. Dann leuchten am Lautstärkebutton die beiden äußersten LEDs links und rechts sowie eine dritte. Ihre Position zeigt an, ob mehr der linke oder eben der rechte Lautsprecher angesteuert wird. Eine sehr clevere Lösung, um auch ohne Display eine wichtige Information zu vermitteln. Wem die Lichtshow zu hell ist, der kann über die Fernbedienung sogar deren Helligkeit einstellen.

Cyrus One: Die Quellenanwahl ist intuitiv gestaltet. Auch Bluetooth kann einfach ausgewählt werden
Die Quellenanwahl ist intuitiv gestaltet. Auch Bluetooth kann einfach ausgewählt werden

Bei aller Freude über Aussehen, Material und Lichterglanz verdient die Fernbedienung Kritik. Sie entspricht in Größe, Form und Haptik eher den kleinen Fernsteuerungen, die es zu Farbwechsel-LED-Lampen dazugibt. Dort ist sie angebracht, aber nicht bei einem so hochwertigen HiFi-Gerät.

Cyrus One: Die eher unpassende Fernbedienung erlaubt die einfache Steuerung des Vollverstärkers
Die eher unpassende Fernbedienung erlaubt die einfache Steuerung des Vollverstärkers

Quellenwahl ohne Qual

Insgesamt vier analoge Signale können via Cinch in den Vollverstärker eingespeist werden. Wobei ein Eingang direkt für AV-Quellen ausgelegt ist und im Bypass-Modus läuft, um die Lautstärkeregelung über den Verstärker zu umgehen. Außerdem gesellt sich ein Phono-Anschluss mit integrierter Vorstufe für MM Tonabnehmer-Systeme dazu, was den Schallplattenliebhaber sicher freut.

Digitale Eingänge suchen wir vergebens. Der Cyrus One hat sich ganz der analogen Technik verschrieben, bis auf eine Ausnahme, doch dazu gleich. Neben den genannten Eingängen besitzt der Stereovollverstärker auch ein Pre-Out. Über diesen Ausgang kann ein weiterer Verstärker angeschlossen werden, um beispielsweise ein kabelgebundenes Multiroom-System aufzubauen. Die Verbindung der Lautsprecher erfolgt über die rückseitigen Anschlüsse via Klemme oder Bananenstecker. Zweitgenannte rasten übrigens richtig gut ein und sitzen bombenfest. Sowieso machen alle Anschlüsse eine hervorragende Figur.

Cyrus One erlaubt Bi-Wiring

Dem Kenner fällt natürlich sofort auf, dass der Cyrus One Bi-Wiring erlaubt. Hoch- und Mittelchassis können also getrennt vom Basschassis angesteuert werden, wenn es die Lautsprecher zulassen. Ob diese Technik wirklich eine klangliche Verbesserung bringt, ist oft umstritten. In Fachkreisen wird deshalb gescherzt, dass das Bewegen des Kopfes um ein paar Zentimeter wesentlich mehr Einfluss auf den Klang hat als Bi-Wiring – dennoch ist das Feature ein wichtige Möglichkeit, das persönliche Klangerlebnis weiter zu optimieren.

Zwar lässt der Cyrus One die analoge Quellenwelt hochleben, aber ganz so Old School ist er dann doch nicht. Denn die Engländer haben ihrem Gerät ein Bluetooth-Modul spendiert. Das sitzt dicht hinter der Frontplatte. So verbessert sich nicht nur der Empfang, auch wird die restliche Elektronik im Gerät nicht gestört. Unbedingt müssen wir hier erwähnen, dass der apt-X-Codec vom Cyrus One unterstützt wird. Verfügt auch das Smartphone oder Tablet darüber, kann die Musik in CD-Qualität übertragen werden. Der Unterschied ist wirklich hörbar. Der Sound wirkt räumlicher und klarer gegenüber der Übertragung mit dem lizenzfreien SBC-Codec, der zum A2DP (Blue tooth-Übertragungsprotokoll für Stereosignale) gehört.

Das Umschalten zwischen den einzelnen Quellen meistert der Engländer flott. Hier haben wir schon wesentlich teurere Geräte erlebt, die sich deutlich mehr Zeit nehmen. Selbst der Wechsel zwischen analogem Signal und Bluetooth dauert weniger als zwei Sekunden – ein dickes Plus im Protokoll.

Cyrus One: Dank des USB-Eingangs ist die Software des Cyrus One upgrade-fähig. Der Bi-Wiring Anschluss der Lautsprecher ist ebenfalls möglich
Dank des USB-Eingangs ist die Software des Cyrus One upgrade-fähig. Der Bi-Wiring Anschluss der Lautsprecher ist ebenfalls möglich

Blick ins Herz des Cyrus One

Im Inneren des Cyrus One finden wir einen von den Engländern eigens entwickelten Class D Verstärker der dritten Generation wieder. Beim ersten Blick fällt sofort der wirklich große Ringkern-Transformator auf. In so einem kleinen Gerät hätten wir ihn nicht erwartet. Auch gelingt es Cyrus, elf Module zur Spannungsversorgung für die einzelnen Schaltkreise im Gerät unterzubringen. Das und die extrem kurzen Signalwege garantieren eine störungsfreie und akkurate Signalverarbeitung.

Die Leistung des Vollverstärkers liegt bei zweimal 100 Watt an sechs Ohm bei einer gesamt harmonischen Verzerrung von 0,1 Prozent. Außerdem setzt der Cyrus One auf SID. Das ist die Lautsprecherimpedanzz-Erkennung (Speaker-Impedance-Detection). Mit ihr misst er die Impedanz der Lautsprecher aus und passt seine Verstärker-Ausgangsstufe daran an. Dadurch soll nahezu jedes Lautsprecherpaar optimal angesteuert werden.

Mollig warm

Kommen wir zum wichtigsten Teil unseres Tests: dem Klang. Wir haben dazu aus unserer Klassiksammlung Franz Liszt „Favourite Piano Works“ herausgesucht. Jorge Bolet interpretiert für uns Liszts Bearbeitung des Schubertschen Erlkönigs. Unseren CD-Player haben wir über den analogen Eingang mit dem Cyrus One verbunden und drücken nun auf die Play-Taste.

Sofort schlagen kraftvoll die Hämmer auf die Saiten und sorgen für ein wohlig-schauriges Gefühl. Wir spüren die Kälte der Nacht und der Nebel kriecht Gespenstern gleich über die Felder. Ja, das wirkt wirklich voll und anmutig, was der Cyrus One da aus der Aufnahme herausholt. Wobei uns sofort auffällt, dass die Aufnahme etwas mehr Wärme bekommen hat. In den unteren Mitten und im Bassbereich ist der Verstärker sehr spendierfreudig. In die Höhen hingegen hält er sich etwas zurück. Dadurch leidet ein wenig die Klarheit und Räumlichkeit. Auch könnte er etwas subtiler mit der Dynamik umgehen. Doch das ist nur ein erster Eindruck.

Cyrus One – ein absolut kompetentes Gerät

Wir lassen den Erlkönig ein wenig reiten und genießen die intensive Interpretation, bis wir uns Roy Hargrove mit „The Challenge“ auf der CD „Verve Next Generation – Volume2“ zuwenden. Wieder hüllt uns ein schön warmer Bass ein. Die anfangs sanft gespielte Trompete schwebt in den Raum. Das Klavier untermalt den Sound und das Schlagzeug sorgt für ein ordentliches Tempo. Die Becken swingen und zwitschern nuanciert, wobei wir auch hier ein wenig mehr Brillanz erwarten. Wieder fehlt es uns etwas an Räumlichkeit. Und ja, die feinen Zwischentöne sind da, aber könnten mehr Platz bekommen.

Jedoch sprechen wir hier von einem Stereovollverstärker, der weniger als 1 000 Euro kostet – dafür leistet er sehr gute Arbeit – egal ob es um Klang, Bedienung oder Verarbeitung geht. Beim Abspielen komprimierter MP3-Dateien über Bluetooth wertet er die Musik auf. Somit erweist sich der Cyrus One als ein absolut kompetentes Gerät.

Fazit
Sehr gute Verarbeitung, einfache Bedienbarkeit und eine Klasse Ausstattung mit SID, Phono-Vorstufe oder Bluetooth machen den Cyrus One zu einem hochwertigen Vollverstärker im Preissegment bis 1 000 Euro. Der Sound ist warm und voll. Ein wenig mehr Räumlichkeit und Feinaufl ösung würden wir uns wünschen. Viel HiFi auf kleinstem Raum
Wiedergabequalität
88
Ausstattung/Verarbeitung
80
Benutzerfreundlichkeit
80
Preis/Leistung
90
Leserwertung69 Bewertungen
50
Vorteile
einfache Bedienbarkeit
Klasse Verarbeitung
Warmer, voller Sound
Nachteile
Fernbedienung
Feinauflösung und Räumlichkeit
85

Bildquellen:

  • IMG_3571: Bild: © Auerbach Verlag